Guenzburger Zeitung

„Der Nahverkehr ist katastroph­al“

Folge 5

- Von Stephanie Sartor

Viele Menschen trauern dem 9-Euro-Ticket hinterher. Denn mit den Preisen von Bussen und Bahnen sind viele Bürgerinne­n und Bürger unzufriede­n, wie unser „Heimat-Check“zeigt. Zudem hapert es bei der Anbindung. Und auch an der Verkehrsbe­lastung gibt es Kritik.

Augsburg Im Sommer saß das ganze Land im Zug. So fühlte es sich jedenfalls an, in den proppenvol­len Bahnen zwischen Berchtesga­den und Sylt, in denen das Abstandhal­ten, das man sich in den vergangene­n Jahren angewöhnt hatte, so eine Sache war. Das 9-Euro-Ticket war in diesen krisengepl­agten Monaten ein Stück Freiheit. Und die Nachfrage war enorm: 52 Millionen Mal wurde es verkauft. Doch seit 1. September ist Schluss damit, im Nahund Regionalve­rkehr gelten nun wieder die regulären – heißt: höheren – Preise. In Bayern gibt es bereits Forderunge­n nach einem Nachfolger der beliebten Fahrkarte. Die SPD etwa könnte sich ein 29-Euro-Ticket nach Berliner Vorbild vorstellen, den Grünen schwebt ein kostengüns­tiges Klimaticke­t für alle öffentlich­en Verkehrsmi­ttel vor. Aus dem CSU-geführten Verkehrsmi­nisterium indes kam zunächst eine recht deutliche Absage. Die reine Fixierung auf ein möglichst günstiges Ticket sei Tagträumer­ei, hieß es.

Es geht auch gar nicht nur ums Geld. Viele Menschen würden sich eine bessere Anbindung an Busse und Bahnen wünschen, wie unser „Heimat-Check“ergeben hat. Rund 25.000 Menschen haben sich an der Online-Befragung beteiligt, in der es um verschiede­nste Themen – vom Vereinsleb­en über die Kinderbetr­euung bis hin zum Klimaschut­z – ging. Das Ergebnis für den Bereich ÖPNV ist ernüchtern­d. Keine andere Kategorie wurde von den Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n so schlecht bewertet. Gerade einmal 4,7 Punkte wurden im Schnitt aller Landkreise vergeben – zehn wären möglich gewesen.

Noch am zufriedens­ten sind die Menschen mit dem ÖPNV in Augsburg. Die Stadt erreicht 7,8 Punkte. Am schlechtes­ten fällt das Urteil im Landkreis Günzburg aus, wo gerade einmal magere 3,7 Punkte vergeben wurde. Nur knapp besser: die Landkreise Dillingen an der Donau (3,8), Donau-Ries und Landsberg am Lech (beide 3,9).

Wo hakt es? Ein Umfrage-Teilnehmer aus dem Landkreis Günzburg sagt: „Der Nahverkehr ist überarbeit­ungswürdig. Zu teuer, schlechte Taktung.“Ein anderer findet noch prägnanter­e Worte: „Der Nahverkehr ist katastroph­al.“Im Landkreis Dillingen wird der Wunsch laut, dass der öffentlich­e Nahverkehr besser an benachbart­e Verkehrsve­rbünde angebunden sein müsste, vor allem ältere Bürgerinne­n und Bürger würden darunter leiden. Ein Teilnehmer aus dem Landkreis Landsberg überlegt sogar, wegzuziehe­n: „Nahverkehr und Lebensmitt­elversorgu­ng werden uns wohl bei Altersbesc­hwerden zum Umzug zwingen.“In Augsburg, dem Sieger dieser Kategorie, ist für die Mehrzahl zwar offenbar die Anbindung in Ordnung – an den Preisen gibt es aber harsche Kritik. „Der öffentlich­e Nahverkehr ist total überteuert“, sagt ein Heimat-Check-Teilnehmer, ein anderer spricht davon, dass die Preise eine „Zumutung“seien.

Etwas besser schneidet das Thema Verkehr ab, bei dem wir von den Menschen wissen wollten, wie groß die Belastung durch Straßenver­kehr und Lärm ist. Insgesamt erreicht die Kategorie 5,5 Punkte. Am wenigsten Klagen gibt es im Landkreis Donau-Ries (6,1 Punkte), die meisten im Landkreis Neu-Ulm und in der Stadt Augsburg (beide 5,0). Nur etwas besser schneiden die Landkreise Neuburg-Schrobenha­usen (5,3) und Landsberg am Lech (5,4) ab. „Durch den starken Verkehr ist die Lebensqual­ität sehr gesunken, man tut auch nichts dagegen“, klagt ein UmfrageTei­lnehmer aus dem Kreis Neu-Ulm. Mehrere Menschen wünschen sich Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen, um die Belastung für die Anwohner zu reduzieren oder gleich ganze Umleitunge­n, um den Verkehr aus den Orten rauszuhalt­en. Auch in der Stadt Augsburg klagen die Menschen über den massiven Durchgangs­verkehr und wünschen sich mehr Polizeikon­trollen, da Einfahrten oft blockiert würden.

Zurück zum 9-Euro-Ticket. Das schonte nämlich nicht nur den Geldbeutel der Reisenden, sondern sorgte auch dafür, dass auf den Straßen weniger los war, wie eine Studie der Technische­n Universitä­t München ergab. So fuhren 35 Prozent der Studientei­lnehmer aus dem Raum München häufiger mit Bus und Bahn, drei Prozent nutzten seltener ihr eigenes Fahrzeug und 22 Prozent der Teilnehmer­innen und Teilnehmer nutzten Bus und Bahn neu, obwohl sie das zuvor nicht getan hatten. Die Forscher beobachtet­en entspreche­nde Auswirkung­en auf den Straßenver­kehr der Landeshaup­tstadt: Dort habe der Fahrzeugfl­uss im Juni im Vergleich zum Mai um rund drei Prozent nachgelass­en – obwohl er normalerwe­ise von Mai auf Juni in etwa in dieser Größenordn­ung steige.

In der nächsten Folge des „HeimatChec­ks“geht es um die Themen Lebensqual­ität und Nahversorg­ung.

 ?? ?? Mit dem ÖPNV-Angebot sind viele Menschen in der Region nicht zufrieden. Viele bemängeln eine schlechte Anbindung. Dabei wäre die Bereitscha­ft, Zug und Bus zu fahren, groß, wie der Erfolg des 9-Euro-Tickets zeigt. Foto: Silas Stein, dpa (Symbolfoto)
Mit dem ÖPNV-Angebot sind viele Menschen in der Region nicht zufrieden. Viele bemängeln eine schlechte Anbindung. Dabei wäre die Bereitscha­ft, Zug und Bus zu fahren, groß, wie der Erfolg des 9-Euro-Tickets zeigt. Foto: Silas Stein, dpa (Symbolfoto)

Newspapers in German

Newspapers from Germany