„Der Nahverkehr ist katastrophal“
Folge 5
Viele Menschen trauern dem 9-Euro-Ticket hinterher. Denn mit den Preisen von Bussen und Bahnen sind viele Bürgerinnen und Bürger unzufrieden, wie unser „Heimat-Check“zeigt. Zudem hapert es bei der Anbindung. Und auch an der Verkehrsbelastung gibt es Kritik.
Augsburg Im Sommer saß das ganze Land im Zug. So fühlte es sich jedenfalls an, in den proppenvollen Bahnen zwischen Berchtesgaden und Sylt, in denen das Abstandhalten, das man sich in den vergangenen Jahren angewöhnt hatte, so eine Sache war. Das 9-Euro-Ticket war in diesen krisengeplagten Monaten ein Stück Freiheit. Und die Nachfrage war enorm: 52 Millionen Mal wurde es verkauft. Doch seit 1. September ist Schluss damit, im Nahund Regionalverkehr gelten nun wieder die regulären – heißt: höheren – Preise. In Bayern gibt es bereits Forderungen nach einem Nachfolger der beliebten Fahrkarte. Die SPD etwa könnte sich ein 29-Euro-Ticket nach Berliner Vorbild vorstellen, den Grünen schwebt ein kostengünstiges Klimaticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel vor. Aus dem CSU-geführten Verkehrsministerium indes kam zunächst eine recht deutliche Absage. Die reine Fixierung auf ein möglichst günstiges Ticket sei Tagträumerei, hieß es.
Es geht auch gar nicht nur ums Geld. Viele Menschen würden sich eine bessere Anbindung an Busse und Bahnen wünschen, wie unser „Heimat-Check“ergeben hat. Rund 25.000 Menschen haben sich an der Online-Befragung beteiligt, in der es um verschiedenste Themen – vom Vereinsleben über die Kinderbetreuung bis hin zum Klimaschutz – ging. Das Ergebnis für den Bereich ÖPNV ist ernüchternd. Keine andere Kategorie wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern so schlecht bewertet. Gerade einmal 4,7 Punkte wurden im Schnitt aller Landkreise vergeben – zehn wären möglich gewesen.
Noch am zufriedensten sind die Menschen mit dem ÖPNV in Augsburg. Die Stadt erreicht 7,8 Punkte. Am schlechtesten fällt das Urteil im Landkreis Günzburg aus, wo gerade einmal magere 3,7 Punkte vergeben wurde. Nur knapp besser: die Landkreise Dillingen an der Donau (3,8), Donau-Ries und Landsberg am Lech (beide 3,9).
Wo hakt es? Ein Umfrage-Teilnehmer aus dem Landkreis Günzburg sagt: „Der Nahverkehr ist überarbeitungswürdig. Zu teuer, schlechte Taktung.“Ein anderer findet noch prägnantere Worte: „Der Nahverkehr ist katastrophal.“Im Landkreis Dillingen wird der Wunsch laut, dass der öffentliche Nahverkehr besser an benachbarte Verkehrsverbünde angebunden sein müsste, vor allem ältere Bürgerinnen und Bürger würden darunter leiden. Ein Teilnehmer aus dem Landkreis Landsberg überlegt sogar, wegzuziehen: „Nahverkehr und Lebensmittelversorgung werden uns wohl bei Altersbeschwerden zum Umzug zwingen.“In Augsburg, dem Sieger dieser Kategorie, ist für die Mehrzahl zwar offenbar die Anbindung in Ordnung – an den Preisen gibt es aber harsche Kritik. „Der öffentliche Nahverkehr ist total überteuert“, sagt ein Heimat-Check-Teilnehmer, ein anderer spricht davon, dass die Preise eine „Zumutung“seien.
Etwas besser schneidet das Thema Verkehr ab, bei dem wir von den Menschen wissen wollten, wie groß die Belastung durch Straßenverkehr und Lärm ist. Insgesamt erreicht die Kategorie 5,5 Punkte. Am wenigsten Klagen gibt es im Landkreis Donau-Ries (6,1 Punkte), die meisten im Landkreis Neu-Ulm und in der Stadt Augsburg (beide 5,0). Nur etwas besser schneiden die Landkreise Neuburg-Schrobenhausen (5,3) und Landsberg am Lech (5,4) ab. „Durch den starken Verkehr ist die Lebensqualität sehr gesunken, man tut auch nichts dagegen“, klagt ein UmfrageTeilnehmer aus dem Kreis Neu-Ulm. Mehrere Menschen wünschen sich Geschwindigkeitsbegrenzungen, um die Belastung für die Anwohner zu reduzieren oder gleich ganze Umleitungen, um den Verkehr aus den Orten rauszuhalten. Auch in der Stadt Augsburg klagen die Menschen über den massiven Durchgangsverkehr und wünschen sich mehr Polizeikontrollen, da Einfahrten oft blockiert würden.
Zurück zum 9-Euro-Ticket. Das schonte nämlich nicht nur den Geldbeutel der Reisenden, sondern sorgte auch dafür, dass auf den Straßen weniger los war, wie eine Studie der Technischen Universität München ergab. So fuhren 35 Prozent der Studienteilnehmer aus dem Raum München häufiger mit Bus und Bahn, drei Prozent nutzten seltener ihr eigenes Fahrzeug und 22 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten Bus und Bahn neu, obwohl sie das zuvor nicht getan hatten. Die Forscher beobachteten entsprechende Auswirkungen auf den Straßenverkehr der Landeshauptstadt: Dort habe der Fahrzeugfluss im Juni im Vergleich zum Mai um rund drei Prozent nachgelassen – obwohl er normalerweise von Mai auf Juni in etwa in dieser Größenordnung steige.
In der nächsten Folge des „HeimatChecks“geht es um die Themen Lebensqualität und Nahversorgung.