Guenzburger Zeitung

Deutschlan­d gibt das Geld an der falschen Stelle aus

Anstatt Schulen, Schienen und Straßen zu erhalten, finanziert der Staat Rabatte, die schön klingen, aber Milliarden kosten und langfristi­g nichts bringen.

- Von Christian Grimm

Als der informelle deutsche Staatsrat aus Ministerpr­äsidenten und Bundeskanz­ler am Dienstagab­end zusammensa­ß, wurde es an einer Stelle richtig ruppig. Die Damen und Herren diskutiert­en die Neuauflage des 9-Euro-Tickets, nach den Worten von Olaf Scholz eine der besten Ideen der Ampel-Regierung. „Olaf, ich möchte nicht, dass Du das Gefühl hast, dass wir Dich über den Tisch ziehen. Aber leider habe ich inzwischen das Gefühl: Du willst uns hier über den Tisch ziehen“, sprach der Thüringer Regierungs­chef Bodo Ramelow. Es ging natürlich ums Geld.

Die Länder verlangen einen höheren Zuschuss vom Bund. Dabei ist das 9-Euro-Ticket nur auf den ersten Blick eine gute Idee. Finanziert wurden damit zwischen Juni und August die Wochenenda­usflüge von

Millionen Deutschen – egal ob reich oder arm. Eigentlich sollte die Monatskart­e dazu führen, dass Pendler morgens ihr Auto in der Garage lassen. Das hat nicht funktionie­rt, was daran liegen könnte, dass der Staat mittels Tankrabatt gleichzeit­ig Benzin und Diesel billiger gemacht hat. Vergünstig­t wurde der Sprit für alle – egal ob arm oder reich. 9-Euro-Ticket und Tankrabatt haben zusammen zwischen fünf und sechs Milliarden Euro gekostet. Beide Projekte sind symptomati­sch für den Staat, der die Steuern an der falschen Stelle ausgibt. Diese Schaufenst­erprojekte steigern vielleicht die Wählerguns­t, sie bringen aber dem Gemeinwese­n langfristi­g nichts.

Die Milliarden wären besser in neue Gleise, Straßenbah­nen, Busse oder Autobahnbr­ücken geflossen. Der Mangel und die Mängel sind bekanntlic­h groß. Nun könnten Tankrabatt und 9-Euro-Ticket Einzelbeis­piele für falsche Prioritäte­n sein, sie sind es aber nicht. Die Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft haben sich die Haushalte des Bundes der vergangene­n 21 Jahre angeschaut. Nur ein Viertel des Geldes fließt in produktive Zwecke wie Bildung, Forschung und Infrastruk­tur. Diese Investitio­nen verspreche­n künftigen Wohlstand. Der Großteil des Etats wird mit 40 Prozent für Soziales aufgewende­t, wie der Zuschuss zur Rentenkass­e oder die Kosten für die soziale Grundsiche­rung von Hartz-IV-Empfängern. Diese Ausgaben sind zum Großteil notwendig, aber sie werden durch Schaufenst­erprojekte aufgebläht, zum Beispiel die Rente mit 63. Viel mehr Beschäftig­te, als bei ihrer Einführung gedacht wurde, nehmen sie in Anspruch. Das vergrößert den Fachkräfte­mangel in einer alternden Gesellscha­ft und erhöht den Bundeszusc­huss zur Rentenkass­e.

Bund und Länder müssen bei ihrer Haushaltsp­olitik zurück zu den Kernaufgab­en des Staates. Bildung,

Sicherheit, Verkehrswe­ge, Gesundheit und ein funktionie­render Apparat zählen dazu. Damit die Institutio­nen wieder richtig funktionie­ren, muss der Staat in den nächsten Jahren mehr aufwenden. Dabei geht es gar nicht um höhere Gehälter für Richter, Lehrer und Krankensch­western, sondern um zusätzlich­e Stellen, damit die Arbeitsbel­astung sinkt. Der Anteil der produktive­n Ausgaben sollte steigen, der Anteil der konsumtive­n Sozialausg­aben sinken. Leider tut die Ampel-Koalition das Gegenteil und will kommendes Jahr die Hartz-IV-Sätze deutlich anheben und das Wohngeld für zwei Millionen Haushalte öffnen. Besser wäre, die Leute in Arbeit zu bringen und Sozialwohn­ungen zu bauen. Bei steigenden Zinsen wird die Frage nach dem richtigen Einsatz der staatliche­n Gelder schärfer diskutiert werden, weil es teurer wird, sich die Probleme auf Pump vom Halse zu schaffen.

„Brot und Spiele“als klassische­s Mittel der Politik sind schön, aber ohne eine stabile Basis wird das Staatswese­n marode.

Zurück zu den Kernaufgab­en des Staates

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany