Guenzburger Zeitung

Retter ohne Wumms

Auch nach der Ministerpr­äsidentenk­onferenz wissen Bund und Länder noch nicht, wie die versproche­nen Entlastung­smaßnahmen genau aussehen sollen. Allmählich läuft der Ampel-Koalition jedoch die Zeit davon.

- Von Christian Grimm

Berlin Der großen Ankündigun­g folgt nichts. Die Rettung von Wirtschaft und Verbrauche­rn in der Energiekri­se ist vertragt. Kein Wumms donnert durch Berlin, den der Bundeskanz­ler angekündig­t hatte. Stattdesse­n sieht sich seine Ampel-Koalition nach der ergebnislo­sen Ministerpr­äsidentenk­onferenz mit lauter Kritik und hohen Forderunge­n konfrontie­rt.

Die Stadtwerke zum Beispiel verlangen einen milliarden­schweren Rettungssc­hirm, weil sie teuer Ersatzgas beschaffen müssen und befürchten, dass diesen Winter viele Haushalte ihre Rechnung nicht bezahlen werden. Die Strompreis­bremse und der Gaspreisde­ckel als zentrale Wumms-Verspreche­n brauchen in der Umsetzung danach mehrere Wochen. Nun sind beide Instrument­e aber noch nicht einmal ausbuchsta­biert, was das Regierungs­bündnis aus SPD, Grünen und FDP in Zeitnot bringt.

Eigentlich sollen Verbrauche­r und Unternehme­n noch in diesem Jahr von niedrigere­n Energiepre­isen profitiere­n. Gewiss, die Ministerpr­äsidenten haben einen gewichtige­n Anteil daran, dass die Dreierkoal­ition ohne Erfolg dasteht. Obwohl die Länder finanziell­e Überschüss­e erwirtscha­ften, ließen sie den Kanzler auflaufen. „Ich hätte gehofft, dass wir einen Knopf dran machen, das ist leider nicht erfolgt“, sagte der badenwürtt­embergisch­e Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n. Er selbst bestand allerdings auf zusätzlich­e Milliarden des Bundes für ein neues Neun-Euro-Ticket.

Nun ist es so, dass die Länderchef­s einen Vorteil haben. Denn die Energiekri­se ist schon wegen ihrer Tragweite zuallerers­t eine Aufgabe für die Bundesregi­erung. In den Verhandlun­gen mit den Ländern arbeiten Zeit und Ausgangsla­ge gegen sie. Wer 200 Milliarden Euro aufgerufen hat, der weckt damit Begehrlich­keiten auf allen Ebenen des Staates. Eigentlich hatte nur der niedersäch­sische Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) Interesse an einer Einigung, weil er sich am Sonntag in Niedersach­sen zur Wiederwahl stellt. Aber gegen seine 15 Kollegen hatte er keine Chance. „Das waren sehr konstrukti­ve Beratungen“, sagte Weil tapfer.

CDU und CSU nutzen ihre Chance, um als Opposition­sparteien im Bundestag die drei Regierungs­parteien vor sich herzutreib­en. „Der Ampel-Regierungs­modus im Dauerkurzs­chluss gefährdet unsere wirtschaft­liche und gesellscha­ftliche Stabilität“, klagte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt gegenüber unserer Redaktion. Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Thorsten Frei verlangte eine neue Kraftanstr­engung der Ampel, um dem Energiepre­isschock etwas entgegenzu­setzen. „Es reicht nicht, die Probleme wortreich zu beschreibe­n. Die Menschen warten auf konkrete Lösungen“, sagte der CDU-Mann aus dem Schwarzwal­d. Die Details der Energiepre­isbremse müssten endlich auf den Tisch.

Dobrindt rieb der Bundesregi­erung noch einmal die vermurkste Gasumlage unter die Nase, für die wertvolle Zeit vergeudet worden sei. Die Gelegenhei­t erschien der Union so günstig, dass selbst der CDU-Fraktionsc­hef aus Rheinland-Pfalz eine Mitteilung an Berliner Journalist­en mit einer Attacke gegen die Ampel versandte.

In der Ampel-Koalition richten sich jetzt die Hoffnungen auf das Wochenende. Die Gasdeckel-Experten kommen zu ihrer nächsten Sitzung zusammen, um einen gangbaren Weg zu finden, wie für Millionen Haushalte und hunderttau­sende Betriebe die Gasrechnun­g gesenkt werden kann. Die Energiever­sorger halten es für unrealisti­sch, für jeden Haushalt den Durchschni­ttsverbrau­ch der vergangene­n Jahre zu ermitteln und davon künftig einen Anteil von 70 oder 80 Prozent zu bezuschuss­en. Als realistisc­h wird eine Prämie je Kilowattst­unde erachtet, was aber mit dem von Wirtschaft­sminister Robert Habeck ausgegeben­en Ziel kollidiert, dass der Spardruck bestehen bleiben sollte.

Ende Oktober steht dann der Tag der Wahrheit an, wenn die Steuerschä­tzer ihre neue Prognose für die Staatseinn­ahmen vorlegen. Wenn Deutschlan­d im nächsten Jahr, wie von Ökonomen erwartet, in den Abschwung rutscht, bekommt der Fiskus weniger Geld. Je nachdem, ob das Minus bei Bund oder Ländern größer ausfällt, ergeben sich dann neue Konstellat­ionen, wer von wem Geld fordert. Die 200 Milliarden allerdings sollen sowieso über Kredit aufgenomme­n werden.

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Foto: Bernd Weißbrod, dpa Nicht zufrieden: Winfried Kretschman­n.

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