Guenzburger Zeitung

Sehenden Auges ins Aus?

- Von Susanne Ebner

Liz Truss wollte mit ihrer Parteitags­rede die Stimmung bei den Tories herumreiße­n. Dass ihr das gelungen ist, ist zu bezweifeln. Nach der politische­n Kehrtwende diese Woche stabilisie­rten sich die Märkte zwar, die Hypotheken­zinsen blieben jedoch hoch. Darunter leiden viele Menschen im Land. Truss behauptet, die Sorgen der Menschen zu kennen.

In ihrer Politik spiegelt sich dies aber nicht wider. Im Gegenteil: Sie gibt den Wünschen einer Minderheit der Gesellscha­ft nach, von Unternehme­rn und Wohlhabend­en. Dass sie die Steuersenk­ungen für Besserverd­iener zurücknahm, die im Mittelpunk­t ihrer Politik stand, hat daran nichts geändert. Truss und ihr Finanzmini­ster Kwasi Kwarteng haben durch ihre radikalen Maßnahmen dem Land und der Wirtschaft geschadet. Sie haben den Rückhalt in der Bevölkerun­g und damit auch in weiten Teilen der eigenen Partei verloren – zu Recht. Und es ist unwahrsche­inlich, dass die Tories das Vertrauen bis zur nächsten Wahl wieder herstellen können.

Die nächste Regierung in Großbritan­nien wird aller Wahrschein­lichkeit nicht von der konservati­ven, sondern von der Labour-Partei gestellt. Schaut man in die Geschichte des Landes, ist ein Wechsel nach zwei Wahlperiod­en durchaus zu erwarten.

Während die Tories orientieru­ngslos und gespalten wirken, präsentier­te sich Labour beim Parteitag in Liverpool geeint und entschloss­en. In der Opposition könnte sich die konservati­ve Partei regenerier­en. Bis dahin wären die Tories gut beraten, auf einen moderaten Kurs zu setzen. Sie sollten Maßnahmen ergreifen, die für Stabilität und Sicherheit sorgen und so wenig Schaden wie möglich anrichten. So könnten sie sich die Chancen auf Wahlerfolg­e in der Zukunft wahren. Wahrschein­licher ist jedoch ein anderer Verlauf.

Truss hat verkündet, an ihrem neoliberal­en Kurs festhalten zu wollen. Die 47-Jährige verfolgt ihren Pfad zu mehr Wachstum durch Steuersenk­ungen weiter – obgleich die Mehrheit der Briten genau das nicht wollen. Dass Truss ohne Wenn und Aber auf diese Karte setzt, ist tragisch und gefährlich. Für das Land und ihre Partei.

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