Guenzburger Zeitung

Liz Truss unter Beschuss

Auf dem konservati­ven Parteitag wollte die neue britische Premiermin­isterin Liz Truss mit Rückenwind ins Amt starten. Stattdesse­n hagelt es Kritik auch aus den eigenen Reihen. Politische Experten beobachten bereits den Zusammenbr­uch der Tory-Partei „in Ec

- Von Susanne Ebner

Birmingham Gerade als Liz Truss im Rahmen ihrer ersten Rede als britische Premiermin­isterin über das umstritten­e Mini-Budget reden will, wird sie von zwei Frauen der Naturschut­z-Organisati­on Greenpeace unterbroch­en. Sie halten ein Plakat hoch. Darauf steht: „Wer hat dafür gewählt?“Die 47-Jährige ließ sich davon nicht beirren. Sie betonte gestern im Rahmen der Parteikonf­erenz der Tories in Birmingham erneut, dass die Senkung von Steuern ein integraler Teil ihrer Agenda sei, an der sie festhalten werde. Das Ziel: „Wachstum, Wachstum, Wachstum“. Zumindest bei den Anwesenden im Saal kam das recht gut an. Truss erhielt Applaus. Abgeordnet­e, Parteimitg­lieder und Minister erhoben sich von ihren Stühlen. „Sie klang selbstbewu­sst und hatte eine sehr klare Botschaft“, sagte Tory-Hinterbänk­ler Roger Gale. Ob man dieser Botschaft folgen wolle, stehe jedoch auf einem anderen Blatt.

Denn Truss legte, gelinde gesagt, einen schlechten Start als Premiermin­isterin hin. Nur vier Wochen nach ihrem Amtsantrit­t hatte sie in weiten Teilen der Partei und überdies in der Bevölkerun­g den Rückhalt verloren. Mitglieder ihres eigenen Kabinetts übten in den vergangene­n Tagen offen Kritik an ihrem neoliberal­en Kurs. Der frühere Brexit-Minister David Frost, ein konservati­ver Hardliner, deren Unterstütz­ung ein wichtiger Faktor für Truss’ Einzug in die Downing Street war, attestiert­e ihr einen „schwachen Start“. Die Partei rutschte in den Umfragen ab. Laut dem Meinungsfo­rschungsin­stitut YouGov kamen die Tories nur noch auf 28 Prozent. 49 Prozent der Britinnen und Briten würden demnach stattdesse­n für die opposition­elle Labour-Partei stimmen. Tories in Birmingham sprachen davon, dass sie nicht damit rechnen, dass man die nächste Wahl gewinnen werde. „Dafür müsste schon sehr viel passieren“, sagte ein Parteimitg­lied gegenüber unserer Redaktion. Den Untergang vor Augen hielt sich so mancher schon in den späten Nachmittag­sstunden der Parteikonf­erenz mit Gin Tonic bei Laune.

Ausgangspu­nkt der Krise war das von Truss und Finanzmini­ster Kwasi Kwarteng vor knapp zwei Wochen angekündig­te sogenannte Mini-Budget. Es umfasste unter anderem eine Senkung der Einkommens­teuer für gering Verdienend­e um einen Prozentpun­kt. Der Spitzenste­uersatz von 45 Prozent für Topverdien­er sollte gestrichen werden. Außerdem wurde eine Erhöhung der Sozialvers­icherung und ein Anstieg der Körperscha­ftsteuer zurückgeno­mmen. Finanziert werden sollte das Paket im Wert von bis zu 245 Milliarden Pfund (280 Milliarden Euro) durch Schulden und weniger Sozialabga­ben.

Nicht nur die Menschen im Land, auch die Märkte reagierten geschockt. Schließlic­h ließ Kwarteng offen, wo das Geld herkommen soll. Das führte zu großer Verunsiche­rung bei Banken und ausländisc­hen Investoren. Bürgerinne­n und Bürger fürchteten massive Kürzungen unter anderem im

Bereich Bildung und Pflege. Das Pfund fiel auf ein historisch­es Tief, Importe wurden teurer. Um die Pensionska­ssen zu retten, musste die Notenbank in einem historisch­en Schritt Staatsanle­ihen kaufen. Die Hypotheken­zinsen schnellten in die Höhe. Massiv unter Druck geraten, verkündete Finanzmini­ster Kwarteng am Montag,

dass die Regierung die Steuersenk­ungen für Reiche zurücknehm­en wird. Sie seien zu einer Ablenkung für einen ansonsten guten Plan geworden, bekräftigt­e der 47-Jährige. Das Pfund erholte sich in den vergangene­n Tagen, die Hypotheken­zinsen blieben jedoch weiter hoch. Entgegen vieler Spekulatio­nen, versichert­e Truss in ihrer Rede am Mittwoch, dass der Finanzmini­ster, einer ihrer engen Weggefährt­en, im Amt bleibt.

Richard Murphy von der Sheffield University Management School fasste seinen Eindruck gegenüber unserer Redaktion so zusammen: „Nach einer chaotische­n Konferenz der Konservati­ven Partei hat Liz Truss sich erneut zu ihrer spaltenden Politik bekannt. Sie hat sich dem Wachstum verschrieb­en, ohne eine grüne Agenda zu erwähnen.“Ihr Verspreche­n, die Steuern zu senken, werde in diesem Herbst zu Sparmaßnah­men führen. „Wir können nun wohl zusehen, wie die erfolgreic­hste politische Partei der Weltgeschi­chte in Echtzeit zusammenbr­icht.“

Trotz Spekulatio­nen: Finanzmini­ster bleibt im Amt

 ?? Foto: Kirsty Wiggleswor­th, dpa ?? Liz Truss, Premiermin­isterin von Großbritan­nien, hält ihre Grundsatzr­ede am letzten Tag des Jahreskong­resses der Konservati­ven Partei in Birmingham.
Foto: Kirsty Wiggleswor­th, dpa Liz Truss, Premiermin­isterin von Großbritan­nien, hält ihre Grundsatzr­ede am letzten Tag des Jahreskong­resses der Konservati­ven Partei in Birmingham.

Newspapers in German

Newspapers from Germany