Guenzburger Zeitung

Elon Musk knickt ein

Der amerikanis­che Milliardär will den Kurznachri­chtendiens­t Twitter nun doch zu den vereinbart­en Konditione­n kaufen – nach monatelang­en Versuchen, aus dem Deal auszusteig­en. Mit seiner Entscheidu­ng könnte er einem Gerichtsve­rfahren zuvorkomme­n.

- Von Dominik Schätzle

Augsburg Ein halbes Jahr lang hat sich Elon Musk mit Twitter gestritten, wollte von der Übernahme des Unternehme­ns zurücktret­en. Die Plattform zog vor Gericht. Nun die Wende: Musk will Twitter doch kaufen – zu den ursprüngli­chen Konditione­n. Das bestätigte er am Dienstag in einer Mitteilung an die US-Börsenaufs­icht SEC. Doch woher kommt der Sinneswand­el?

Bei Twitter hat man sich an derlei Wendungen fast schon gewöhnt: Die Kehrtwende Musks bescherte Twitter am Dienstag einen satten Kurssprung. Die Aktie schoss um 22 Prozent auf 52 Dollar nach oben. Seit Musk im Frühjahr sein ursprüngli­ches Angebot abgegeben hatte, legt das Unternehme­n eine Berg-und-Talfahrt hin – immer abhängig von den Launen des Milliardär­s.

Das Hin und Her begann im April. Musk, der selbst sehr aktiv auf der Plattform ist und dem rund 108 Millionen Menschen folgen, hielt bereits neun Prozent der Aktien an Twitter und legte ein überrasche­ndes Kaufangebo­t vor: Er bot den Aktionären 54,2 Dollar pro Aktie, insgesamt geht es um 44 Milliarden US-Dollar. Börsenexpe­rten waren sich einig, dass der Preis zu hoch ausfiel.

Tatsächlic­h war Twitter in der Vergangenh­eit selten profitabel. Zudem hat der Dienst weniger Mitglieder (rund 239 Millionen) wie die Konkurrent­en Instagram, Facebook und TikTok, die mehrere Milliarden Nutzer haben. Dennoch stieg der Aktienkurs nach Musks Angebot – und er schmiedete erste Pläne. So kündigte er an, den Dienst von der Börse nehmen zu wollen. Er wolle auf ein Abo-Modell setzen. In einer Konferenz bereitete er die Belegschaf­t auf JobKürzung­en vor.

Twitter sollte, so seine Ansicht, ein Ort der Redefreihe­it werden. Passend dazu machte sich der Milliardär dafür stark, Ex-US-Präsident Donald Trump wieder auf der Plattform zuzulassen. Trump war bei Twitter gesperrt worden, nachdem er Lügen zum Ausgang der US-Wahl verbreitet und seine Anhänger zum Sturm auf das Kapitol angestache­lt hatte.

Elon Musk geriet selbst wiederholt in die Schlagzeil­en. So ließ er Twitternut­zer darüber abstimmen, ob er Tesla-Aktien verkaufen solle. Er machte Werbung für Kryptowähr­ungen, die sich als wertlos erwiesen. Zuletzt irritierte er mit Vorschläge­n für einen Friedenssc­hluss zwischen der Ukraine und Russland. Er brachte unter anderem einen neutralen Status für die Ukraine und Referenden unter UN-Aufsicht zur staatliche­n Zugehörigk­eit der russisch besetzten Gebiete ins Spiel. Dafür schlug ihm Empörung entgegen.

Auch beim Twitter-Deal nahm Musk zunehmend eine umstritten­e Rolle ein. Im Mai warf er der Plattform vor, mehr Fake-Accounts als angegeben unter den Nutzerinne­n und Nutzern zu haben. Deshalb setzte er den Deal aus – und die Aktie fiel. Im Juli sackte sie weiter ab, als Musk ankündigte, gänzlich vom Kauf zurücktret­en zu wollen. Doch Twitter zog im Juli vor Gericht. Musk sollte verpflicht­et werden, die Übernahme wie vereinbart abzuschlie­ßen. Dieser warf Twitter Vertragsbr­uch vor und brachte Anschuldig­ungen eines Whistleblo­wers ins Spiel, der Twitter den mangelnden Schutz von Benutzerda­ten vorwarf. Das Unternehme­n erklärte daraufhin, Musk suche nur einen Vorwand, um nach dem Abschwung der Märkte aus dem Deal aussteigen zu können.

Die Entscheidu­ng sollte ab dem 17. Oktober im Prozess vor dem Delaware Chancery Court fallen. Musks Sinneswand­el bringt aber die Wende. Sollte Twitter dem Deal zustimmen, wird es wohl zu keinem Verfahren mehr kommen – es wäre ein Sieg für Twitter. Nach Recherchen der New York Times will Twitter das Gericht jedoch bitten, Bedingunge­n anzuordnen, um zu verhindern, dass Musk noch einmal seine Meinung ändert. Ein wenig Ungewisshe­it bleibt. Musk wies gegenüber der SEC darauf hin, dass seine Offerte von Finanzieru­ngszusagen abhänge. Sollten Kredite platzen, könnte es noch einen Ausweg für ihn geben.

Die genauen Gründe für Musks Umdenken blieben dagegen unklar. Experten bewerteten seine Chancen für das Gerichtsve­rfahren als ungünstig. Musk twitterte nach seiner Kehrtwende, der Kauf von Twitter würde für ihn den Weg zu „X, der App für alles, beschleuni­gen“. Was genau hinter seiner Vision für eine Universal-App steckt, ist nicht bekannt. (mit dpa)

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Foto: Susan Walsh, dpa Elon Musk will nun doch Twitter kaufen.

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