„Baukosten sind um 22 Prozent gestiegen“
Reinhard Klein ist Chef der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Er sieht mit großer Sorge, dass sich heute immer weniger Menschen ein Haus leisten können. Für ihn ist das sozialer Sprengstoff.
Herr Klein, Baugeld wird immer teurer. Und die Immobilienpreise bleiben in guten Lagen sehr hoch. Können viele Menschen ihren Traum vom Häusle-Bauen nicht mehr verwirklichen?
Reinhard Klein: Zum einen gibt es zu wenige Wohnungen und Häuser auf dem Markt und es wird weiterhin zu wenig gebaut, um das Angebot zu erhöhen. Zum anderen sind durch die hohe Nachfrage die Preise in den letzten Jahren stark gestiegen. Die hohen Preise wurden in der Vergangenheit durch die extrem niedrigen Kreditzinsen teilweise ausgeglichen. Der starke Zinsanstieg in den letzten Monaten hat aber dazu geführt, dass dieser Effekt wegfällt und sich immer weniger Menschen den Kauf einer Immobilie leisten können.
Doch Bauministerin Klara Geywitz verspricht weiterhin 400.000 neue Wohnungen pro Jahr.
Klein: Das Risiko ist hoch, dass das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr nicht mal ansatzweise erreicht wird. Das wäre aber schlecht für Deutschland. Wir brauchen dringend mehr Wohnraum. Selbst Menschen, die sich den Kauf einer Immobilie noch leisten können, halten sich angesichts der drohenden Rezession, der hohen Inflation und des Kriegs in der Ukraine zurück. Sie warten erst einmal ab, was in der Ukraine und Europa weiter passiert, ehe sie sich hoch verschulden.
Wie kommen wir raus aus diesem deutschen Immobilien-Dilemma?
Klein: Zum Glück gibt es auch positive Entwicklungen: Wir beobachten, dass die Immobilienpreise aktuell zumindest nicht weiter steigen. Bei Immobilien in nicht stark nachgefragten Lagen oder in einem energetisch schlechten Zustand sehe ich, wie auch für TopLuxus-Objekte, sogar leicht rückläufige Preise. Das reicht aber nicht, um das derzeitige Immobilien-Dilemma zu überwinden. Hier ist die zusätzliche Unterstützung der Bundesregierung gefragt.
Was muss die Politik nun tun?
Klein: Die Bundesregierung muss ihr Vorhaben, die Nebenkosten für den Kauf von Immobilien zu senken, umsetzen. Diese Nebenkosten wie Notar, Maklerprovision und Grunderwerbsteuer sind ein großer Brocken beim Immobilien-Erwerb. Sie machen zehn bis zwölf Prozent der gesamten Kosten aus. Hier brauchen wir wie in anderen Ländern Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, beispielsweise für den erstmaligen Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum.
Was ist noch zu tun, um den Wohnungs
und Hausbau in Deutschland anzukurbeln?
Klein: Unsere Bauvorschriften sind viel zu kompliziert. Das Regelwerk muss dringend entschlackt werden. Denn die jetzige Regulierungswut treibt die Baukosten massiv nach oben. Auch mit standardisierten Bauweisen, also dem seriellen Bauen mit gleichen Baugruppen, könnten Kosten deutlich gesenkt werden. Dann gibt es noch einen Punkt, der ist aber für viele unangenehm.
Was ist das für ein sensibler Punkt?
Klein: Wir müssen diskutieren, ob jeder, der ein Haus baut, unbedingt 200 Quadratmeter und mehr Wohnfläche braucht. Heute gibt es
schon klug geschnittene Grundrisse, die es jedem ermöglichen, auch auf weniger Quadratmetern gut zu leben. Natürlich sind wir verwöhnt, aber wir müssen lernen, solch dicke Bretter zu bohren.
An welche dicken Bretter denken Sie noch?
Klein: Ich denke etwa an das Modell „Jung kauft alt“. Hier ziehen ältere Menschen aus ihrem Haus aus, nachdem die Kinder gegangen sind und verkleinern sich deutlich. So ermöglichen sie es jungen Familien, ihre großen Häuser zu kaufen oder zu mieten. Solche Modelle werden schon von einzelnen Gemeinden gefördert. Wir müssen dringend etwas tun. Denn derzeit werden bestimmte Bevölkerungsgruppen vom Immobilien-Kauf ausgeschlossen.
Was sich zu einem sozialen Sprengstoff entwickelt.
Klein: Es ist für ein Land wie Deutschland massiver sozialer Sprengstoff, wenn sich etwa eine Facharbeiter-Familie den Bau eines Hauses nicht mehr leisten kann, sofern sie nicht zuvor geerbt hat. Eine Erbschaft ist heute oft unabdingbar, um das nötige Eigenkapital für den Immobilien-Erwerb aufzubauen. Dabei zählt Deutschland im europäischen Vergleich heute schon zu den Ländern mit der geringsten Quote an Immobilien-Eigentum. In Staaten wie Italien und Spanien liegen die Quoten deutlich höher. In den Ländern ist es selbstverständlich, dass junge Familien Eigentum erwerben können. In Deutschland ist das leider anders. Nehmen wir an, eine Familie will in Augsburg ein Häuschen für 600.000 Euro kaufen.
Was ein happiger Betrag ist.
Klein: Auch weil man zur Finanzierung 20 Prozent Eigenkapital, also 120.000 Euro braucht. Welche 35-Jährige oder welcher 35-Jährige hat denn 120.000 Euro auf der hohen Kante? Dann kommen noch die hohen Kaufnebenkosten dazu.
Trotz aller Eigenheim-Hürden schließen immer mehr Menschen Bausparverträge ab.
Klein: Ja, und seit die Zinsen in diesem Jahr steigen, zieht das Bauspargeschäft massiv an, während es in der langen Phase der Nullund Negativzinsen rückläufig war. Nun wollen die Menschen sich über Bausparverträge nach der Ansparphase günstige Darlehenszinsen für die Zukunft sichern, mit einem Effektivzins von 1,4 bis knapp drei Prozent. Bausparen dient außerdem dem rechtzeitigen Aufbau von Eigenkapital, auch mithilfe staatlicher Förderungen. Bausparen boomt wieder. Ich gehe davon aus, dass in Deutschland in diesem Jahr in der Summe Verträge über 100 Milliarden Euro abgeschlossen werden, während es in den letzten Jahren immerhin auch 70 bis 80 Milliarden Euro waren. Bausparen war und ist sexy.
Doch Bausparkassen wie Schwäbisch Hall wollten in der Nullzinsphase langjährige Kundinnen und Kunden zum Teil nicht mehr haben. Altverträge wurden gekündigt. Das sorgte für böses Blut. War das notwendig?
Klein: Wichtig ist mir an der Stelle: Die Kündigung dieser Verträge erfolgte in einem zulässigen rechtlichen Rahmen, etwa wenn die Regel-Besparung trotz Nachforderung nicht erfüllt wurde oder die
Verträge schon lange zuteilungsreif waren. Die Lage hat sich inzwischen aber deutlich beruhigt.
Die Kündigungen kamen aber trotzdem nicht gut an.
Klein: Es ist klar, dass man sich damit auf Kundenseite keinen Gefallen tut. Aber wir sind dazu verpflichtet, die Bauspargemeinschaft zu schützen und zu stärken und die Balance zwischen Sparern und Darlehensnehmern zu bewahren. Die Hochphase dieser Kündigungen ist auf alle Fälle vorbei.
Immobilien könnten jetzt noch teurer werden, schließlich soll der Gebäudebestand in Deutschland bis 2045 nahezu klimaneutral sein. Dafür müssen Unsummen aufgewandt werden.
„Hochphase der Kündigungen ist vorbei“
Klein: Schon zuletzt sind die Baukosten von Sommer letzten Jahres bis jetzt um 22 Prozent gestiegen, also weit über die Inflationsrate hinaus. Und die ehrgeizigen, aber notwendigen Klimaziele verteuern das Bauen noch einmal. Nach unseren Berechnungen könnte der Bau eines Hauses nach dem neuesten Energieeffizienz-Standard um rund 300 Euro pro Quadratmeter teurer werden.
Dann können sich noch weniger Menschen ein Häuschen leisten.
Klein: Das ist richtig. Statt die Anforderungen an Neubauten noch höherzuschrauben, wäre es mit Blick auf die Klimaziele klug, zunächst den Bestand an Immobilien energetisch zu sanieren. Der Klimaschutz wird in der Sanierung des Immobilien-Bestandes entschieden. Die Gebäude in Deutschland stoßen pro Jahr 120 Millionen Tonnen CO²2 aus. Was unvorstellbar klingt: Bis 2030 soll der Wert nach den Plänen der Bundesregierung auf 67 Millionen Tonnen CO²2 sinken. Ein großer Hebel liegt bei den Gebäuden mit den schlechtesten Energie-Effizienzklassen G und H, die ein Drittel der Gebäude in Deutschland ausmachen. Hier müssen wir ansetzen.