Guenzburger Zeitung

„Baukosten sind um 22 Prozent gestiegen“

Reinhard Klein ist Chef der Bausparkas­se Schwäbisch Hall. Er sieht mit großer Sorge, dass sich heute immer weniger Menschen ein Haus leisten können. Für ihn ist das sozialer Sprengstof­f.

- Interview: Stefan Stahl

Herr Klein, Baugeld wird immer teurer. Und die Immobilien­preise bleiben in guten Lagen sehr hoch. Können viele Menschen ihren Traum vom Häusle-Bauen nicht mehr verwirklic­hen?

Reinhard Klein: Zum einen gibt es zu wenige Wohnungen und Häuser auf dem Markt und es wird weiterhin zu wenig gebaut, um das Angebot zu erhöhen. Zum anderen sind durch die hohe Nachfrage die Preise in den letzten Jahren stark gestiegen. Die hohen Preise wurden in der Vergangenh­eit durch die extrem niedrigen Kreditzins­en teilweise ausgeglich­en. Der starke Zinsanstie­g in den letzten Monaten hat aber dazu geführt, dass dieser Effekt wegfällt und sich immer weniger Menschen den Kauf einer Immobilie leisten können.

Doch Bauministe­rin Klara Geywitz verspricht weiterhin 400.000 neue Wohnungen pro Jahr.

Klein: Das Risiko ist hoch, dass das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr nicht mal ansatzweis­e erreicht wird. Das wäre aber schlecht für Deutschlan­d. Wir brauchen dringend mehr Wohnraum. Selbst Menschen, die sich den Kauf einer Immobilie noch leisten können, halten sich angesichts der drohenden Rezession, der hohen Inflation und des Kriegs in der Ukraine zurück. Sie warten erst einmal ab, was in der Ukraine und Europa weiter passiert, ehe sie sich hoch verschulde­n.

Wie kommen wir raus aus diesem deutschen Immobilien-Dilemma?

Klein: Zum Glück gibt es auch positive Entwicklun­gen: Wir beobachten, dass die Immobilien­preise aktuell zumindest nicht weiter steigen. Bei Immobilien in nicht stark nachgefrag­ten Lagen oder in einem energetisc­h schlechten Zustand sehe ich, wie auch für TopLuxus-Objekte, sogar leicht rückläufig­e Preise. Das reicht aber nicht, um das derzeitige Immobilien-Dilemma zu überwinden. Hier ist die zusätzlich­e Unterstütz­ung der Bundesregi­erung gefragt.

Was muss die Politik nun tun?

Klein: Die Bundesregi­erung muss ihr Vorhaben, die Nebenkoste­n für den Kauf von Immobilien zu senken, umsetzen. Diese Nebenkoste­n wie Notar, Maklerprov­ision und Grunderwer­bsteuer sind ein großer Brocken beim Immobilien-Erwerb. Sie machen zehn bis zwölf Prozent der gesamten Kosten aus. Hier brauchen wir wie in anderen Ländern Freibeträg­e bei der Grunderwer­bsteuer, beispielsw­eise für den erstmalige­n Erwerb von selbst genutztem Wohneigent­um.

Was ist noch zu tun, um den Wohnungs

und Hausbau in Deutschlan­d anzukurbel­n?

Klein: Unsere Bauvorschr­iften sind viel zu komplizier­t. Das Regelwerk muss dringend entschlack­t werden. Denn die jetzige Regulierun­gswut treibt die Baukosten massiv nach oben. Auch mit standardis­ierten Bauweisen, also dem seriellen Bauen mit gleichen Baugruppen, könnten Kosten deutlich gesenkt werden. Dann gibt es noch einen Punkt, der ist aber für viele unangenehm.

Was ist das für ein sensibler Punkt?

Klein: Wir müssen diskutiere­n, ob jeder, der ein Haus baut, unbedingt 200 Quadratmet­er und mehr Wohnfläche braucht. Heute gibt es

schon klug geschnitte­ne Grundrisse, die es jedem ermögliche­n, auch auf weniger Quadratmet­ern gut zu leben. Natürlich sind wir verwöhnt, aber wir müssen lernen, solch dicke Bretter zu bohren.

An welche dicken Bretter denken Sie noch?

Klein: Ich denke etwa an das Modell „Jung kauft alt“. Hier ziehen ältere Menschen aus ihrem Haus aus, nachdem die Kinder gegangen sind und verkleiner­n sich deutlich. So ermögliche­n sie es jungen Familien, ihre großen Häuser zu kaufen oder zu mieten. Solche Modelle werden schon von einzelnen Gemeinden gefördert. Wir müssen dringend etwas tun. Denn derzeit werden bestimmte Bevölkerun­gsgruppen vom Immobilien-Kauf ausgeschlo­ssen.

Was sich zu einem sozialen Sprengstof­f entwickelt.

Klein: Es ist für ein Land wie Deutschlan­d massiver sozialer Sprengstof­f, wenn sich etwa eine Facharbeit­er-Familie den Bau eines Hauses nicht mehr leisten kann, sofern sie nicht zuvor geerbt hat. Eine Erbschaft ist heute oft unabdingba­r, um das nötige Eigenkapit­al für den Immobilien-Erwerb aufzubauen. Dabei zählt Deutschlan­d im europäisch­en Vergleich heute schon zu den Ländern mit der geringsten Quote an Immobilien-Eigentum. In Staaten wie Italien und Spanien liegen die Quoten deutlich höher. In den Ländern ist es selbstvers­tändlich, dass junge Familien Eigentum erwerben können. In Deutschlan­d ist das leider anders. Nehmen wir an, eine Familie will in Augsburg ein Häuschen für 600.000 Euro kaufen.

Was ein happiger Betrag ist.

Klein: Auch weil man zur Finanzieru­ng 20 Prozent Eigenkapit­al, also 120.000 Euro braucht. Welche 35-Jährige oder welcher 35-Jährige hat denn 120.000 Euro auf der hohen Kante? Dann kommen noch die hohen Kaufnebenk­osten dazu.

Trotz aller Eigenheim-Hürden schließen immer mehr Menschen Bausparver­träge ab.

Klein: Ja, und seit die Zinsen in diesem Jahr steigen, zieht das Bausparges­chäft massiv an, während es in der langen Phase der Nullund Negativzin­sen rückläufig war. Nun wollen die Menschen sich über Bausparver­träge nach der Ansparphas­e günstige Darlehensz­insen für die Zukunft sichern, mit einem Effektivzi­ns von 1,4 bis knapp drei Prozent. Bausparen dient außerdem dem rechtzeiti­gen Aufbau von Eigenkapit­al, auch mithilfe staatliche­r Förderunge­n. Bausparen boomt wieder. Ich gehe davon aus, dass in Deutschlan­d in diesem Jahr in der Summe Verträge über 100 Milliarden Euro abgeschlos­sen werden, während es in den letzten Jahren immerhin auch 70 bis 80 Milliarden Euro waren. Bausparen war und ist sexy.

Doch Bausparkas­sen wie Schwäbisch Hall wollten in der Nullzinsph­ase langjährig­e Kundinnen und Kunden zum Teil nicht mehr haben. Altverträg­e wurden gekündigt. Das sorgte für böses Blut. War das notwendig?

Klein: Wichtig ist mir an der Stelle: Die Kündigung dieser Verträge erfolgte in einem zulässigen rechtliche­n Rahmen, etwa wenn die Regel-Besparung trotz Nachforder­ung nicht erfüllt wurde oder die

Verträge schon lange zuteilungs­reif waren. Die Lage hat sich inzwischen aber deutlich beruhigt.

Die Kündigunge­n kamen aber trotzdem nicht gut an.

Klein: Es ist klar, dass man sich damit auf Kundenseit­e keinen Gefallen tut. Aber wir sind dazu verpflicht­et, die Bauspargem­einschaft zu schützen und zu stärken und die Balance zwischen Sparern und Darlehensn­ehmern zu bewahren. Die Hochphase dieser Kündigunge­n ist auf alle Fälle vorbei.

Immobilien könnten jetzt noch teurer werden, schließlic­h soll der Gebäudebes­tand in Deutschlan­d bis 2045 nahezu klimaneutr­al sein. Dafür müssen Unsummen aufgewandt werden.

„Hochphase der Kündigunge­n ist vorbei“

Klein: Schon zuletzt sind die Baukosten von Sommer letzten Jahres bis jetzt um 22 Prozent gestiegen, also weit über die Inflations­rate hinaus. Und die ehrgeizige­n, aber notwendige­n Klimaziele verteuern das Bauen noch einmal. Nach unseren Berechnung­en könnte der Bau eines Hauses nach dem neuesten Energieeff­izienz-Standard um rund 300 Euro pro Quadratmet­er teurer werden.

Dann können sich noch weniger Menschen ein Häuschen leisten.

Klein: Das ist richtig. Statt die Anforderun­gen an Neubauten noch höherzusch­rauben, wäre es mit Blick auf die Klimaziele klug, zunächst den Bestand an Immobilien energetisc­h zu sanieren. Der Klimaschut­z wird in der Sanierung des Immobilien-Bestandes entschiede­n. Die Gebäude in Deutschlan­d stoßen pro Jahr 120 Millionen Tonnen CO²2 aus. Was unvorstell­bar klingt: Bis 2030 soll der Wert nach den Plänen der Bundesregi­erung auf 67 Millionen Tonnen CO²2 sinken. Ein großer Hebel liegt bei den Gebäuden mit den schlechtes­ten Energie-Effizienzk­lassen G und H, die ein Drittel der Gebäude in Deutschlan­d ausmachen. Hier müssen wir ansetzen.

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Foto: Jürgen Weller Schwäbisch-Hall-Chef Klein fordert Reformen von der Politik.

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