Deutscher in Südafrika ermordet
Auf dem Weg zum Kruger-Nationalpark wurde der Urlauber erschossen. Nun will man alles tun, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Doch das Land hat ein Problem.
Kapstadt Als die drei Männer mit Schusswaffen auf seinen Mietwagen zuliefen, verriegelte der deutsche Urlauber Jörg S. die Türen und gab Gas. Doch einer der Angreifer schoss, und traf ihn im Oberkörper. Die drei Männer ließen den Verwundeten, dessen offenbar unverletzte Frau und ein ebenfalls unversehrtes befreundetes Paar zurück. Ohne Beute flüchteten sie – und Jörg S., der nach Informationen des Hessischen Rundfunks aus Osthessen stammt, starb am Montag noch am Tatort in der Nähe des weltberühmten KrugerNationalparks. Er wurde laut Polizeiangaben 75 Jahre alt.
Südafrika hat eine der höchsten Mordraten der Welt. Sie ist zwar nicht mehr so hoch wie in den 90ern, aber in den vergangenen Jahren gestiegen. Für das erste Quartal 2022 meldeten die Behörden einen deutlichen Anstieg um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als noch einige Corona-Restriktionen galten. Jeden
Tag werden in Südafrika statistisch betrachtet 68 Menschen getötet und die große Mehrheit der Morde ereignet sich außerhalb der Gegenden, die bei Besucherinnen und Besuchern des Landes populär sind. Das betonen südafrikanische Tourismus-Lobbyisten regelmäßig und durchaus zu Recht. Zuletzt war im März 2020 ein deutscher Tourist ermordet worden.
Für die Tourismusbranche ist ein solcher Fall ein enormes Problem. Sie stellt fünf Prozent der Arbeitsplätze; 76.000 Menschen aus Deutschland reisten dieses Jahr bereits nach Südafrika. Nur aus den USA und Großbritannien kamen mehr Menschen. Der Schutz von Touristen sei „immens wichtig“, betonte nun die Vermarktungsagentur für Tourismus in Südafrika. Man werde „damit fortfahren“, auf die Polizei entsprechend einzuwirken.
Auf der Straße „R538“, auf der viele Touristen den Nationalpark erreichen und auf der der 75-Jährige getötet wurde, hatte es bereits mehrere Zwischenfälle gegeben. „Ich fordere die Strafverfolgungsbehörden
auf, alles zu tun, um die Täter dieses abscheulichen Verbrechens zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte Tourismus-Ministerin Lindiwe Sisulu. Doch Experten bezweifeln, dass die Behörden dazu überhaupt in der Lage sind.
Der Hauptgrund für die ansteigende Mordrate sei das erstarkende organisierte Verbrechen, erklärte Gareth Newham von der südafrikanischen Denkfabrik Institute for Security Studies unserer Redaktion. „Sie wenden verstärkt Gewalt an, bei Konflikten mit anderen Gruppierungen und auch Raubüberfällen wie diesem.“So habe es in vielen Provinzen einen erheblichen Anstieg von „Hijackings“gegeben, wie der gewaltsame Raub von Autos in Südafrika genannt wird.
Newham erkennt einen Zusammenhang mit der systematischen Korruption während der Präsidentschaft des im Jahr 2018 zurückgetretenen Jacob Zuma. „Er hat fast zehn Jahre lang aktiv daran gearbeitet, die Polizei zu untergraben, um massive Korruption zu ermöglichen.“Das habe die Kapazitäten
der Strafverfolgungsbehörden zerstört. Es sei bislang nicht gelungen, diesen Schaden zu beheben, so Newham.
Die Ermordung des deutschen Urlaubers geschah zu Beginn der Hauptsaison in Südafrika. Sie ist angesichts von Rekordarbeitslosigkeit und schwächelnder Wirtschaft von großer Bedeutung für das Land. Man hofft angesichts der in Südafrika vollständig aufgehobenen Corona-Restriktionen auf eine zumindest annähernde Rückkehr zu den Besucherzahlen von vor der Pandemie.
Doch die Tourismusbranche hat neben der Kriminalität auch mit anderen Problemen zu kämpfen. Mehrere lokale Fluglinien sind pleite, entsprechend knapp und teuer sind Inlandsflüge. Hinzu kommt die anhaltende Krise des maroden staatlichen Stromversorgers Eskom, die dazu führt, dass derzeit täglich zwischen fünf und acht Stunden der Strom abgestellt wird. Und auch die massiven Unruhen in Durban und Johannesburg im Juli 2021 haben dem Ruf Südafrikas zugesetzt.