Die Hurlers backen (wieder) traditionell
Jörg Hurler hat Fertigmischungen aus seiner Backstube verbannt. Ein Blick in die Backstube verrät, wie der Familienbetrieb das Handwerk wiederbelebte. Folge 5
In unserer Serie stellen wir verschiedene Handwerksberufe vor. In einer Audio-Slideshow kommen die Protagonisten selbst zu Wort und erzählen, was das Handwerk für sie und die Gesellschaft bedeutet.
Um 1.30 Uhr geht am Morgen in der Backstube der Bäckerei Hurler das Licht an. Jeden Tag werden zuerst die Teige aufgearbeitet, erklärt Bäckermeisterin Anna Hurler. Heute ist sie selbst seit drei Uhr dabei, stellte mit der ersten Schicht des Tages bereits neue Teige her und bereitete weitere vor. Jeder wisse, welcher Schritt welchem folgen muss, damit am Ende alles pünktlich fertig ist und in einem Fluss über die vielzähligen Arbeitsflächen geht. Der Trubel in der Backstube geht auch noch nach ihrer ersten Pause weiter, doch er hat System, jeder Handgriff, egal ob Kneten, Wiegen oder Käse-Streuen sitzt. So ginge es hier immer zu. Für die 23-Jährige war schnell klar: Das ist meine Zukunft.
Ihr Vater Jörg Hurler leitet den Familienbetrieb in der dritten Generation. Seit seiner Übernahme hat er Fertigmischungen aus seiner Backstube verbannt. Damit ging es für die Bäckerinnen und Bäcker in Leinheim zurück zur alten Tradition des Handwerks. Auf die ein oder andere Maschine wolle man natürlich auch bei den Hurlers nicht verzichten. Doch der Grundsatz des Handwerks ist für den 53-Jährigen bereits in dessen Namen begründet: „Wir brauchen vor allem unsere Hände. Wir müssen den Teig spüren, wir arbeiten mit unseren Sinnesorganen. Das kann keine Maschine.“
Immer wieder piept der Backofen.
Routiniert holt Tochter Anna die frischen Brezen heraus, Vater Jörg schiebt kurzerhand ein neues Blech hinein. Dann geht er zurück zum Hefeteig, den er nun mit einem Kollegen in Form kleiner Schaukelpferde aussticht. In der Backstube gibt es keine To-do-Liste, den Zeitplan habe jeder im Kopf. Kurze Zeit später piept es wieder. Man hört es manchmal kaum, zwischen den Gesprächen, dem Radio und der Walzmaschine. Wieder kommen goldbraune Brezen aus dem Backofen. Diesmal stellt eine Angestellte Pizza-ähnliche Fladen nach. Stressig wird es hier laut Jörg Hurler selten. „Man wächst mit seinen Aufgaben“, sagt der Bäckermeister. Durch die Routinen und durchgehende Kommunikation kommt trotz der vielen parallel laufenden Aufgaben keine Unruhe auf.
Auch Tochter Anna Hurler ist von ihrer Berufswahl überzeugt: „Ich bin mir sicher, dass das Handwerk immer Zukunft hat. Wir stellen Grundnahrungsmittel her. Man braucht uns, und man braucht andere Handwerksberufe.“Sie entschloss sich 2016 zur Bäckerlehre, nachdem sich Bürojobs als „definitiv nicht das Richtige“herausstellten. Die nächtlichen Arbeitszeiten hätten sie nicht abgeschreckt. „Das Ruhige in der Nacht hat etwas sehr Angenehmes“, sagt die 23-Jährige. Auch ihr Vater erinnert sich an keinen Bäcker, der je wegen der Arbeitszeiten jammerte. „Es ist einfach der Wahnsinn, den Sonnenaufgang zu sehen“, schwärmt er. Und: „Es hat auch sein Gutes, den Nachmittag freizuhaben!“
Bis dahin gibt es aber immer einiges zu tun. Trotz aller Routine ist bei den Hurlers kein Tag wie der andere. „Schema F gibt es bei uns nicht“, erklärt Jörg Hurler. Das Team tüftele oft an neuen Rezepten. Etwa die Kombination von
Röstzwiebeln, Bier und Käse in einem Gebäck mögen sich für den ein oder anderen zunächst nicht direkt nach einem Verkaufsschlager anhören. Doch die Biergartenstange hat im Sommer mittlerweile einen festen Platz neben klassischem Laugengebäck und den süßen Stückchen.
Angst vor der Konkurrenz von Back-Shops und Bäckerei-Ketten haben die Hurlers nicht. „Jeder schneidet sich ein Stück vom Kuchen ab“, sagt Jörg Hurler entspannt. Wer etwas Vernünftiges wolle, komme dennoch zum Handwerksbäcker. „Das ist in erster Linie Tradition.“Und es lohne sich immer, diese zu wahren.
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