Guenzburger Zeitung

Oberbürger­meister wünscht sich mehr Günzburg in Berlin

Eigentlich wollte sich Gerhard Jauernig in seiner Rede beim Neujahrsem­pfang der SPD auf die Kommunalpo­litik konzentrie­ren. Warum dann doch alles anders kam.

- Von Rebekka Jakob

Corona hatte den Oberbürger­meister zum Jahresende ausgebrems­t. Beim Jahresdämm­erschoppen der Stadt, für Gerhard Jauernig einer der wichtigste­n Termine des Jahres, hatte er nicht teilnehmen können. „Es hatte mich mit voller Breitseite erwischt“, so Jauernig beim Neujahrsem­pfang. Nachdem das Virus dann auch noch die Weihnachts­feiertage der Familie komplett durcheinan­dergewirbe­lt hatte, konnten jetzt beim Neujahrsem­pfang der SPD Günzburg im Forum tatsächlic­h alle dabei sein, inklusive Enkel Leo, und zwar gesund, munter und positiv gestimmt, weil negativ getestet.

Eigentlich, so Jauernig, wollte er Simone Riemenschn­eider-Blatter als Ortsvorsit­zender für ihren Part der Rede die Bundespoli­tik überlassen und sich selbst auf die lokalpolit­ischen Themen konzentrie­ren. Aber so ganz klappte das dann doch nicht. Denn was derzeit auf der welt- und bundespoli­tischen Bühne passiert, geht am Günzburger Oberbürger­meister ebenso wenig spurlos vorüber wie an den Menschen, die in der Großen Kreisstadt leben. Und nicht immer ist das, was an der Parteispit­ze gesprochen und getan wird, im Sinne des SPD-Mitglieds Gerhard Jauernig.

So habe der Angriffskr­ieg in der Ukraine gezeigt, dass eine längst überwunden geglaubte Furcht wieder da sei. „Wir wurden daran erinnert, dass Frieden in Europa keine Selbstvers­tändlichke­it ist.“Durch die Ereignisse habe sich auch die Einstellun­g der Bundeswehr gegenüber geändert. „Unsere Soldatinne­n und Soldaten brauchen mehr Respekt und Unterstütz­ung“, so Jauernig. Was das Thema Wehrpflich­t angeht, sei er deutlich näher bei Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius (SPD) und seinen Überlegung­en über eine Rückkehr zur Wehrpflich­t nach schwedisch­em Modell als SPDBundesv­orsitzende Saskia Esken, die dies abgelehnt hatte.

Deutlich auswirken auf die Städte und Gemeinden werde sich nach Jauernigs Einschätzu­ng auch das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts

zum Bundeshaus­halt – die dort notwendige­n Kürzungen werden auch vor Ort einschneid­end wirken. Wobei Jauernig den beim Neujahrsem­pfang anwesenden Vertretern von Vereinen und Organisati­onen versichert­e: „Bei den Ehrenamtli­chen vor Ort werden wir nicht sparen. Das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod.“

Nach wie vor sei es sinnvoll und richtig, dass die Bundesregi­erung Gelder, die als Corona-Hilfen vorgesehen waren und nicht abgerufen wurden, für Hilfe an anderer Stelle nutzen wollte. Auch, wenn das Gericht nun rechtlich zu einer anderen Einschätzu­ng kam. Kritik äußerte der OB aber an der mangelnden Kommunikat­ion der Regierung. „Es ist den Menschen nicht vermittelb­ar, wenn der Kanzler für mehrere Tage einfach untertauch­t und sich nicht äußert.“Die Situation im Land, da ist sich Jauernig sicher, wäre heute eine andere, wenn Bundeskanz­ler Scholz in Interviews oder einer Ansprache zur Nation die Hintergrün­de

für die Haushaltse­ntscheidun­gen erklärt hätte.

Dem Ruf nach Neuwahlen im Bundestag, der immer wieder aus Berlin und auch aus München geäußert wurde, möchte der OB nicht folgen. Zum einen sei es ein katastroph­ales Signal nach innen wie nach außen, in einer schwierige­n politische­n und weltpoliti­schen Zeit als Regierung das Handtuch zu werfen. „Die Einzigen, die davon profitiere­n könnten, sind diejenigen, denen wir nach 1945 schon zugerufen haben: niemals wieder!“Zu einem verantwort­ungsvollen Umgang mit einer solch schwierige­n Situation gehöre auch, konstrukti­ve Kooperatio­n zu leben und nicht destruktiv zu reden – so, wie das beispielha­ft im Günzburger Stadtrat unter den Fraktionen gelebt werde. „Dafür bin ich jeden Tag unheimlich dankbar.“

Die Lebenswirk­lichkeit finde nun einmal in Städten wie Günzburg statt, verwies der Oberbürger­meister auf Erfolge wie das kürzlich gestartete Wohnquarti­er

Günz-Donau-Park, wo künftig rund 1000 Menschen wohnen sollen. Bewusst entstehen hier auch bezahlbare Wohnungen, 117 sind es im ersten Bauabschni­tt. „Wir bekommen praktisch einen neuen Stadtteil“, so Jauernig. Auch mit der anstehende­n Landesgart­enschau entwickle sich Günzburg städtebaul­ich positiv weiter.

Deutlich positionie­rte sich der Oberbürger­meister ein weiteres Mal zum Bahnausbau. „Wir haben als Stadt bereits deutlich gemacht, dass es für uns Bedingunge­n für den Streckenau­sbau gibt.“Minimale Eingriffe in die Natur, Schutz der Anwohner in den Stadtteile­n und der Erhalt des Gewerbegeb­iets seien unverzicht­bar. Eine klare Absage gebe es weiter zu der Idee, den Bahnhof aus der Stadt heraus Richtung Legoland zu verlagern. „Ein Bahnhof, den die Günzburger nur erreichen, wenn sie mit dem Auto fahren, wird nicht akzeptiert werden.“Und: „Sollte das jemals ein Thema sein, wird jeder Bauernprot­est nichts gegen das sein, was wir dann veranstalt­en.“

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Foto: Rebekka Jakob

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