Oberbürgermeister wünscht sich mehr Günzburg in Berlin
Eigentlich wollte sich Gerhard Jauernig in seiner Rede beim Neujahrsempfang der SPD auf die Kommunalpolitik konzentrieren. Warum dann doch alles anders kam.
Corona hatte den Oberbürgermeister zum Jahresende ausgebremst. Beim Jahresdämmerschoppen der Stadt, für Gerhard Jauernig einer der wichtigsten Termine des Jahres, hatte er nicht teilnehmen können. „Es hatte mich mit voller Breitseite erwischt“, so Jauernig beim Neujahrsempfang. Nachdem das Virus dann auch noch die Weihnachtsfeiertage der Familie komplett durcheinandergewirbelt hatte, konnten jetzt beim Neujahrsempfang der SPD Günzburg im Forum tatsächlich alle dabei sein, inklusive Enkel Leo, und zwar gesund, munter und positiv gestimmt, weil negativ getestet.
Eigentlich, so Jauernig, wollte er Simone Riemenschneider-Blatter als Ortsvorsitzender für ihren Part der Rede die Bundespolitik überlassen und sich selbst auf die lokalpolitischen Themen konzentrieren. Aber so ganz klappte das dann doch nicht. Denn was derzeit auf der welt- und bundespolitischen Bühne passiert, geht am Günzburger Oberbürgermeister ebenso wenig spurlos vorüber wie an den Menschen, die in der Großen Kreisstadt leben. Und nicht immer ist das, was an der Parteispitze gesprochen und getan wird, im Sinne des SPD-Mitglieds Gerhard Jauernig.
So habe der Angriffskrieg in der Ukraine gezeigt, dass eine längst überwunden geglaubte Furcht wieder da sei. „Wir wurden daran erinnert, dass Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist.“Durch die Ereignisse habe sich auch die Einstellung der Bundeswehr gegenüber geändert. „Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen mehr Respekt und Unterstützung“, so Jauernig. Was das Thema Wehrpflicht angeht, sei er deutlich näher bei Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und seinen Überlegungen über eine Rückkehr zur Wehrpflicht nach schwedischem Modell als SPDBundesvorsitzende Saskia Esken, die dies abgelehnt hatte.
Deutlich auswirken auf die Städte und Gemeinden werde sich nach Jauernigs Einschätzung auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
zum Bundeshaushalt – die dort notwendigen Kürzungen werden auch vor Ort einschneidend wirken. Wobei Jauernig den beim Neujahrsempfang anwesenden Vertretern von Vereinen und Organisationen versicherte: „Bei den Ehrenamtlichen vor Ort werden wir nicht sparen. Das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod.“
Nach wie vor sei es sinnvoll und richtig, dass die Bundesregierung Gelder, die als Corona-Hilfen vorgesehen waren und nicht abgerufen wurden, für Hilfe an anderer Stelle nutzen wollte. Auch, wenn das Gericht nun rechtlich zu einer anderen Einschätzung kam. Kritik äußerte der OB aber an der mangelnden Kommunikation der Regierung. „Es ist den Menschen nicht vermittelbar, wenn der Kanzler für mehrere Tage einfach untertaucht und sich nicht äußert.“Die Situation im Land, da ist sich Jauernig sicher, wäre heute eine andere, wenn Bundeskanzler Scholz in Interviews oder einer Ansprache zur Nation die Hintergründe
für die Haushaltsentscheidungen erklärt hätte.
Dem Ruf nach Neuwahlen im Bundestag, der immer wieder aus Berlin und auch aus München geäußert wurde, möchte der OB nicht folgen. Zum einen sei es ein katastrophales Signal nach innen wie nach außen, in einer schwierigen politischen und weltpolitischen Zeit als Regierung das Handtuch zu werfen. „Die Einzigen, die davon profitieren könnten, sind diejenigen, denen wir nach 1945 schon zugerufen haben: niemals wieder!“Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit einer solch schwierigen Situation gehöre auch, konstruktive Kooperation zu leben und nicht destruktiv zu reden – so, wie das beispielhaft im Günzburger Stadtrat unter den Fraktionen gelebt werde. „Dafür bin ich jeden Tag unheimlich dankbar.“
Die Lebenswirklichkeit finde nun einmal in Städten wie Günzburg statt, verwies der Oberbürgermeister auf Erfolge wie das kürzlich gestartete Wohnquartier
Günz-Donau-Park, wo künftig rund 1000 Menschen wohnen sollen. Bewusst entstehen hier auch bezahlbare Wohnungen, 117 sind es im ersten Bauabschnitt. „Wir bekommen praktisch einen neuen Stadtteil“, so Jauernig. Auch mit der anstehenden Landesgartenschau entwickle sich Günzburg städtebaulich positiv weiter.
Deutlich positionierte sich der Oberbürgermeister ein weiteres Mal zum Bahnausbau. „Wir haben als Stadt bereits deutlich gemacht, dass es für uns Bedingungen für den Streckenausbau gibt.“Minimale Eingriffe in die Natur, Schutz der Anwohner in den Stadtteilen und der Erhalt des Gewerbegebiets seien unverzichtbar. Eine klare Absage gebe es weiter zu der Idee, den Bahnhof aus der Stadt heraus Richtung Legoland zu verlagern. „Ein Bahnhof, den die Günzburger nur erreichen, wenn sie mit dem Auto fahren, wird nicht akzeptiert werden.“Und: „Sollte das jemals ein Thema sein, wird jeder Bauernprotest nichts gegen das sein, was wir dann veranstalten.“