Guenzburger Zeitung

„Nachhaltig gefertigte Autos sind keine Utopie“

Gerd Walker ist für die Produktion bei Audi verantwort­lich – und diskutiert mit seinen Kindern über Klimaschut­z. Er erklärt, wie ein Werk klimaneutr­al werden kann und warum der Hersteller sich auch auf Veganerinn­en und Veganer einstellt.

- Gerd Walker: Walker: Walker (lacht): Walker: Walker: Walker: Walker: Walker: Walker: Walker: Walker:

Herr Walker, Sie stammen aus Reutlingen. Da sind Stuttgart und Mercedes nicht weit.

Dennoch bin ich schon als Maschinenb­au-Werkstuden­t zu Audi gegangen und habe dort meine Diplomarbe­it geschriebe­n.

Warum haben Sie als Schwabe den so nahen Stern links liegen lassen und sich für die Marke mit den vier Ringen entschiede­n? Sie sind 1998 als Planer in der Produktion in Ingolstadt eingestieg­en und seitdem Audi und VW treu geblieben.

Was die Begeisteru­ng für Audi betrifft, bin ich familiär vorbelaste­t. Mein Vater war immer schon ein großer Audi-Fan. In meiner Familie fährt man von jeher Audi.

Sind Sie gleich mit einem Audi nach dem Führersche­in durchgesta­rtet?

Ich habe mir erst einen Audi gekauft, als ich es mir leisten konnte. Mein erstes Auto war ein VW-Golf. Das Auto habe ich durch Ferienarbe­it bei einem Zulieferer in Reutlingen finanziert. Dort habe ich in der Nachtschic­ht Scheinwerf­er bearbeitet.

Die Auto-Industrie hat Jahre mit vielen Krisen hinter sich. So wurden etwa Chips knapp. Hat sich die Lage entspannt?

Die Versorgung­slage mit Chips hat sich entspannt und ist stabiler geworden. Wir haben bei Audi unsere Lieferkett­en stabilisie­rt. Audi ist robust unterwegs.

Welche Auswirkung­en haben die kriegerisc­hen Aktionen im Roten Meer auf Audi? Tesla muss die Produktion im deutschen Werk wohl länger stoppen, weil der Schiffsver­kehr beeinträch­tigt ist.

Wir haben derzeit keine Produktion­sprogrammv­erluste. Wir stehen in enger Abstimmung mit den Reedereien und beobachten die Situation genau, um Auswirkung­en auf die Produktion und Marktverso­rgung abzuschätz­en und – soweit möglich – zu vermeiden. Fast alle großen Reedereien haben bereits im Dezember damit begonnen, ihre Schiffe umzuleiten. So kann sichergest­ellt werden, dass die Fracht – wenn auch zeitverzög­ert – ihr Ziel erreicht.

Audi erfindet sich elektrisch neu und möchte bereits 2026 aus der Entwicklun­g neuer Verbrenner­Autos aussteigen. Ab 2033 sollen nur noch E-Fahrzeuge verkauft werden. Wie stark belastet diese Revolution das Unternehme­n?

Walker: Diese Transforma­tion vom Verbrenner- zum Elektromot­or fordert eine Organisati­on wie Audi natürlich heraus, schließlic­h sind für diesen Wandel enorme Investitio­nen notwendig und Beschäftig­te müssen neue Kompetenze­n erwerben. Doch das Schöne an diesem Geschäft ist: Die Transforma­tion ist mit vielen Anläufen neuer Modelle verbunden. Das ist das Lebenselix­ier für Audi. Und im Zuge des Wandels werden unsere Werke bis 2025 bilanziell CO2-neutral.

Bekommen Sie ausreichen­d ÖkoEnergie?

Walker: Nehmen wir unser Werk im ungarische­n Gyo˝ r mit knapp 12.000 Beschäftig­ten. Dort habe ich vier Jahre gearbeitet. Der Standort ist das größte Motorenwer­k der Welt. Schon seit 2020 fertigt Audi Hungaria bilanziell CO2-neutral. Nach Brüssel ist Gyo˝ r das zweite Werk, mit dem wir dieses Ziel erreicht haben, das Werk in Ingolstadt folgt seit Anfang dieses Jahres. Wir haben in Gyo˝r so viel erreicht, weil wir in Ungarn der größte Nutzer industriel­ler Geothermie sind, also auf Erdwärme setzen. Seit 2015 deckt Audi in Ungarn rund 70 Prozent seiner benötigten Wärmeenerg­ie mit geothermis­cher Energie ab. Hinzu kommt, dass wir an unserem Standort in Ungarn die größte europäisch­e Dach-Fotovoltai­k-Anlage haben. Und die dort produziert­en Motoren werden dann auch noch per Bahn CO2-neutral nach Deutschlan­d geliefert.

Klimaschäd­liche CO2-Emissionen zu reduzieren, reicht nicht für eine positive Öko-Bilanz eines AutoWerks aus. An diesen Standorten fallen auch Unmengen an Abwasser an.

Nehmen wir hier unser Werk in Mexiko, das 2400 Meter über dem Meeresspie­gel liegt und damit unser höchstgele­gener Standort ist. Dort arbeiten gut 5100 Frauen und Männer. Der Standort in Mexiko ist unser erstes Werk, das komplett abwasserfr­ei funktionie­rt.

Wie funktionie­rt das?

Indem wir im Werk eine Wasseraufb­ereitungsa­nlage haben. Das Abwasser wird dort in mehreren Schritten aufbereite­t, und anschließe­nd in einer Umkehrosmo­seanlage behandelt, bevor es wieder in die Produktion zurückgefü­hrt wird. Dadurch arbeiten wir in Mexiko komplett abwasserfr­ei. Das Konzentrat aus der Umkehrosmo­se wird in einem Verdunstun­gsbecken,

das man sich wie eine Lagune vorstellen kann, verdunstet. In anderen Werken, an denen wir nicht über derart große Flächen wie in Mexiko verfügen, setzen wir auf Wasserkrei­släufe.

Wie läuft das in Ingolstadt?

Walker: In Ingolstadt wird rund die Hälfte des Abwassers in einen Kreislauf zurückgefü­hrt und zur Wiederverw­endung aufbereite­t. Das geschieht etwa durch einen Membran-Bioreaktor. Audi spart dadurch jährlich bis zu 300.000 Kubikmeter Frischwass­er ein. Und in Ingolstadt nutzen wir zu 100 Prozent Ökostrom. Unser neues Werk in Changchun in China, das ab Ende 2024 ausschließ­lich E-Autos fertigt, verwendet ebenfalls zu 100 Prozent Grünstrom, auch dank einer Solaranlag­e. So wird klar: Nachhaltig­keit ist für den Erfolg unserer Branche essenziell. Wenn man Kinder hat, ist einem klar, wie wichtig der jungen Generation solche Werte sind. Meine Kinder sind 19 und 21 Jahre alt. Sie diskutiere­n mit mir über Klimaschut­z und Nachhaltig­keit. Diese Themen sind ihnen enorm wichtig.

Gibt es absehbar eine echte ÖkoAutofab­rik, bei der sich auch Klima-Aktivisten guten Gewissens ein Fahrzeug gönnen können?

Das CO2-Profil von Elektrofah­rzeugen verschiebt sich gegenüber Verbrenner­n stark von der Nutzung in den Bereich der Produktion. Wir sind hier bei Audi auf einem guten Weg, unter anderem mit unserem intelligen­ten Energieman­agement. So will Audi insgesamt bis spätestens 2050 unternehme­nsweit bilanziell CO2-neutral sein. Dafür haben wir einen klaren Plan: das Energieman­agement weiter verbessern, wo möglich, auf erneuerbar­e Energie umstellen, Eigenenerg­ie erzeugen und das, was aus technische­n Gründen nicht ausgeglich­en werden kann, mit Zertifikat­en auszugleic­hen. Auf alle Fälle sind nachhaltig gefertigte Autos keine Utopie mehr.

Woran machen Sie das fest?

Walker: Etwa daran, dass Audi immer mehr recycelte Materialie­n verwendet. So wird der Aluminium-Abfall aus unseren Presswerke­n wiederverw­endet. Das werden wir bei vielen anderen Stoffen ähnlich handhaben. Unser Elektroaut­o Q4 e-tron ist das erste Serien-Fahrzeug, in dem wir in der gesamten Baureihe Glas mit Recyclinga­nteil in den Frontschei­ben verbauen. Unser Ziel ist es, immer mehr Materialie­n, die in einem Auto stecken, im Kreislauf zu halten, also immer wiederzuve­rwerten. Ein enormes Potenzial steckt hier zum Beispiel im Recycling von Batterien.

Können auch Veganer sich schon einen Audi gönnen? Gibt es den lederfrei produziert­en Audi?

Junge Käuferinne­n und Käufer fragen solche Autos nach. Darauf reagieren wir.

Gibt es also schon den rein veganen Audi?

Es gibt Ausstattun­gen, die ohne Leder und tierische Materialie­n auskommen. Audi hat ein wachsendes Angebot davon im Portfolio.

Welche Bedürfniss­e haben Autokäufer in zehn Jahren? Setzen sich E-Autos dann endgültig durch?

Wir glauben an die E-Mobilität und sind mit hohem Tempo unterwegs. So werden etwa in Ingolstadt schon 2025 zwei von vier gebauten Modellreih­en vollelektr­isch sein. Die Leistungsd­aten unserer Elektrofah­rzeuge haben noch mal einen großen Sprung gemacht. Jetzt müssen wir als Gesellscha­ft stärker auf E-Mobilität setzen, also an Tempo zulegen. Die Ladeinfras­truktur muss schneller ausgebaut werden. Wir benötigen mehr Ladepunkte, damit sich Menschen ein E-Auto kaufen.

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