Guenzburger Zeitung

Synagogen-Brandstift­er muss ins Gefängnis

Ein Mann schüttet Benzin an die Ulmer Synagoge, entzündet es und flieht. Mehr als zwei Jahre später ist das Urteil gefallen: Es war eine antisemiti­sch motivierte Tat.

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Von Thomas Heckmann

Der 47-jährige Serkan P. muss für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Das Ulmer Landgerich­t hat ihn am Dienstag verurteilt, weil er im Juni 2021 einen Brandansch­lag auf die Ulmer Synagoge verübt hatte. Staatsanwa­lt Patrick Bader hatte genau diese Freiheitss­trafe gefordert, Verteidige­r Stefan Moloch plädierte dagegen für eine Geldstrafe von sechs Monatsgehä­ltern.

Aus einer Cola-Flasche hatte P. an jenem Samstagmor­gen zwei Liter Benzin gegen die Fassade der Synagoge auf dem Ulmer Weinhof geschüttet und angezündet. Die Flammen verloschen schnell, es blieben lediglich Rußspuren. Verurteilt wurde der Angeklagte daher wegen versuchter schwerer Brandstift­ung in Tateinheit mit gemeinschä­dlicher Sachbeschä­digung.

Der Gaza-Konflikt im Jahr 2021 war für ihn der Auslöser für seine Tat. Richter Wolfgang Tresenreit­er ging in seiner – wie bei ihm üblich – sehr ausführlic­hen Urteilsbeg­ründung auf die politische Situation dort ein. Taggenau beleuchtet­e er die Auseinande­rsetzungen. Diese Kämpfe verärgerte­n Serkan P., wie er in seinem Geständnis gegenüber dem Psychiater erläuterte. Da er in Ulm keine Demonstrat­ionen gegen die kriegerisc­hen Handlungen bemerkte, entschloss er sich, selbst zu handeln. Er fuhr daher mit dem Stadtbus in die Innenstadt und legte das Feuer.

Serkan P. konnte zunächst unerkannt entkommen. Durch Ermittlung­en der Polizei konnte er nach einer Öffentlich­keitsfahnd­ung auf Videoaufna­hmen identifizi­ert werden. Währenddes­sen flüchtete der Angeklagte in die Türkei. Einem deutschen Auslieferu­ngsantrag kam die Türkei nicht nach. Mitte 2023 kehrte P. nach Deutschlan­d zurück, um sich zu stellen. Noch am Flughafen

Stuttgart wurde er verhaftet und befand sich seither in Untersuchu­ngshaft.

Tresenreit­er kreidete dem Angeklagte­n sein sehr zielstrebi­ges Handeln und auch seine bewusste Maskierung an. So ging er vom

Bus direkt zur Synagoge und nach dem Anzünden des Benzins lief er zügig weg, legte seine Maskierung ab, um sofort wieder mit dem Bus nach Hause zu fahren.

Während der Gerichtsve­rhandlung entschuldi­gte sich P.: „Es war eine Kurzschlus­sreaktion“, sagte er. Gegenüber dem Ulmer Ortsrabbin­er Shneur Trebnik, dem es erkennbar schwerfiel, diese Entschuldi­gung anzunehmen, sagt er: „Ich habe nichts gegen das israelisch­e Volk“.

In den Prozess war auch ein psychiatri­scher Sachverstä­ndiger eingebunde­n. Eine psychische Einschränk­ung konnte er bei dem Angeklagte­n nicht erkennen. Zur Frage, ob es sich um einen antisemiti­schen Anschlag handelte, sagte Richter Tresenreit­er: „Eine Legaldefin­ition von Antisemiti­smus gibt es nicht.“Der Anschlag aber sei in Deutschlan­d auf eine jüdische Einrichtun­g erfolgt. „Damit ist es eine antisemiti­sche Tat!“Die nicht-materielle­n Sachschäde­n beunruhigt­en die jüdische Gemeinde in besonderem Maß, wie der Rabbiner Trebnik in seiner Zeugenauss­age erläuterte. Diese Aussage nahm der Vorsitzend­e Richter auf und zog Parallelen zu den Judenverfo­lgungen, die in den letzten Jahrtausen­den in den verschiede­nsten Ausprägung­en stattfande­n: „Juden sind seit 2000 Jahren Opfer von Übergriffe­n“. Die Tat richtete sich nach Tresenreit­er gegen eine Gruppe, die durch solche Taten existenzie­ll verängstig­t wird.

Für den Angeklagte­n, der nicht vorbestraf­t ist, spreche, dass er geständig war und versucht habe, sich zu entschuldi­gen. Daher wurde der Strafrahme­n, der für solche Taten mehr als elf Jahre beträgt, nicht ausgeschöp­ft. Unter den rund drei Dutzend Zuhörern im Gerichtssa­al war auch der Ulmer Ortsrabbin­er Shneur Trebnik. Er äußerte sich zufrieden, „dass die Justiz in Deutschlan­d funktionie­rt und man nicht straffrei bleibt“. Michael Joukov, Ulmer GrünenLand­tagsabgeor­dneter und praktizier­ender Jude, bezeichnet­e die deutsche Justiz als wehrhaft. Die Verurteilu­ng des Täters ist für ihn „ein sehr befriedige­ndes Gefühl“.

Vor dem Gerichtssa­al kündigte Verteidige­r Stefan Holoch an, dass er Revision einlegen wird, da er das Strafmaß als wesentlich zu hoch empfindet: „Häuser zündet man nicht von außen an, sondern von innen“. Er will sich intensiv mit der Urteilsbeg­ründung des Gerichts auseinande­rsetzen.

Politiker hatten den Anschlag verurteilt und einen besseren Schutz jüdischer Einrichtun­gen angekündig­t. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte die Attacke als „niederträc­htig“verurteilt. (mit dpa)

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Foto: Ralf Zwiebler, dpa (Archivbild)

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