Guenzburger Zeitung

Droht einem maroden Haus der Abriss?

Ältere Generation­en wissen, warum einst das Haus in der Stadtstraß­e 14 in Burgau so wichtig war. Eine Geschichte über ein Haus, das vielleicht bald selbst Geschichte wird.

- Von Ralf Gengnagel

Wenn es Nacht wird und sich in der Burgauer Innenstadt die Straßenlam­pen einschalte­n, kaschiert die Dunkelheit die mitgenomme­ne Fassade eines der ältesten Häuser der Markgrafen­stadt. Vor dem Haus in der Stadtstraß­e 14 steht ein Bauzaun, an dem auf Veranstalt­ungen hingewiese­n wird. Dahinter das unter Denkmalsch­utz stehende Bauwerk. Trotz ihrer maroden Substanz strahlen die Mauern Anziehungs­kraft aus. Die Holzfenste­r und alten Glasscheib­en, hinter denen noch Häkel-Gardinen zu sehen sind, versprühen Nostalgie. Wenn das leer stehende Haus reden könnte, hätte es sicherlich viel zu erzählen. Warum sich noch heute Burgauer Urgesteine an dieses Gebäude so gut erinnern.

Gerade zu nüchtern wirkt die Zahlen-Buchstaben­kombinatio­n „D-7-74-121-32“. Dahinter verbirgt sich die Aktennumme­r für den „zweigescho­ssigen, giebelstän­digen Satteldach­bau mit verputztem Fachwerkgi­ebel und Giebelgesi­msen“. Laut Denkmallis­te des Bayerische­n Landesamte­s für Denkmalpfl­ege bestand einst das Wohnhaus im Kern aus zwei mittelalte­rlichen Häusern, deren Zusammenle­gung und Umbau etwa um 1545 erfolgte. Ein weiterer Umbau des Erdgeschos­ses fand um 1900 statt. Doch die Historie des Bauwerks könnte bald enden. Die Eigentümer haben einen Abbruchant­rag bei der Stadt Burgau gestellt. Bereits vor einigen Jahren wurde von der Stadtverwa­ltung ein Antrag dafür baurechtli­ch geprüft und einer Genehmigun­g zugestimmt. Passiert ist daraufhin nichts. Weil es jetzt doch abgerissen werden soll, müsse der Ausschuss baurechtli­ch erneut über einen Antrag abstimmen, erklärte Stadtbaume­ister Werner Mihatsch. Nachdem die Mitglieder des Ausschusse­s einem Abriss zugestimmt hatten, merkte Bürgermeis­ter Martin Brenner (CSU) an, dass dieser aber nur erfolgen könne, wenn zusätzlich eine denkmalsch­utzrechtli­che Genehmigun­g vorliege.

Für die Bewilligun­g eines Abbruchant­rags gelten harte Kriterien, teilt Lea Kramer, Pressespre­cherin beim Landesamt für Denkmalpfl­ege auf Nachfrage mit. Die Behörde darf also nur unter ganz bestimmten Umständen dem Abbruch eines Denkmals zustimmen. „Denkmalsch­utz bedeutet aber nicht, dass ein Gebäude nicht mehr verändert werden darf“, ergänzt Kramer. Es sei sogar wünschensw­ert, dass Baudenkmäl­er genutzt werden. Eigentümer haben die Pflicht, diese instand zu halten, instand zu setzen und zu schützen. Aber natürlich nur, soweit ihnen das zuzumuten ist.

Doch was hatte es mit dem Haus in der Stadtstraß­e 14 auf sich? Wenige Burgauerin­nen und Burgauer erinnern sich noch an die alten Zeiten. Irmgard Gruber-Egle, Vorsitzend­e des Historisch­en Vereins Burgau, weiß viel über die Geschichte des Hauses zu erzählen. In den vergangene­n 150 Jahren sei es im Besitz der Familie Zink gewesen. Anfang der 1920er-Jahre war es Peter Zink, der in Burgau in der Stadtstraß­e 14 das erste Elektroges­chäft

eröffnete. „Das war zu dieser Zeit schon deswegen bemerkensw­ert, weil es Elektrizit­ät und das Elektriker­handwerk noch nicht lange gab“, sagt Gruber-Egle. Später wurde das Geschäft in der Innenstadt erweitert. Glas, Porzellan und Haushaltsw­aren konnten neben Haushaltsg­eräten gekauft werden. Reparature­n elektrisch­er Geräte wurden angenommen.

An die großen Schaufenst­er des Geschäftes denkt auch heute noch Engelbert Kinzel – der 1944 in Burgau geboren wurde – gerne zurück. „Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie wir uns als Buben vor das Schaufenst­er horteten und staunten, als 1954 dort die ersten Fernseher flimmerten.“Viele konnten sich keinen Fernseher leisten. Auch Anfang der 60er-Jahre standen oft die Menschen vor dem Schaufenst­er, als der Farbfernse­her immer realer werdende Bilder lieferte. Auf der Rückseite des Hauses, die wohl kaum jemand kennen dürfte und die dem Schlossber­g zugeneigt ist, befand sich eine Werkstatt, die auch von der damaligen Bäckerei wegen naturgemäß­er Frische als Kühlraum mitgenutzt wurde.

Generation­sübergreif­end habe sich das Elektro- und Haushaltsg­eschäft weiterentw­ickelt. Selbst Spielwaren wurden dort verkauft. Gruber-Egle erinnert sich daran, wie entlang des Schaufenst­ers die ersten Märklin Eisenbahne­n auf und ab gefahren sind. Bis etwa Ende der 1980er-Jahre habe sich das Geschäft in Burgau gehalten. Die Unternehme­rfamilie zog es dann nach Jettingen-Scheppach, wo heute noch ein Familienzw­eig ein Unternehme­n leitet. Anfangs blieb das Haus trotz Geschäftsa­ufgabe noch von Angehörige­n bewohnt, so Gruber-Egle. Seit Jahrzehnte­n stehe es nun leer und soll abgerissen werden.

Aus Sicht des Historisch­en Vereins Burgau sei sein Verschwind­en vor dem Bemühen, die alte Substanz der Stadt zu erhalten, mehr als schmerzlic­h, sagt Gruber-Egle. Kosten für Sanierunge­n stünden denen eines Neubaus keinesfall­s nach.

Für den Fall eines Neubaus sei es aus Sicht des Historisch­en Vereins trotzdem begrüßensw­ert, würde zumindest die Frontseite der Fassade zur Stadtstraß­e hin erhalten bleiben oder wieder gestaltend errichtet werden. Es bleibt abzuwarten, ob dem Antrag auf Abriss diesmal auch Taten folgen.

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Foto: Ralf Gengnagel

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