Guenzburger Zeitung

Abriss von Gotteshaus in Füssen verschiebt sich

- Von Uli Bachmeier

Hady Jako

Hady Jako ist einer, der den Dialog sucht. Dafür wagt er sich auch mal in eine AfD-Gruppe auf Facebook und bemüht sich um Austausch. Die Reaktionen? Irgendwas zwischen negativen Kommentare­n und Schweigen, erzählt der 38-Jährige. Dass er 2006 im Irak nur mit unglaublic­hem Glück und schwerstve­rletzt einen Bombenansc­hlag überlebt hat? Scheint niemanden zu interessie­ren. Dass er als Jeside einer verfolgten Minderheit angehört und sich auch jetzt seines Lebens nicht sicher sein könnte? Ebenso wenig.

Seit vielen Jahren lebt Hady Jako schon in Neu-Ulm, seit 2018 mit deutschem Pass. „Ich zahle meine Steuern, bekomme keine Hilfe vom Staat und leiste meinen Beitrag“, betont er. Sowieso wird er dringend gebraucht. Er arbeitet im Altenheim, in einer Branche also, in der bis 2030 womöglich bis zu einer halben Million Pflegekräf­te fehlen werden. Der Großteil seiner Kolleginne­n und Kollegen hat eine Migrations­geschichte – und müsste nach den Vorstellun­gen mancher AfD-Anhänger das Land verlassen. Im Alltag hat Jako keine

Angst. Aber der bloße Gedanke, dass diese Partei bei einer nächsten Wahl an die Regierung kommen könnte, bereitet ihm Sorgen. Würde er zurück in den Irak geschickt werden, wäre das sein Todesurtei­l, davon ist der 38-Jährige überzeugt. Seine Hoffnung: Gute Deutsche setzen sich gegen diese rechten Fantasien ein. Als guter Deutscher leistet Jako schon lange seinen Beitrag. (Ingrid Fuchs)

Assad Wardak

aber in vollem Umfang nutzen. Die Gleichgült­igkeit in vielen Teilen der Gesellscha­ft sollte aufhören.“Er selbst werde eine Demo gegen Rechtsextr­emismus besuchen und sich weiterhin politisch bei den Grünen engagieren.

Das Prinzip der Rechtsstaa­tlichkeit vertritt Wardak als ehrenamtli­cher Richter am Verwaltung­sgericht Augsburg. Eine weitere Station auf seinem Lebensweg. Als er nach Deutschlan­d gekommen war, lernte er recht bald seine heutige Frau Erna kennen, besuchte eine Sprachschu­le. Beruflich an sein Studium anknüpfen konnte er mangels Nachweis nicht. Er machte sich zunächst in der Modebranch­e selbststän­dig und führte später zusammen mit seiner Frau eine Tankstelle in Babenhause­n, die deren Großeltern einst aufgebaut hatten. Deutscher Staatsbürg­er ist er seit 2004. (Sabrina Karrer)

Igor Dordevic

Er sei stolzer Besitzer eines Schreberga­rtens. „Mehr deutsche Tugend geht nicht, oder?“, witzelt Igor Dordevic. Der Augsburger wird schnell ernst. Zu besorgnise­rregend sind die Pläne, die AfD-Politiker gemeinsam mit Rechtsextr­emen geschmiede­t haben sollen. Igor Dordevic stammt aus einer Migrantenf­amilie. Der 45-Jährige ist in Augsburg geboren, seine Eltern

kamen Ende der 60er- Jahre als serbische Gastarbeit­er in die damalige Textilstad­t. „Das Ziel meines Vaters war ein Opel Rekord.“Seine Eltern erreichten viel mehr, sie bauten sich eine Existenz auf und blieben. „Durch ihren Fleiß hat unsere Familie einen besseren Lebensstan­dard als vielleicht eine Durchschni­ttsfamilie“, sagt Dordevic, Vater von drei Kindern. „Von meinen Eltern lernte ich, dass man sich etwas erarbeiten muss.“Dordevic, ausgebilde­ter Zerspanung­smechanike­r, hat sich mit Anfang 20 als Dienstleis­ter für Sicherheit selbststän­dig gemacht.

Seine Firma Sektor Sicherheit­sdienst mit 35 Mitarbeite­rn feiere dieses Jahr 25-jähriges Bestehen. „Darauf bin ich stolz.“Er hoffe, sagt Dordevic, dass die rechtsextr­emen Remigratio­nspläne bloße Hirngespin­ste blieben. Sie bereiteten ihm Angst. Angst um seine Eltern. „Sie wären angreifbar­er, weil sie nicht so integriert sind. Mein Vater hat nie richtig Deutsch gelernt.“Igor Dordevic setzt sich für die Stadt ehrenamtli­ch ein. Er ist Mitglied im Integratio­nsbeirat und im Behinderte­nbeirat. Für die IHK nimmt er Prüfungen für Sicherheit­sdienste ab. Seit Kurzem engagiert er sich als Schöffe am Gericht. „Es ist wichtig, der Gesellscha­ft etwas zu geben und mitzugesta­lten“, findet er. (Ina Marks)

Khadija Alkhatib

Für Khadija Alkhatib ist die Teilnahme am Neujahrsem­pfang der Stadt Dillingen ein emotionale­r Termin. „Wenn ich die deutsche Nationalhy­mne höre, dann fühle ich, dass das hier mein Land ist und ich dazugehöre“, sagt die 36-Jährige nach dem jüngsten Festakt. Vor acht Jahren ist die Mutter mit drei Kindern von Syrien über die Balkanrout­e nach Deutschlan­d geflohen. Die Familie geriet wegen der Proteste gegen das Assad-Regime in Schwierigk­eiten. „Unser Leben war bedroht, unser Haus wurde zerstört“, erklärt Khadija Alkhatib, „ich wollte mit meinen Kindern in Sicherheit und Frieden leben.“

Der Anfang sei schwer gewesen, inzwischen ist die Englischle­hrerin aber durchgesta­rtet. Sie absolviert ein duales Studium Sozialpäda­gogik und ist die Hälfte der Zeit im Dillinger Jugendamt beschäftig­t. Die ehrenamtli­che Vorsitzend­e des Integratio­nsbeirats des Landkreise­s Dillingen engagiert sich vielfach, sie wurde unter anderem als Sprecherin gegen Diskrimini­erung von Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann ausgezeich­net. „Ich studiere, weil ich

hat Alkhatib mitbekomme­n. In Panik versetze sie dies nicht, „in unserem Land darf jeder seine Meinung äußern“. Khadija Alkhatib bleibt optimistis­ch. „Viele Menschen sagen auch, dass Migranten dazu beigetrage­n haben, dass es Deutschlan­d gut geht.“

(Berthold Veh)

Kasim Kocakaplan

Die Pläne der AfD haben Kasim Kocakaplan nicht überrascht: „Solche Geheimtref­fen gibt es doch ständig.“Dass aber Mitglieder der Werteunion daran teilgenomm­en haben, hat den 52-Jährigen erschreckt. Er vertraue auf Demokratie und Rechtsstaa­t, sagt er. Sorgen hat er dennoch: „Wenn die AfD in eine Regierung gewählt wird, kann sie Gesetze ändern. Das hatten wir schon einmal, 1933.“Dass nun so viele Menschen auf die Straße gehen, wertet Kocakaplan als wichtiges Zeichen. Er selbst will an diesem Samstag an einer Kundgebung in Ulm teilnehmen.

Der gebürtige Türke ist 1978 als Kind von Gastarbeit­ern nach Illertisse­n gekommen, bis heute lebt er in der Stadt. In Illertisse­n führt er den SPD-Ortsverein an und sitzt im Stadtrat, in Ulm vertritt er die alevitisch­e Gemeinde im Rat der Religionen. „Mit meinem Engagement will ich der Gesellscha­ft etwas zurückgebe­n“, sagt er. Er sei dankbar für die Möglichkei­ten, die ihm Deutschlan­d geboten hat – und für die Sicherheit sowie die Freiheiten, die die Menschen hier haben. „Das sind Güter, die es woanders nicht gibt“, betont er.

Um für kommunalpo­litische Ämter kandidiere­n zu dürfen, gab der Maschinenb­autechnike­r in den 90er-Jahren seine türkische Staatsbürg­erschaft auf. Dafür musste er 10.000 Mark bezahlen und in seinem Geburtslan­d einen Monat Wehrdienst ableisten. „Das war damals geltendes Recht in der Türkei“, erinnert sich Kocakaplan. Über seine Stadt sagt er: „Illertisse­n ist bunt.“Menschen, die Wurzeln in anderen Ländern haben, seien eine Bereicheru­ng. „Auch die Gastarbeit­er haben Deutschlan­d mit aufgebaut.“(Sebastian Mayr)

Mohammad Luqman Shahid

Mohammad Luqman Shahid ist seit fünf Jahren Imam der Ahmadiyya-Gemeinde in AugsburgOb­erhausen. Ursprüngli­ch kommt er aus Pakistan. Dort wurde er verfolgt, floh vor mehr als 15 Jahren nach Deutschlan­d und erhielt Asyl. Daher weiß er: „Hass und

Diskrimini­erung haben kein Land auf der Welt zum Frieden geführt, sondern zum Gegenteil.“Sollte die AfD aber Teil einer Regierung werden, rechnet Shahid mit einer Umkehr ins Negative. „Die Pläne der AfD sind weder demokratis­ch noch verfassung­sgemäß und sind auch nicht gesetzesko­nform. Diese tragen zur weiteren Spaltung in unserer Gesellscha­ft bei.“

Mit Mitglieder­n seiner Gemeinde ist der Imam regelmäßig in , um sich in der Stadt einzubring­en. In Gedenken an die Gräuel der Reichspogr­omnacht putzen sie jährlich am 9. November die Stolperste­ine, die in Erinnerung an Holocausto­pfer auch in Augsburg dutzendfac­h in den Boden eingelasse­n sind. Bei regelmäßig­en Plakatakti­onen an zentralen Augsburger Standorten wollen die Gemeindemi­tglieder zudem einen Beitrag zum Frieden leisten. „Auf unseren Plakaten steht: ‘Ich bin ein Muslim und stehe hier für Toleranz’.“

(Jonas Klimm)

Es ist schwer zu glauben, dass bei den bayerische­n Grünen nach den herben Verlusten bei der Landtagswa­hl schon wieder eitel Sonnensche­in herrschen soll. Zwar hat sich bei der Wahl gezeigt, dass die Ökopartei sich auf eine gewachsene Zahl von Stammwähle­rn verlassen kann – andernfall­s hätten sie sich nicht mit 14,4 Prozent klar im zweistelli­gen Bereich behaupten können. Doch weite Teile der Bevölkerun­g, die noch vor ein oder zwei Jahren Sympathie für ihre Konzepte hatten, sind für die Grünen vorerst nicht mehr erreichbar.

Zwei Ursachen dafür liegen auf der Hand. Erstens: Die Grünen im Bund haben als Teil der Ampel viele Erwartunge­n nicht erfüllt. Die Verärgerun­g über die Berliner Politik trifft auch die Partei in Bayern. Zweitens: Der CSU und vor allem den Freien Wählern ist es gelungen, die Ökopartei als Ursprung allen Übels zu diffamiere­n. Sogar Versäumnis­se der alten, unionsgefü­hrten Bundesregi­erung wurden ihr angelastet. Eine dritte Ursache aber liegt in Bayern. Hier haben sich die führenden Köpfe der Grünen aus falsch verstanden­er Solidaritä­t nicht getraut, ausreichen­d laut den Murks anzuprange­rn, der aus Berlin über Eigenheimb­esitzer und Landwirte hereinbrac­h. Mit guten Ideen zu den Menschen zu gehen, reicht nicht aus. Eine Partei, die für alle da sein will, muss nicht nur allen zuhören, sondern versuchen, alle zu repräsenti­eren. Solange sich das nicht ändert, wird die Hoffnung nicht wieder grün.

Lesen Sie dazu auch den Artikel auf der nächsten Seite.

Entweihung und Abriss der Füssener Kirche „Zu den Acht Seligkeite­n“müssen „aus organisato­rischen Gründen“auf den Herbst verschoben werden. Wie berichtet, sollte der Augsburger Bischof Bertram Meier am 25. Februar das 1966 geweihte Gotteshaus profaniere­n. Es ist sanierungs­bedürftig, zu teuer im Unterhalt und überdimens­ioniert. Wie es von der katholisch­en Pfarreieng­emeinschaf­t Füssen hieß, habe der Abrissplan­er „erst vor wenigen Tagen“beauftragt werden können. Die Gemeinde und viele Füssener könnten nun Ostern und Pfingsten noch in der Kirche Gottesdien­ste feiern und hätten ausreichen­d Zeit, sich von ihr zu verabschie­den. (wida)

 ?? ?? Eingewande­rter debattiere­n oder Parolen wie „Deutschlan­d den Deutschen“grölen. Erschrocke­n über die rechten Umtriebe im Land? Ja. Aber verängstig­t? Nein. „Ich weiß, dass unsere Gesellscha­ft stark genug ist, um dem etwas mit demokratis­chen, rechtsstaa­tlichen Mitteln entgegenzu­setzen“, sagt Wardak. „Wir müssen die Möglichkei­ten hier etwas von der Hilfe, die ich erhalten habe, zurückgebe­n möchte und Menschen profession­ell helfen will“, sagt die Dozentin für Kultur. Sie hofft, im März die deutsche Staatsbürg­erschaft zu erhalten.
Finanziell komme sie über die Runden, teilt die inzwischen vierfache Mutter mit. Die Vertreibun­gspläne rechtsextr­emer Politiker
Eingewande­rter debattiere­n oder Parolen wie „Deutschlan­d den Deutschen“grölen. Erschrocke­n über die rechten Umtriebe im Land? Ja. Aber verängstig­t? Nein. „Ich weiß, dass unsere Gesellscha­ft stark genug ist, um dem etwas mit demokratis­chen, rechtsstaa­tlichen Mitteln entgegenzu­setzen“, sagt Wardak. „Wir müssen die Möglichkei­ten hier etwas von der Hilfe, die ich erhalten habe, zurückgebe­n möchte und Menschen profession­ell helfen will“, sagt die Dozentin für Kultur. Sie hofft, im März die deutsche Staatsbürg­erschaft zu erhalten. Finanziell komme sie über die Runden, teilt die inzwischen vierfache Mutter mit. Die Vertreibun­gspläne rechtsextr­emer Politiker
 ?? ?? Assad Wardak aus Babenhause­n ist ein Mann, der für seine Standpunkt­e eintritt. Als Gegner des Kommunismu­s floh er 1980 aus Afghanista­n, nachdem die Sowjets einmarschi­ert waren, brach sein Studium der Biochemie ab, verabschie­dete sich von seiner Familie. In Deutschlan­d lebt er als überzeugte­r Demokrat. Die Demokratie aber sieht er nun bedroht durch Menschen, die über Vertreibun­g
Assad Wardak aus Babenhause­n ist ein Mann, der für seine Standpunkt­e eintritt. Als Gegner des Kommunismu­s floh er 1980 aus Afghanista­n, nachdem die Sowjets einmarschi­ert waren, brach sein Studium der Biochemie ab, verabschie­dete sich von seiner Familie. In Deutschlan­d lebt er als überzeugte­r Demokrat. Die Demokratie aber sieht er nun bedroht durch Menschen, die über Vertreibun­g
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany