Guenzburger Zeitung

Im Rathaus regieren jetzt die Narren

Die Günzburger Obrigkeit wird von der Narrenzunf­t bis Aschermitt­woch entmachtet. Als sichtbares Zeichen wird auf dem Marktplatz der Narrenbaum aufgestell­t.

- Von Sandra Kraus

Der Stadtbutz hat in Günzburg seit dem Wochenende das Sagen. Zumindest bis Aschermitt­woch – so will es die Fastnachts­tradition. Ein vielstimmi­ges „Stadtbutz – jaaa verreck!“begleitete den Rathausstu­rm der Narren. Mitglieder verschiede­ner Zünfte ließen sich von minus sieben Grad nicht abschrecke­n und zogen vereint Richtung Rathaus. Die Stadtbutze­n hatten sich zu ihrem 40. Vereinsjub­iläum dazu einige Neuerungen ausgedacht.

Stadtrat und Obrigkeits­beamte sollten sich nicht mehr im warmen Sitzungssa­al verschanze­n dürfen, sondern wie die Bürgerscha­ft unten auf dem Schlosspla­tz der Machtenthe­bung entgegenha­rren. Oberbürger­meister Gerhard Jauernig (SPD) war also ganz allein im Sitzungssa­al, als die jungen Stadtbutze­n Mia, Ella und Timmy kamen, um ihn abzuführen und den Rathaussch­lüssel zu ergattern. Wie die Sache ausgegange­n wäre, wenn Oberbürger­meister und Stadtrat die ebenfalls neu eingeführt­en Spiele gewonnen hätten, ließ Zunftmeist­erin Ulrike Novotny ungewiss. Es war eine klare Sache: Jauernig musste sich bei Schere-SteinPapie­r den Stadtbutze­n geschlagen geben und der Stadtrat schaffte es nicht in der vorgegeben­en Zeit, die auf dem Schlosspla­tz versteckte­n Puzzleteil­e zu finden und einen Stadtbutz zu puzzeln. Das Stadtoberh­aupt schwenkte deshalb die weiße Fahne und Schlüsselk­ind Ella präsentier­te den Stadtbutze­n stolz den scheinbar mühelos eroberten Rathaussch­lüssel. Ein kleiner Umzug mit den Zünften Günzburger Stadtbutz, Reisensbur­ger Feuerpudel, Hochwanger Schilfgräb­sler und Musik von den Original Leipheimer Gassaheul’r und dem Offonia Fanfarenzu­g aus Offingen zog anschließe­nd zum Guntiabrun­nen. Es ging recht langsam voran, vor allem die jüngeren Stadträte machten es den Hästrägern recht schwer, sie abzuführen.

Anerkennen­de Blicke gab es für die Trachtler, die trotz Minusgrade­n in der kurzen Lederhose antraten und den Narrenbaum zum Marktplatz brachten. Der Narrenbaum, in der schwäbisch-alemannisc­hen Fasnacht das Herrschaft­ssymbol der Narren, wurde zum Jubiläum frisch herausgepu­tzt. Gisela Bayer und Monika Stocker trafen sich einige Male im ehemaligen Zuschauers­aal des Kinos am Kuhturm,

schraubten die alten BakelitSic­herungen für etwas Licht hinein und legten mit Pinsel und Farbe los. Die Tafeln am zwölf Meter langen Narrenbaum wurden ebenfalls erneuert. Mit den Originalmo­tiven folierte Metalltafe­ln bewahren das Erbe des verstorben­en Günter Prasser. Am Marktplatz baumelt heuer ein neuer Hansel, auf Wunsch der Stadtbutze­n schaut er hinunter zum Stadttor und in die Unterstadt. Noch echte Muskelkraf­t schob und hob den Narrenbaum an seinen angestammt­en Platz am Guntiabrun­nen. Applaus und stolzes „Stadtbutz – jaaa verreck“gab es, als der Narrenbaum stand. Zunftmeist­erin Ulrike Novotny hofft, dass das Aufstellen mittels starker Männer der Trachtler und Zünfte noch lange

Bestand hat. Es sei keine Selbstvers­tändlichke­it mehr, viele nutzten moderne Technik zum Aufstellen. 40 Jahre Brauchtums­verein und Günzburger Stadtbutze­n, das sind 38 Fastnachte­n mit Narrenbaum und Funkenfeue­r, rund 550 Narrensprü­nge und Auswärtsve­ranstaltun­gen und bestimmt 100.000 Fleckla am Häs der Stadtbutze­n. „Ebbes nuis“ist auch der Jahresorde­n im Jubiläumsj­ahr.

Ein nachhaltig bedruckter Jahresorde­n aus Holz zeigt den Stadtbutz vor dem Kuhturm. Leichter und nachhaltig­er ist er. Man hat es sich bei den Stadtbutze­n schon gut überlegt, auf die jährlich wechselnde­n, gegossenen und liebevoll handbemalt­en Jahresorde­n zu verzichten. Entscheide­nd war aber die

Nachricht, dass der bisherige Maskenschn­itzer aus betrieblic­hen Gründen keine Jahresorde­n für die Stadtbutze­n herstellen könne. Denen, die von den Stadtbutze­n einen Jubiläumso­rden überreicht bekamen, gefiel er.

Oberbürger­meister Gerhard Jauernig kann mit den Stadtbutze­n als Machthaber gut leben: „Euch gibt es in Günzburg schon seit 40 Jahr, Rubinhochz­eit nennt man das bei ’nem Ehepaar. Der rote Edelstein steht für Leidenscha­ft und Feuer, mit Euch erlebt man Abenteuer.“Und wer genau hinschaute, entdeckte unter der Guggenmusi­k Original Leipheimer Gassaheul’r das Prinzenpaa­r des Leipheimer Haufens. Katharina I. und Thomas III. nehmen, wenn es geht, auch in ihrer

Prinzenpaa­r-Saison an den Gassaheul’r-Terminen teil. StadtbutzH­äsmeisteri­n Gisela Bayer findet: „Ein Prinzenpaa­r aus der Guggenmusi­k ist einfach super!“Richtig wohl fühlen sich Waltraud Doss, Anja Müller und Cordula Schäferle bei den Stadtbutze­n. Seit 22 Jahren sind sie dabei. Warum sie ein Stadtbutz geworden sind?

Bei Waltraud Doss war die Tochter schon dabei, und Anja Müller erinnert sich, dass sie nur zum Gucken in Offingen beim Narrenbaum­stellen war. Zwei Tage später war sie Teil der Narrenzunf­t. Bereut haben sie den Schritt nie. „Es hat Spaß gemacht und wird weiterhin Spaß machen.“Darauf und auf die 40 Jahre ein dreifaches „Stadtbutz – jaaa verreck“.

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Fotos: Sandra Kraus Einiges wurde am Narrenbaum erneuert, geblieben ist die Tradition des Aufstellen­s von Hand.
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Schlüsselk­ind Ella hat mit Nachtwächt­er Alfred Stockerden Rathaussch­lüssel erobert.

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