Im Rathaus regieren jetzt die Narren
Die Günzburger Obrigkeit wird von der Narrenzunft bis Aschermittwoch entmachtet. Als sichtbares Zeichen wird auf dem Marktplatz der Narrenbaum aufgestellt.
Der Stadtbutz hat in Günzburg seit dem Wochenende das Sagen. Zumindest bis Aschermittwoch – so will es die Fastnachtstradition. Ein vielstimmiges „Stadtbutz – jaaa verreck!“begleitete den Rathaussturm der Narren. Mitglieder verschiedener Zünfte ließen sich von minus sieben Grad nicht abschrecken und zogen vereint Richtung Rathaus. Die Stadtbutzen hatten sich zu ihrem 40. Vereinsjubiläum dazu einige Neuerungen ausgedacht.
Stadtrat und Obrigkeitsbeamte sollten sich nicht mehr im warmen Sitzungssaal verschanzen dürfen, sondern wie die Bürgerschaft unten auf dem Schlossplatz der Machtenthebung entgegenharren. Oberbürgermeister Gerhard Jauernig (SPD) war also ganz allein im Sitzungssaal, als die jungen Stadtbutzen Mia, Ella und Timmy kamen, um ihn abzuführen und den Rathausschlüssel zu ergattern. Wie die Sache ausgegangen wäre, wenn Oberbürgermeister und Stadtrat die ebenfalls neu eingeführten Spiele gewonnen hätten, ließ Zunftmeisterin Ulrike Novotny ungewiss. Es war eine klare Sache: Jauernig musste sich bei Schere-SteinPapier den Stadtbutzen geschlagen geben und der Stadtrat schaffte es nicht in der vorgegebenen Zeit, die auf dem Schlossplatz versteckten Puzzleteile zu finden und einen Stadtbutz zu puzzeln. Das Stadtoberhaupt schwenkte deshalb die weiße Fahne und Schlüsselkind Ella präsentierte den Stadtbutzen stolz den scheinbar mühelos eroberten Rathausschlüssel. Ein kleiner Umzug mit den Zünften Günzburger Stadtbutz, Reisensburger Feuerpudel, Hochwanger Schilfgräbsler und Musik von den Original Leipheimer Gassaheul’r und dem Offonia Fanfarenzug aus Offingen zog anschließend zum Guntiabrunnen. Es ging recht langsam voran, vor allem die jüngeren Stadträte machten es den Hästrägern recht schwer, sie abzuführen.
Anerkennende Blicke gab es für die Trachtler, die trotz Minusgraden in der kurzen Lederhose antraten und den Narrenbaum zum Marktplatz brachten. Der Narrenbaum, in der schwäbisch-alemannischen Fasnacht das Herrschaftssymbol der Narren, wurde zum Jubiläum frisch herausgeputzt. Gisela Bayer und Monika Stocker trafen sich einige Male im ehemaligen Zuschauersaal des Kinos am Kuhturm,
schraubten die alten BakelitSicherungen für etwas Licht hinein und legten mit Pinsel und Farbe los. Die Tafeln am zwölf Meter langen Narrenbaum wurden ebenfalls erneuert. Mit den Originalmotiven folierte Metalltafeln bewahren das Erbe des verstorbenen Günter Prasser. Am Marktplatz baumelt heuer ein neuer Hansel, auf Wunsch der Stadtbutzen schaut er hinunter zum Stadttor und in die Unterstadt. Noch echte Muskelkraft schob und hob den Narrenbaum an seinen angestammten Platz am Guntiabrunnen. Applaus und stolzes „Stadtbutz – jaaa verreck“gab es, als der Narrenbaum stand. Zunftmeisterin Ulrike Novotny hofft, dass das Aufstellen mittels starker Männer der Trachtler und Zünfte noch lange
Bestand hat. Es sei keine Selbstverständlichkeit mehr, viele nutzten moderne Technik zum Aufstellen. 40 Jahre Brauchtumsverein und Günzburger Stadtbutzen, das sind 38 Fastnachten mit Narrenbaum und Funkenfeuer, rund 550 Narrensprünge und Auswärtsveranstaltungen und bestimmt 100.000 Fleckla am Häs der Stadtbutzen. „Ebbes nuis“ist auch der Jahresorden im Jubiläumsjahr.
Ein nachhaltig bedruckter Jahresorden aus Holz zeigt den Stadtbutz vor dem Kuhturm. Leichter und nachhaltiger ist er. Man hat es sich bei den Stadtbutzen schon gut überlegt, auf die jährlich wechselnden, gegossenen und liebevoll handbemalten Jahresorden zu verzichten. Entscheidend war aber die
Nachricht, dass der bisherige Maskenschnitzer aus betrieblichen Gründen keine Jahresorden für die Stadtbutzen herstellen könne. Denen, die von den Stadtbutzen einen Jubiläumsorden überreicht bekamen, gefiel er.
Oberbürgermeister Gerhard Jauernig kann mit den Stadtbutzen als Machthaber gut leben: „Euch gibt es in Günzburg schon seit 40 Jahr, Rubinhochzeit nennt man das bei ’nem Ehepaar. Der rote Edelstein steht für Leidenschaft und Feuer, mit Euch erlebt man Abenteuer.“Und wer genau hinschaute, entdeckte unter der Guggenmusik Original Leipheimer Gassaheul’r das Prinzenpaar des Leipheimer Haufens. Katharina I. und Thomas III. nehmen, wenn es geht, auch in ihrer
Prinzenpaar-Saison an den Gassaheul’r-Terminen teil. StadtbutzHäsmeisterin Gisela Bayer findet: „Ein Prinzenpaar aus der Guggenmusik ist einfach super!“Richtig wohl fühlen sich Waltraud Doss, Anja Müller und Cordula Schäferle bei den Stadtbutzen. Seit 22 Jahren sind sie dabei. Warum sie ein Stadtbutz geworden sind?
Bei Waltraud Doss war die Tochter schon dabei, und Anja Müller erinnert sich, dass sie nur zum Gucken in Offingen beim Narrenbaumstellen war. Zwei Tage später war sie Teil der Narrenzunft. Bereut haben sie den Schritt nie. „Es hat Spaß gemacht und wird weiterhin Spaß machen.“Darauf und auf die 40 Jahre ein dreifaches „Stadtbutz – jaaa verreck“.