Arge will Baustoff der Zukunft vorantreiben
Bauen und Klimaschutz muss kein Widerspruch sein. Die Arge Donaumoos weiß, wie aus Sumpfgräsern Trockenbauplatten werden. Doch gibt es dafür auch einen Markt?
Extreme Wetterereignisse, Überschwemmungen, Hitzewellen oder Waldbrände – der Klimawandel ist längst zur bitteren Realität geworden. Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, muss auch der Bausektor die Emission von Treibhausgasen drastisch reduzieren. Eine vielversprechende Option wächst in wiedervernässten Mooren, wie auf einer Pilotfläche nördlich von Günzburg. Aus Sumpfgräsern können Trockenbauplatten gewonnen werden, die das Potenzial haben, die Bauindustrie nachhaltig zu revolutionieren. Die Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos (Arge) möchte den Weg für einen nachhaltigen Baustoff der Zukunft mithilfe eines Kompetenzzentrums ebnen.
Moore galten lange Zeit als nutzloses Ödland. Für den Biologen Ulrich Mäck von der Arge ist genau das Gegenteil der Fall. Für ihn ist das Moor ein großer Klimaschützer. Für bayerische Landwirte gibt es inzwischen dank des Moorbauernprogramms Förderungen, wenn sie Moorflächen wieder vernässen. Das war früher anders. Viele Moore wurden trockengelegt, um die Flächen landwirtschaftlich besser nutzen zu können. Inzwischen weiß man, dass wiedervernässte Moorböden gigantische Kohlenstoffspeicher sind. Sind Moorflächen einmal wiedervernässt, ändert sich auch deren Bewirtschaftung. Ackerflächen verschwinden von der Bildfläche. Stattdessen sprießen Paludikulturen, Rohrglanzgras und Rohrkolben in die Höhe, die sich im wassergetränkten Boden wohlfühlen. „Landwirte wollen immer auch etwas produzieren, das sie am Ende verkaufen können“, sagt Mäck. Doch haben Paludikulturen das Potenzial, auch in wirtschaftlicher Hinsicht ertragreich zu sein? Ulrich Mäck und Anja Schumann, Zweite Vorsitzende der Arge Donaumoos, hegen daran keinen Zweifel. „Insgesamt zeigt die Nutzung von Paludikulturen ein erhebliches Potenzial, unsere Bauindustrie nachhaltiger zu gestalten“, sagt Schumann. In Deutschland werden jedes Jahr rund 250 Millionen Quadratmeter Gipskartonplatten produziert, wodurch Unmengen CO2 in die Luft gehen. Mit aus Sumpfgräsern gewonnenen Bauplatten ließe sich der Innenausbau von Gebäuden anstelle herkömmlicher Gipskartonplatten ökologischer gestalten.
Mit den richtigen Wasserständen wird die Emission von Treibhausgasen reduziert, und dadurch sind Einsparungen von bis zu 40 Tonnen CO2-Äquivalenten pro
Hektar und Jahr möglich. Die Sumpfpflanzen speichern zusätzlich Kohlenstoff in ihren Wurzeln und Blättern, wodurch eine Gesamteinsparung von über 50 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr erreicht werden kann. Erntet man die Pflanzen und verarbeitet sie zu gepressten Paludiplatten, habe man nicht nur eine Reduktion der Ausgasung, sondern einen auf Jahrzehnten gebundenen Kohlenstoff in Gebäuden.
Paludikulturen gelten darüber hinaus als effizient. Rohrglanzgras etwa kann bis zu 2,5 Meter lang werden und ergibt eine enorme Grünmasse. Verglichen mit Holz und damit, wie lange ein Baum wächst, habe man nachhaltigeren Ertrag. Rund zehn Tonnen Trockenmasse können pro Jahr von einem Hektar Land gewonnen werden. Das könne sich sehen lassen, meint Mäck. Aus Versuchsflächen habe man inzwischen die Kenntnis erlangt, dass auch schwere Traktoren auf den Sumpfflächen nicht stecken bleiben. Rohrglanzgras bildet so einen dichten Wurzelpilz, dass die Wurzelmasse die Fahrzeuge trägt. Für das Abernten brauche man nicht unbedingt teure Spezialmaschinen. Das Erntegut sehe aus wie Heu und könne im Sommer auch wie Heu gepresst werden. In Produktionsstraßen ließe sich das Material dann zu Baustoffplatten verarbeiten. Was jetzt noch fehlt, sei die Nachfrage, betont Mäck. Mit der Gründung eines Kompetenzzentrums will die Arge Donaumoos einen Impuls für den praktischen Moorschutz schaffen.
Dort könnten sich Landwirte ebenso wie Architekten, Bauherren und produzierendes Gewerbe miteinander vernetzen und Praxisbeispiele begutachten. Beispiel wäre hier eine Pilotanlage für die Herstellung von Bauplatten aus Paludikulturen. Eine solche Anlage sei rentabel, rund 200.000 Euro kalkuliert Schumann sowie 5000 Euro Unterhaltskosten pro Monat.
Der Markt sei auf jeden Fall da, sagt Stefan Wiedemann, Geschäftsführer des Bauunternehmens Bendl in Günzburg und Mitglied im Stiftungsrat der Arge Donaumoos. Die Firma Bendl habe bereits einen ersten Innenausbau mit sehr ähnlichen Strohbauplatten getestet. Auch in der Verarbeitung oder bei Renovierungen seien sie für den Trockenbau gut geeignet. Anfangs könnten die Platten zwar noch teurer sein. Versähe man beim Hausbau Innenwände mit Paludiplatten, würde man auf Mehrkosten kommen, so Wiedemann, die gemessen an den Gesamtkosten überschaubar sein dürften. Zudem werde der Preisunterschied zu herkömmlichen Gipsplatten kippen. Die CO2-Bepreisung sorgt bei Gipsplatten für eine Teuerung, bei steigenden Produktionsmengen werden Paludiplatten günstiger. Der Weg in eine nachhaltige Zukunft könnte sich durch diese Innovation als vielversprechend erweisen.