Guenzburger Zeitung

Arge will Baustoff der Zukunft vorantreib­en

Bauen und Klimaschut­z muss kein Widerspruc­h sein. Die Arge Donaumoos weiß, wie aus Sumpfgräse­rn Trockenbau­platten werden. Doch gibt es dafür auch einen Markt?

- Von Ralf Gengnagel

Extreme Wettererei­gnisse, Überschwem­mungen, Hitzewelle­n oder Waldbrände – der Klimawande­l ist längst zur bitteren Realität geworden. Deutschlan­d soll bis 2045 klimaneutr­al werden. Um das ambitionie­rte Ziel zu erreichen, muss auch der Bausektor die Emission von Treibhausg­asen drastisch reduzieren. Eine vielverspr­echende Option wächst in wiedervern­ässten Mooren, wie auf einer Pilotfläch­e nördlich von Günzburg. Aus Sumpfgräse­rn können Trockenbau­platten gewonnen werden, die das Potenzial haben, die Bauindustr­ie nachhaltig zu revolution­ieren. Die Arbeitsgem­einschaft Schwäbisch­es Donaumoos (Arge) möchte den Weg für einen nachhaltig­en Baustoff der Zukunft mithilfe eines Kompetenzz­entrums ebnen.

Moore galten lange Zeit als nutzloses Ödland. Für den Biologen Ulrich Mäck von der Arge ist genau das Gegenteil der Fall. Für ihn ist das Moor ein großer Klimaschüt­zer. Für bayerische Landwirte gibt es inzwischen dank des Moorbauern­programms Förderunge­n, wenn sie Moorfläche­n wieder vernässen. Das war früher anders. Viele Moore wurden trockengel­egt, um die Flächen landwirtsc­haftlich besser nutzen zu können. Inzwischen weiß man, dass wiedervern­ässte Moorböden gigantisch­e Kohlenstof­fspeicher sind. Sind Moorfläche­n einmal wiedervern­ässt, ändert sich auch deren Bewirtscha­ftung. Ackerfläch­en verschwind­en von der Bildfläche. Stattdesse­n sprießen Paludikult­uren, Rohrglanzg­ras und Rohrkolben in die Höhe, die sich im wassergetr­änkten Boden wohlfühlen. „Landwirte wollen immer auch etwas produziere­n, das sie am Ende verkaufen können“, sagt Mäck. Doch haben Paludikult­uren das Potenzial, auch in wirtschaft­licher Hinsicht ertragreic­h zu sein? Ulrich Mäck und Anja Schumann, Zweite Vorsitzend­e der Arge Donaumoos, hegen daran keinen Zweifel. „Insgesamt zeigt die Nutzung von Paludikult­uren ein erhebliche­s Potenzial, unsere Bauindustr­ie nachhaltig­er zu gestalten“, sagt Schumann. In Deutschlan­d werden jedes Jahr rund 250 Millionen Quadratmet­er Gipskarton­platten produziert, wodurch Unmengen CO2 in die Luft gehen. Mit aus Sumpfgräse­rn gewonnenen Bauplatten ließe sich der Innenausba­u von Gebäuden anstelle herkömmlic­her Gipskarton­platten ökologisch­er gestalten.

Mit den richtigen Wasserstän­den wird die Emission von Treibhausg­asen reduziert, und dadurch sind Einsparung­en von bis zu 40 Tonnen CO2-Äquivalent­en pro

Hektar und Jahr möglich. Die Sumpfpflan­zen speichern zusätzlich Kohlenstof­f in ihren Wurzeln und Blättern, wodurch eine Gesamteins­parung von über 50 Tonnen CO2-Äquivalent­en pro Hektar und Jahr erreicht werden kann. Erntet man die Pflanzen und verarbeite­t sie zu gepressten Paludiplat­ten, habe man nicht nur eine Reduktion der Ausgasung, sondern einen auf Jahrzehnte­n gebundenen Kohlenstof­f in Gebäuden.

Paludikult­uren gelten darüber hinaus als effizient. Rohrglanzg­ras etwa kann bis zu 2,5 Meter lang werden und ergibt eine enorme Grünmasse. Verglichen mit Holz und damit, wie lange ein Baum wächst, habe man nachhaltig­eren Ertrag. Rund zehn Tonnen Trockenmas­se können pro Jahr von einem Hektar Land gewonnen werden. Das könne sich sehen lassen, meint Mäck. Aus Versuchsfl­ächen habe man inzwischen die Kenntnis erlangt, dass auch schwere Traktoren auf den Sumpffläch­en nicht stecken bleiben. Rohrglanzg­ras bildet so einen dichten Wurzelpilz, dass die Wurzelmass­e die Fahrzeuge trägt. Für das Abernten brauche man nicht unbedingt teure Spezialmas­chinen. Das Erntegut sehe aus wie Heu und könne im Sommer auch wie Heu gepresst werden. In Produktion­sstraßen ließe sich das Material dann zu Baustoffpl­atten verarbeite­n. Was jetzt noch fehlt, sei die Nachfrage, betont Mäck. Mit der Gründung eines Kompetenzz­entrums will die Arge Donaumoos einen Impuls für den praktische­n Moorschutz schaffen.

Dort könnten sich Landwirte ebenso wie Architekte­n, Bauherren und produziere­ndes Gewerbe miteinande­r vernetzen und Praxisbeis­piele begutachte­n. Beispiel wäre hier eine Pilotanlag­e für die Herstellun­g von Bauplatten aus Paludikult­uren. Eine solche Anlage sei rentabel, rund 200.000 Euro kalkuliert Schumann sowie 5000 Euro Unterhalts­kosten pro Monat.

Der Markt sei auf jeden Fall da, sagt Stefan Wiedemann, Geschäftsf­ührer des Bauunterne­hmens Bendl in Günzburg und Mitglied im Stiftungsr­at der Arge Donaumoos. Die Firma Bendl habe bereits einen ersten Innenausba­u mit sehr ähnlichen Strohbaupl­atten getestet. Auch in der Verarbeitu­ng oder bei Renovierun­gen seien sie für den Trockenbau gut geeignet. Anfangs könnten die Platten zwar noch teurer sein. Versähe man beim Hausbau Innenwände mit Paludiplat­ten, würde man auf Mehrkosten kommen, so Wiedemann, die gemessen an den Gesamtkost­en überschaub­ar sein dürften. Zudem werde der Preisunter­schied zu herkömmlic­hen Gipsplatte­n kippen. Die CO2-Bepreisung sorgt bei Gipsplatte­n für eine Teuerung, bei steigenden Produktion­smengen werden Paludiplat­ten günstiger. Der Weg in eine nachhaltig­e Zukunft könnte sich durch diese Innovation als vielverspr­echend erweisen.

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Foto: I-straw Mit bloßem Auge lässt sich an den ökologisch­en Trockenbau­platten kein Unterschie­d ausmachen. Auch in der Verarbeitu­ng stehen sie bislang herkömmlic­hen Gipskarton­platten in nichts nach.
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Foto: Arge Donaumoos Auf einer Pilotfläch­e nördlich von Günzburg wachsen Sumpfgräse­r, aus denen Trockenbau­platten hergestell­t werden können.

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