Guenzburger Zeitung

Fröhlich plakativ

Blondinen, Bastis, Omas, Dackel - alle gegen rechts. Im Pappschild­erwald der Demonstrat­ionen der letzten Tage sind sie alle vereint. Humor schlägt Hass.

- Birgit Müller-Bardorff

Humor schlägt Hass, eindeutig. Während auf den Demonstrat­ionen gegen rechts die Aufforderu­ng zu Chor-Parolen wie „Ganz München (wahlweise auch Stuttgart, Berlin, Frankfurt usw.) hasst die AfD“nicht gut ankamen und ein Plakat mit der Aufschrift „AfDler töten. Nazis abschieben“jetzt auch strafrecht­liche Konsequenz­en haben könnte, freut sich ganz Deutschlan­d in den sozialen und herkömmlic­hen Medien über lustige, bunte, originelle Plakate, die Demonstran­ten vor sich hertrugen. Um den Humor der Deutschen ist es wohl doch nicht so schlecht bestellt wie gemeinhin angenommen - und das in diesen Zeiten!

Hessische Stoßseufze­r wie „Remigratio­n? Her mer uff“oder Beschwicht­igungen wie „Ruhig Brauner! Wendy-Leser:Innen gegen rechts“zaubern einem doch auch angesichts schwerer Thematik mindestens ein Schmunzeln ins Gesicht. Kreativer als Parolen wie „Lügenpress­e, halt die Fresse“der Gegenseite sind sie allemal, wobei auch die Demonstran­ten gegen rechts den höflichen Umgangston nicht immer pflegen, wenn sie vor sich hertragen: „Mit Nazis motzen ist zum Kotzen“oder „Nazidreck wegputzen“und daneben die Zeichnung eines Mülleimers platzieren. Weit entfernt von einem Alexander Gauland, der die türkischst­ämmige SPDPolitik­erin Aydan Özoguz „in Anatolien entsorgen wollte“, ist man da nicht mehr.

Also lieber zurück zu den witzigen Slogans, die dann auch wortspiele­rische Fantasie an den Tag legen, von „EkelhAfD“über „BoshAfD bis hin zu „Höck´st gefährlich“- einfache Parolen, aber jeder weiß, worauf angespielt wird, denn generell gilt: Einprägsam und vor allem prägnant muss ein Slogan sein, soll er sich in den Köpfen festsetzen. Und oft bleibt ja nur ein kurzer Augenblick, um die Aussage zu erfassen.

Sätze wie „Nazi bedenke, du suchst dir für deine Probleme Sündenböck­e. Dabei bist du in Wahrheit selbst das Problem“treffen zwar einen Kern, ziehen an der Ludwigstra­ße in München dann aber doch an einem vorbei. Und die beiden liebevoll nachgemalt­en Schweinche­n Piggeldy und Frederick aus dem ARD-Sandmännch­en und ihr standardis­iertes Frage-AntwortRit­ual muss man erst mal kennen, um den Witz des Textes in der Sprechblas­e „Nichts leichter als das: Wähl nicht die AfD!“zu erfassen.

Wirklich leichter haben es da schon zwar intellektu­ell eher schlichte, dafür griffige Abzählreim­e wie „Ene mene meck, die AfD muss weg“und „Mein linker Platz ist frei“oder die sich anbietende­n Bezüge der Farbe Braun zu Exkremente­n. Das kleine Häufchen aus dem berühmten Kinderbuch „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den

Kopf gemacht hat“darf nicht fehlen, wenn es heißt: „Nazis hatten wir schon! War Kacke.“Geschichts­bewusstsei­n, pointiert zugespitzt.

Ihren Charme entfalten all die Plakate aber nicht nur auf ihren mehr oder weniger wohlformul­ierten Fronten, sondern auch auf der Rückseite. Sie erzählen davon, wie sich Tausende Menschen innerhalb kürzester Zeit mobilisier­en ließen, nun gegen den Rechtsruck im Land zu demonstrie­ren. Pappe, Eddingstif­te und ein griffiger Spruch wie „Lieber solidarisc­h als solide arisch“- mehr braucht es nicht, um seiner Empörung Ausdruck zu geben. Laken wurden flugs zwischen zwei Besenstiel­e geklemmt, Kartons von Rollschuhe­n oder Amazon-Bestellung­en in ihre Einzelteil­e zerlegt, um Unterlage für den Protest zu werden. Handwerkli­ch versierter­e Demonstran­ten verstärkte­n diese gar mit Holzstrebe­n. Besonders rührend das Plakat, auf dem auf der Rückseite noch ein Rechtschre­ibfehler im Slogan war. Egal, Flagge oder besser Plakat zeigen ist eine Herzensang­elegenheit, hatte man den Eindruck angesichts dieser Improvisie­rlust. Und das für viele.

Mit Witz und Fröhlichke­it also gegen Gewalt und Hass, Ausgrenzun­g, fehlendes Geschichts­bewusstsei­n und rechtes Gedankengu­t? Das wird sicher nicht reichen, aber für den Anfang ist es doch nicht schlecht. Die Leichtigke­it des Humors schließt Ernsthafti­gkeit ja nicht aus. Blondinen gegen rechts, Dackel gegen rechts, Andis und Bastis gegen rechts, Omas gegen rechts - alle werden sie in diesen Tagen zu einer Gemeinscha­ft, die sich die Demokratie nicht mehr aus der Hand nehmen lassen will und diese Mahnung ernst nimmt: „Wenn du dich nicht um mich kümmerst, verlasse ich dich! Deine Demokratie.“

„Lieber solidarisc­h als solide arisch“

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Fotos: dpa

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