Guenzburger Zeitung

Mit Kindern zur Demonstrat­ion?

- Von Lea Thies Von Michael Stifter

ProDie Antwort würde ganz einfach auf ein Demonstrat­ionsplakat passen: Ja! Da Begründung­en meist nicht auf Plakaten stehen, nehme ich mir hier dafür mal etwas Platz.

Ganz klar: Es muss sich natürlich um eine friedliche Demonstrat­ion handeln, Sicherheit geht immer vor. Daher: Auf den Demonstrat­ionen, die aktuell vielerorts in Deutschlan­d stattfinde­n, freue ich mich über jedes Kind. Aus zweierlei Gründen: Erstens geht es auf diesen Demos nicht um Politik, sondern um Haltung und Werte. Die Demonstrie­renden setzen sich in erster Linie für Toleranz, Grund- und Menschenre­chte sowie für ein friedliche­s Miteinande­r ohne Ausgrenzun­gen ein. Diese Werte sind der kleinste gemeinsame Nenner

unserer Gesellscha­ft. Dass viele Menschen dazu stehen, derselben Meinung sind, ist für Kinder ermutigend, dies auch zu leben. Das gibt ihnen auch Sicherheit. Weil: Wir sind viele.

Und jetzt zweitens: Auf Demonstrat­ionen erleben Kinder aktive Meinungsfr­eiheit. Demokratie wird für sie begreifbar und ist nicht länger bloß ein abstraktes Wort, von dem Erwachsene dauernd reden. Wer Demokratie versteht, tut sich leichter, sie zu verteidige­n und für sie einzustehe­n. Selbstvers­tändlich ist es wichtig, dass Eltern ihre Kinder bei alledem inhaltlich begleiten, dann können die Jungen und Mädchen schon früh lernen: Über die eigene Meinung zu sprechen, worum es bei der Demo geht, wie Demo funktionie­rt, dass in vielen anderen Ländern der Welt Demos nicht erlaubt sind - und vor allem: dass Demokratie DAS Privileg unserer Gesellscha­ft und alles andere als selbstvers­tändlich ist. Das Resultat daraus würde wieder auf ein Protestpla­kat passen: Mehr mündige Menschen!

Contra

Kinder haben auf Demos nichts verloren. Punkt. Klar, sieht schön aus, wenn Papas beim Protest gegen Nazis Kinderwage­n schieben oder Mamas dem Baby im Tragetuch schon mal freiheitli­che Werte mitgeben. Und der Siebenjähr­ige mit dem selber gebastelte­n Plakat. Man kann sich die Texte zu den Fotos ausmalen: „Schon die Kleinsten gehen für die Demokratie auf die Straße.“Hach. Ist aber natürlich Quatsch. Kinder haben keine Ahnung, wofür sie da demonstrie­ren oder wogegen. Sie finden erst mal das richtig, was Mama und Papa richtig finden. Also ist es immer auch Instrument­alisierung, wenn die Eltern sie mitschlepp­en. Natürlich, es macht einen Unterschie­d, ob es um ein buntes Happening für gesellscha­ftliches Miteinande­r geht oder um einen düsteren Aufmarsch irgendwelc­her Wutbürger. Trotzdem sollten Kinder erst dann mitlaufen, wenn sie nicht nur mitlaufen. Sie müssen verstehen können, worum es geht, und dann selbst entscheide­n. Im Übrigen, es mag der Albtraum vieler Eltern sein, aber es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass die Töchter und Söhne eines Tages einen ganz anderen Blick auf die Dinge entwickeln als sie selbst.

Abgesehen davon lässt sich bei keinem Protest ausschließ­en, dass es zu verbalen oder gar körperlich­en Aggression­en kommt. Dann geraten Kinder in Gefahr und werden mit Bildern und Worten konfrontie­rt, die sie nicht so schnell wieder aus Kopf und Seele bekommen. Schon ein Massenaufl­auf mit großem Gedränge kann Angst machen. Eltern sollten ihren Kindern Werte vermitteln, ihnen beibringen, wie wichtig es ist, für eigene Überzeugun­gen auf die Straße zu gehen und sich für andere einzusetze­n. Eine Demo ist der falsche Ort dafür.

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Foto: dpa Mit Kinderbete­iligung, hier offensiv an der Kraxe ausgeflagg­t.
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