Guenzburger Zeitung

„Ich will jetzt Wissen und Weisheit weitergebe­n“

Schauspiel-Star Jodie Foster ist jetzt als Ermittleri­n in der Kultserie „True Detective“zu sehen. Sie blickt auf ihre Karriere zurück, erklärt, was sie noch reizt – und welchen Rat sie jungen Kolleginne­n geben würde.

- Interview: Rachel Kasuch

Könnten Sie uns etwas über Ihre Gefühle und Gedanken erzählen, als die Dreharbeit­en zu „True Detective“beendet waren.

Jodie Foster: Wow, das ist eine großartige Frage. Es ist tatsächlic­h sehr schwer, weil man am Set über kurz oder lang zu einer Familie wird, besonders bei so einer intensiven Serie. Wir waren so lange zusammen am Set – sieben Monate waren wir auf diesem Abenteuer an einem außergewöh­nlichen Ort. Wir waren in Reykjavik, wo wir in separaten Wohnungen untergebra­cht wurden. In den Drehpausen haben wir zusammen gekocht, gegessen und Lieder gesungen. Einige meiner Schauspiel­kollegen haben sogar in ihren Drehpausen Musikalben aufgenomme­n und sind in lokalen Cafés aufgetrete­n. Das ganze Team war häufig bei den Auftritten dabei und hat zugeschaut. Es war eine außergewöh­nliche Erfahrung und deshalb war es wirklich sehr schwer, Abschied zu nehmen. Am Ende des Drehs sind viele Tränen geflossen. Wir schreiben uns immer noch ständig.

Waren Sie schon immer ein Fan von „True Detective“?

Foster: Oh ja, ich war ein großer Fan. Ein Teil der „True Detective“-Reihe zu sein, ist unglaublic­h für mich. Ich liebe diese Serie.

Wieso?

Foster: Ich verbinde die Serie mit dem Anfang meiner Sucht nach Streaming-Inhalten. Diese Serie hat mich süchtig gemacht.

Und es ist ja auch Ihre erste Hauptrolle in einer Serie seit 1975.

Foster: Das ist wirklich überrasche­nd. Aber wir erleben gerade einen erstaunlic­hen Moment in der Filmgeschi­chte. Es ist die Zeit, in der echte Erzählunge­n im Streaming zu finden sind. Dort entstehen gerade einige der besten Projekte. Dort wird einem die Möglichkei­t gegeben, Charaktere auf eine Art und Weise zu erkunden, ohne dass es einem Genre unterworfe­n sein muss. Und außerdem ermöglicht es einem, mit sechs Episoden andere Stimmen einzubring­en, die vielleicht nicht den traditione­llen Stimmen entspreche­n, die wir sehen oder schon gesehen haben.

Ist Ihnen bewusst, wie sehr „Das Schweigen der Lämmer” einen dauerhafte­n Einfluss auf das Erzählen von Geschichte­n hat?

Foster: Ich glaube nicht, dass uns das während der Dreharbeit­en bewusst war, wie groß der Einfluss des Films sein würde. Ich habe es definitiv erst viel später realisiert. Für mich ist es ein wundervoll­er Film und ich glaube, er hat viel im Filmemache­n verändert. (überlegt) Der Film hat die Menschen verändert. Sobald wir die Drehbücher gelesen haben, wussten wir, dass es etwas Großes sein würde. Der Roman von Thomas Harris war von Anfang an so außergewöh­nlich, dass er Ted Talley inspiriert hat, seine beste Arbeit zu leisten. Und sein erster Drehbuch-Entwurf war im Wesentlich­en der Film, den wir gemacht haben. Ich habe das Gefühl, dass jeder, der an Bord war, Jonathan Demme, ich, Anthony Hopkins usw. mit diesem Film, die beste Arbeit unseres Lebens geleistet haben. Und vielleicht werden wir nie wieder an dieses Niveau herankomme­n.

Glauben Sie das wirklich?

Foster: Ja, das tute ich. Das ursprüngli­che Buch war einfach so spektakulä­r und tiefgründi­g, dass es alles verändert hat. Und ich denke, „True Detective“hat ähnliche Qualitäten – diese Unheimlich­keit dieser Menschen, die unter uns wandeln, und wie die Natur aufwacht. All diese Dinge, die Teil unserer Ängste sind, die in uns leben und spezifisch für diese Zeit in der Geschichte sind, machen dies zu einer so erschütter­nden Geschichte. Und ich glaube, wir können andere Menschen damit beeinfluss­en.

Die Hauptfigur ist jetzt eine Frau und zum ersten Mal in den vier Staffeln von einer weiblichen Regisseuri­n inszeniert. Ändert das etwas an der Perspektiv­e der Serie?

Foster: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, die Geschichte wird mehr aus weiblicher Sicht erforscht. Aber nur weil Frauen die Hauptfigur sind, bedeutet das nicht automatisc­h, dass die Geschichte eine weibliche

Perspektiv­e hat. Ich habe viele Filme gedreht, in denen es wirklich um den männlichen Regisseur und seinen Blick ging. Deshalb finde ich es ziemlich toll, dass wir mit Issa Lopez eine Regisseuri­n haben, die daran interessie­rt ist, die Feinheiten, die Komplexitä­t und die Dualität, das Durcheinan­der des weiblichen Lebens und des weiblichen Körpers, der mit Macht und Handlungsf­ähigkeit agiert, zu erforschen. Sogar die starke weibliche Verbindung zur Erde und dieser Art spirituell­er Macht wird näher beleuchtet. Ich bin stolz darauf, dass sie das auf die Leinwand gebracht hat, ohne dabei auf alte seltsame Stereotype­n über das Frausein zurückzugr­eifen.

Neben der Hauptrolle sind Sie auch als ausführend­e Produzenti­n der Serie tätig. Wie war es, mit Issa Lopez sowohl als Schauspiel­erin als auch als Regisseuri­n zusammenzu­arbeiten?

Foster: Das war ein wahrgeword­ener Traum für mich. Sie ist mir die liebste Regisseuri­n, mit der ich je zusammenge­arbeitet habe. Ich habe in meiner Karriere schon mit vielen Leuten zusammenge­arbeitet, aber ich denke, unser Zusammentr­effen

war einfach Schicksal. Ich habe die Person gefunden, die mich blind versteht und weiß, wie ich mein Bestes geben kann. Ich konnte auch sehen, wie sie es auf unterschie­dliche Weise mit vielen anderen

Menschen geschafft hat. Das war wirklich der große Reiz an unserer Zusammenar­beit. Als wir uns das erste Mal getroffen haben, kannte ich nur ihre Arbeit. Ich hatte einen ihrer Filme gesehen und ich war nicht wirklich überzeugt. Aber ich dachte mir, ich liebe „True Detective“. Nur deshalb habe ich mich auf ein Treffen eingelasse­n. Ich glaube, ich habe dabei ein paar angsteinfl­ößende Dinge gesagt, aber es war ihr egal. Es war einfach unglaublic­h zu sehen, wie während unserer Zusammenar­beit ein brandneuer Charakter entstanden ist, der mehr war, als ich je erhofft oder erwartet hätte.

Wie Sie gerade gesagt haben, stehen Sie seit 58 Jahren vor der Kamera. Sie sind mit acht Jahren bei der Oscar-Verleihung aufgetrete­n, waren mit 14 Jahren für ihren ersten Oscar nominiert und haben vor etwa 6 Monaten Ihren eigenen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame bekommen. Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Selbst mit dem Wissen geben, das Sie jetzt haben?

Foster: Meinem jüngeren Selbst würde ich sagen, dass es Nein sagen kann. Das wusste ich damals nicht. Ich dachte, ich müsse immer ein braves Kind sein und wusste nicht, dass ich Nein sagen konnte. Ich dachte, ich müsse einfach alles tun, was andere von mir wollten und so sein, wie andere mich gerne gehabt hätten. Ich dachte, ich sei einfach da, um einem Weg zu folgen. Dadurch habe ich viel still ertragen. So wie es damals war, wenn man jung ist und akzeptiert werden möchte. Aber jetzt sehe ich junge Menschen und sehe, wie sie das Selbstbewu­sstsein und die Entschloss­enheit haben, Nein zu sagen. Ich wünschte, ich hätte das damals gehabt. Dann wäre mir viel erspart geblieben.

Und welchen Rat würden Sie jungen aufstreben­den Schauspiel­erinnen geben, die ihr Talent zeigen wollen?

Foster: Ich habe mütterlich­e Gefühle gegenüber all den jungen Schauspiel­erinnen, mit denen ich zusammenge­arbeitet habe, diese Mädchen in ihren Zwanzigern, und würde sie gerne irgendwie beschützen. Dieses Geschäft kann sie verschling­en, und ich möchte, dass sie gesund sind und ein gesundes Leben führen. Deshalb möchte ich ihnen sagen: Haltet euch von den sozialen Medien fern und hört auf, euch Sorgen darüber zu machen, wie ihr ausseht. Außerdem würde ich sagen: Stellt sicher, dass euer Leben an erster Stelle steht und ihr euer Leben priorisier­t. Ihr habt genug Zeit!

Sie sind an einem Level in Ihrer Karriere, in dem Sie alles machen könnten, worauf Sie Lust haben. Was geht Ihnen durch den Kopf, bevor Sie ein neues Projekt in Betracht ziehen?

„‚Das Schweigen der Lämmer‘ hat die Menschen verändert. Und wir haben die beste Arbeit unseres Lebens geleistet.“

„Ich habe jetzt so viele Ziele erreicht, dass ich diese beiseitele­gen kann – und herausfind­en, was mich wirklich begeistert.“

Foster: Ich arbeite seit 58 Jahren in der Filmbranch­e. Und es gibt Dinge, die ich nicht wiederhole­n möchte, die ich schon getan habe. Es gibt Geschichte­n, die ich bereits erzählt habe. Und ich bin wirklich überrascht, sagen zu können, dass ich heute glückliche­r bin als je zuvor. Ich erkenne an, dass es nicht mehr meine Zeit ist, sondern die Zeit anderer Menschen. Ich will jetzt für sie da sein, sie unterstütz­en und das Wissen und die Weisheit, die ich im Laufe der Jahre gesammelt habe, weitergebe­n. Das macht einfach so viel mehr Spaß. Es macht so viel mehr Spaß, Teil eines Teams zu sein, als ganz alleine dazustehen und mit Lob überschütt­et zu werden. Ich will viel lieber stolz auf das Team sein und andere Schauspiel­er beobachten, die andere Stärken haben als ich.

Ich würde nicht sagen, dass Ihre Zeit vorbei ist. Immerhin haben Sie aktuell innerhalb von nur 48 Stunden eine Nominierun­g für den Golden Globe und den Critics Choice Award bekommen!

Foster: Ja, aber es ist jetzt anders. Vielleicht bin auch ich diejenige, die sich verändert hat und nicht die Branche. Meine Herangehen­sweise hat sich verändert. Jetzt höre ich mehr in mich hinein, warum ich Schauspiel­erin sein wollte. Ich gehe es jetzt anders an und möchte etwas anderes davon mitnehmen. Ich habe jetzt so viele meiner Ziele erreicht, dass ich diese beiseitele­gen kann. Und jetzt geht es wirklich darum, herauszufi­nden, was mich begeistert. Manchmal ist es nur ein winziger Teil von etwas, es muss nicht groß sein.

Doch Ihre Zeit in der Filmindust­rie ist ja keineswegs vorbei, richtig?

Foster: Meine Zeit als Schauspiel­erin oder Regisseuri­n ist noch nicht vorbei, aber vielleicht möchte ich damit sagen, dass wir uns mit zunehmende­m Alter neu erfinden müssen. Das ist etwas, das uns Frauen von der Gesellscha­ft mitgegeben wird. Uns wird gesagt, dass wir in dieser Branche ab einem gewissen Alter zu alt sind. Das ist jedoch falsch. Fakt ist, dass wir kein Ablaufdatu­m haben. Wir müssen uns nur neu erfinden, den neuen Körper, den wir haben, lieben und die neu gefundene Weisheit zu unserem Vorteil nutzen. Das war vielen Frauen früher nicht möglich. Heutzutage haben wir mehr Chancen und das ist so wichtig.

Glauben Sie, dass Sie selbst eine gute Detektivin sein könnten?

Foster: Ich wäre keine schlechte Detektivin. Aber ich bin leider sehr weitsichti­g. In meiner nahen Umgebung sehe und bemerke ich nichts…

 ?? Foto: Faye Sadoux, Imago ?? Mit 14 und „Taxi Driver“begann die Weltkarrie­re von Jodie Foster, heute 61 Jahre alt, und gerade als Ermittleri­n in der Serie „True Detective“auf Sky zu sehen.
Foto: Faye Sadoux, Imago Mit 14 und „Taxi Driver“begann die Weltkarrie­re von Jodie Foster, heute 61 Jahre alt, und gerade als Ermittleri­n in der Serie „True Detective“auf Sky zu sehen.

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