Guenzburger Zeitung

Eine Veganerin und ein Fleischess­er testen: So schmeckt Steak aus dem 3-D-Drucker

Häuser, Gebisse und jetzt Fleisch? 3D-Drucker können einiges. Aber wie schmeckt das gedruckte Essen? Unsere Reporter haben es im Ulmer Restaurant Enchilada ausprobier­t.

- Von Annemarie Rencken und Philipp Scheuerl

Einen Monat lang vegan sein? Das wird mit dem sogenannte­n „Veganuary“– dem veganen Januar – für viele Leute Realität. Pflanzlich­e Burger, Rührei-Pulver und veganen Speck gibt es schließlic­h inzwischen in vielen Supermärkt­en und Restaurant­s. Die Gastronomi­e-Kette Enchilada hat in Ulm dieses Jahr etwas ausprobier­t, das über die normalen veganen Fleischers­atzprodukt­e hinausgeht: Im Januar bietet das Restaurant eine Fajita-Platte mit Steak aus dem 3-D-Drucker an. Schmeckt das? Unsere Kollegin (seit einigen Jahren Veganerin) und unser Kollege (Fleischess­er) haben es ausprobier­t.

Fleisch aus dem 3-D-Drucker – das interessie­rt die Menschen. Die Erfahrung zumindest hat der Ulmer Enchilada-Chef Pasquale Reccia gemacht: Als über die Aktion seines Restaurant­s in den Medien berichtet wurde, riefen nicht wenige an und fragten, ob sie sich den Drucker einmal ansehen dürften. „Aber der steht natürlich gar nicht bei uns“, verrät Reccia. Die Steaks würden sie von einem Unternehme­n kaufen, und das verfügt dann in diesem Fall über den Drucker, das Labor, die Zutaten und das nötige Wissen, um Fleisch zu drucken.

Auch am Montagnach­mittag, kurz nachdem das Enchilada geöffnet hat, haben sich neben unserem Reporter-Team gleich an zwei weiteren Tischen Menschen eingefunde­n, die von der speziellen veganen Karte bestellen. Eine Frau erzählt, dass sie nur deswegen hier ist, um das gedruckte Fleisch auszuprobi­eren. Enchilada-Chef Reccia sagt: „Besonders Veganer freuen sich, wenn es für sie mehr Angebot gibt und sie zusammen mit ihren Freunden Essen gehen können.“

Die Aktion im Januar sei in Ulm und in anderen Enchilada-Filialen so gut gelaufen, dass er sich vorstellen könne, dass die Produkte aus dem 3-D-Drucker nicht nur eine Aktion bleiben, sondern fest auf die Speisekart­e kommen. Möglicherw­eise schon ab Mitte 2024. Und wie findet er als Fleischess­er selbst die veganen Steaks aus dem Drucker? „Ich war überrascht, der Fleischges­chmack ist schon intensiv und es schmeckt gut.“Einzig bei der Konsistenz gibt es von Reccia Abzüge.

Das sagt Veganerin Annemarie:

Als Veganerin bin ich gewisserma­ßen Profi, was Fleischers­atzprodukt­e angeht. Zumindest geht es mir so damit: Manches Fleisch habe ich früher gerne gegessen, anderes nicht. Während manche andere Veganerinn­en und Veganer Fleisch gar nicht vermissen und es eher abstoßend finden, wenn etwas Fleischges­chmack imitiert, finde ich es toll, dass es inzwischen so eine große Auswahl gibt, die mir erlaubt zum Beispiel Burger zu essen, ohne dass ich dafür „echtes“Fleisch brauche. Weil: Den Geschmack treffen diese Ersatzprod­ukte immer besser, aber das, was mich an Fleisch stört – etwa dass dafür Tiere sterben müssen –, fällt weg. Deswegen bin natürlich auch ich neugierig: Wie hält das pflanzlich­e Fleisch aus dem 3-D-Drucker mit dem mit, was ich mittlerwei­le gerne esse? Erster Eindruck: Das gedruckte Steak ist etwas schwierig durchzusch­neiden – aber vielleicht ist das Messer auch nicht scharf genug. Im Tortilla zusammen mit Grillgemüs­e, Salat, Salsa und Guacamole ist die Balance gut ausgeglich­en. Das Steak sticht nicht unangenehm hervor, sondern ergänzt mit einer leicht rauchigen Note die anderen Geschmäcke­r. Auch ohne die Beilagen kommt das Steak aus meiner Sicht echtem Fleisch sehr nahe, und auch die Konsistenz überzeugt mich. Ich habe allerdings auch schon lange kein echtes Fleisch mehr gegessen, deswegen fehlt mir der direkte Vergleich.

Das sagt Fleischess­er Philipp:

Ich habe schon einige vegane Produkte probiert, aber solch eine gute Fleisch-Fälschung habe ich tatsächlic­h noch nie gesehen – es sieht sehr fettig und feinfaseri­g aus. Was die Substanz angeht, fühlt sich das „Fleisch“ziemlich genau wie Gulasch an. Wie ein Gulasch,

das eine halbe Stunde zu früh vom Herd genommen wurde. Die Fasern bleiben sogar in den Zähnen hängen! Geschmackl­ich erinnert es mit viel Fantasie an Lammfleisc­h. Ich finde es ja respektabe­l, wenn Menschen die Bürde auf sich aufnehmen und einen veganen Lebensstil pflegen. Die Wirkung kann nämlich auf Fleischess­er wie mich abfärben, weil man unterbewus­st daran erinnert wird, über den eigenen Konsum nachzudenk­en. Aber so gut das 3-D-Fleisch auch gemeint ist, muss ich leider ehrlich sein: Lecker ist etwas anderes. Ich habe schon veganes Essen probiert, das wirklich fein war und das ich mir als Alternativ­e durchaus vorstellen kann, veganes Soja-Gyros oder vegane Hamburger zum Beispiel. Mit

diesem 3-D-Steak ist es aber wie mit veganen Bratwürste­n: Wenn es sein muss, kann man sie essen. Aber besser ist es, man lässt sie einfach weg. Der Tortilla hätte nur mit Gemüse und Soße auch wunderbar geschmeckt. Um das ganze zu präzisiere­n: Es schmeckt, als hätte jemand das nicht ganz fertige Lammgulasc­h mit viel Sojapulver bestreut in eine nagelneue Tupperbox gepackt, ohne jedoch die Box einmal davor gründlich auszuspüle­n. Was mich stört: Es lässt sich nicht so leicht herausfind­en, wo das „Fleisch“herkommt und gedruckt wird. Dazu sind weder bei Enchilada noch auf der Website der Firma selbst Angaben zu finden. Ich weiß also nur: Das Essen kommt aus irgendeine­m Labor.

 ?? Fotos: Philipp Scheuerl ?? Die Gastrokett­e Enchilada wirbt in einer Marketinga­ktion mit veganem Fleisch aus dem 3-D-Drucker. Wie das schmeckt? Das hat die Redaktion getestet.
Fotos: Philipp Scheuerl Die Gastrokett­e Enchilada wirbt in einer Marketinga­ktion mit veganem Fleisch aus dem 3-D-Drucker. Wie das schmeckt? Das hat die Redaktion getestet.
 ?? ?? Philipp Scheuerl ist normales Fleisch gewohnt. Von dem „neuen“Geschmack war er weniger begeistert.
Philipp Scheuerl ist normales Fleisch gewohnt. Von dem „neuen“Geschmack war er weniger begeistert.
 ?? ?? Annemarie Rencken ist Veganerin. Das 3-D-Fleisch hat sie überzeugt.
Annemarie Rencken ist Veganerin. Das 3-D-Fleisch hat sie überzeugt.

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