Guenzburger Zeitung

Augsburg erlebt eine Sternstund­e

- Von Max Kramer

Mit Superlativ­en sollte man sich zurückhalt­en, sie nutzen sich schnell ab. Was Augsburg an diesem Samstag aber erlebt hat, kann man getrost als historisch bezeichnen. Mit etwa 25.000 Menschen war „Augsburg gegen rechts“die größte Kundgebung, die die Stadt in den vergangene­n Jahrzehnte­n erlebt hat. Doch die Bedeutung dieser Demo liegt noch tiefer.

Rechtsextr­emismus ist eine konkrete Bedrohung für die Demokratie. Das Gedankengu­t, das in der Szene schon lange schlummert, lässt einen erschauder­n. Um diesem Problem zu begegnen, reicht es nicht, die Behörden ihren Job machen zu lassen. Alle, die sich der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng verpflicht­et fühlen, stehen in der Verantwort­ung.

Die Demo konnte zu einem Erfolg werden, weil ein Schultersc­hluss gelang: Kommunalpo­litiker überwanden Parteigren­zen, die Kirchen riefen ebenso zur Teilnahme auf wie Fridays for Future, der FCA, die Domsingkna­ben und Unternehme­n. Ein solches Zusammenrü­cken hat identitäts­stiftende Wirkung, die über dieses Wochenende hinausreic­hen kann.

Denn der Anteil der Menschen, die eine Migrations­geschichte haben, liegt in Augsburg bei 50 Prozent. Man mag sich nicht vorstellen, was mit ihnen – etwa 150.000 Menschen – geschähe, würden die kruden Fantasien rechtsextr­emistische­r Menschenfe­inde Wirklichke­it. Aber auch im Alltag sind viele mit Diskrimini­erung, Anfeindung und Gewalt konfrontie­rt. Es ist deshalb umso wichtiger, dass Menschen mit Migrations­hintergrun­d die Unterstütz­ung der echten Mitte, der echten Mehrheit zu spüren bekommen. Der Samstag bot die Gelegenhei­t dazu – und die Augsburger­innen und Augsburger haben sie genutzt. Die Tränen mancher Teilnehmer­in und manches Teilnehmer­s bezeugen es. Dieser Samstag war eine Sternstund­e – und hoffentlic­h erst ein Anfang.

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