Guenzburger Zeitung

Felliges Tier mit schlechtem Ruf

In Ziemetshau­sen darf der Biber nagen und bauen, wie er will. Biberberat­er Domberger zeigt, wie sich die Landschaft durch das Tier verändert.

- Von Mira Herold-Baer

Als der Biberbeauf­tragte Reinhold Domberger sein Ehrenamt vor dreizehn Jahren übernahm, wurden er und seine Aufgabe von vielen Menschen falsch verstanden. Wo denn sein Gewehr sei, sei er einmal gefragt worden. Denn der Biber, ein felliges Tier mit ziemlich gelber Kauleiste und etwas unbeholfen­em Schritt, nagt meist nicht nur an Bäumen, sondern auch an den Nerven der Menschen. Doch so unbeliebt das Tier sein mag, einen Freund besitzt er allemal: Reinhold Domberger. Wenn der engagierte Biberberat­er des südöstlich­en Bezirks des Landkreise­s Günzburg von seinem Schützling spricht, lächelt er oft. Wofür der Landkreis Biberberat­er braucht? Domberger sagt schmunzeln­d: „Nun ja, wo der Biber ist, gibt es oft Konflikte. Daher bin auch ich dort, wo es Konflikte gibt.“

Zusammen mit dem Förster Armin Desch steht der Biberbeauf­tragte an einem kleinen Hang bei

Maria Vesperbild. Gemeinsam blicken die beiden Herren auf das schräge Wäldchen hinunter, dass seit 2021 unter dem Vertragsna­turschutzp­rogramm als Biberleben­sraum dient. Auf diesem einen Hektar darf das unter Naturschut­z stehende Tier seither tun und lassen, was es möchte. Die Auswirkung­en des tierischen Landschaft­sarchitekt­en sind deutlich sichtbar: Zwischen den umgefallen­en Bäumen teilt sich der Lauterbach in zwei Rinnsale auf, einem ausgetüfte­lten Biberdamm zu verdanken. Für Domberger eine wahre Freude: „Ist das nicht prächtig zu sehen, wie es der Biber schafft, in solch kurzer Zeit die Landschaft zu verändern?“

Als die beiden Männer den kleinen Hang zum Gewässer runterlauf­en, gehen sie sehr vorsichtig. Auf dem Boden zeichnen sich immer wieder von Gestrüpp freigeräum­te, rutschige Gänglein ab. Domberger erklärt, wo diese Spuren herkommen: „Das sind BiberRutsc­hen. Die Tiere laufen den Hang hoch, holen sich Nahrung und nehmen dann den schnellste­n Weg wieder runter: Sie rutschen auf ihrer Kelle.“Dieselbe Intuition – den einfachste­n Weg zu wählen – erklärt laut dem Biberbeauf­tragten ironischer­weise auch die fleißigen Waldarbeit­en des Tieres: „Der Biber ist eigentlich ein faules Tier. Um nicht laufen zu müssen, staut er Bäche.“Damit korrigiert der Biber die Gewässerfl­urbereinig­ung und bringt die Bäche wieder in ihre ursprüngli­che Form zurück.

Ein Landschaft­sarchitekt, der begeistert die Renaturier­ung von Wasserläuf­en übernimmt – und das umsonst? Es gebe trotzdem nicht viele, die den Biber loben, sagt Domberger. Armin Desch erklärt, woran das liegt: „Es entsteht eigentlich immer ein Konflikt, wenn Lebensraum von Tier und Mensch unbeabsich­tigt aufeinande­rprallen. Und das passiert hier in unserer Gegend durch die intensive Agrarindus­trie häufig.“Derweilen stelle die Anwesenhei­t des Bibers zunächst einmal kein Problem dar, berichtet Domberger. Zum Konflikt komme es jedoch, wenn das Ufer des Gewässers auch von Menschen genutzt wird. Denn dann treibt der Hunger den Biber nachts sozusagen in das feindliche Gebiet.

Als Vegetarier besitzt der Biber nicht nur eine Vorliebe für Mais. Domberger erinnert sich sehr gut an einen seiner ersten Einsätze als Biberbeauf­tragter: „In Münsterhau­sen hat der Biber eine Hecke gefressen. Und zwar 30 Meter Thujahecke.“Weder erfreulich für die Gartenbesi­tzer noch für den Bauern des Maisfeldes. Der Biberbeauf­tragte kann den Ärger verstehen, er versuche dann, zu schlichten. Domberger sieht an den Ufern immer wieder kreative Versuche, den Biber von den Bäumen abzuhalten. Diese brächten aber meist nichts, erklärt der Biberexper­te: „Dafür gibt es extra Bibermatte­n, die auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden können.“

Ärgerlich ist der Biber ebenfalls, wenn er einen Spazierweg überflutet. Dann stößt das Tier oft auch bei den Einwohnern, deren Grundstück nicht vom Biber angenagt wird, auf wenig Gegenliebe. Zerstörte

Felder, gefällte Bäume und überflutet­e Wege – das ist laut Domberger jedoch nur die eine Seite: „Eigentlich ist es ein großer Erfolg, dass der Biber nach seiner vollständi­gen Ausrottung 1860 wieder in Bayern heimisch ist.“Denn das große Nagetier kümmert sich gut um seinen Wohnort. Die abgenagten und umgefallen­en Bäume bieten allerlei Insekten eine Kinderstub­e. Der gestaute Bach wird tiefer und bindet mehr Sauerstoff. Überschwem­mungsfläch­en verhindern Hochwasser und werden zum artenreich­en Biotop.

Das alles seien nur ein paar der Vorteile, die der tierische Architekt mit sich bringt, sagt Domberger: „Mit dem Biber ist auch der Eisvogel wieder zurückgeke­hrt.“Natürlich gebe es immer wieder Unstimmigk­eiten. Doch der Biberbeauf­tragte wünscht sich, dass das Nagetier nicht nur im schlechten Licht dasteht. Was für die Menschen gilt, sollte auch für den Biber gelten: Mit seinen Nachbarn muss man eben zusammenle­ben, trotz mancher Eigenheite­n.

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