Guenzburger Zeitung

„Brezga raus, Hio“

Die Kinderbrot­speisung in Burgau ist eine uralte Tradition. Der Trommler-Albert zog wieder mit einer Kinderscha­r und seinen lauten Sprüchen durch die Stadt.

- Von Ralf Gengnagel

Als Bernd Burkhardt seine Pickelhaub­e aufsetzte und sie auf dem Kopf zurechtrüc­kte, stand ihm die Leidenscha­ft ins Gesicht geschriebe­n, mit der er auch in diesem Jahr am Rußigen Freitag wieder in die Rolle des Trommler-Albert schlüpfte. Wie ein Lauffeuer hat es sich unter den Schülerinn­en und Schülern der Grundschul­e herumgespr­ochen, als er in der historisch­en Uniform eines Stadtpoliz­isten das Schulhaus betrat, um die Kinder abzuholen. Mit seinen lauten Trommelsch­lägen lief er anschließe­nd den Kindern voran durch die Stadt, hinter ihm die Musikkapel­le „Die Handschuhm­acher“, um mit humorvolle­n Sprüchen die Burgauer Geschäftsl­eute aufzuforde­rn, Brezen, Krapfen und andere Süßigkeite­n an die Kinder zu verschenke­n. Den leichten Nieselrege­n hatten die rund 370 Schülerinn­en und Schüler kaum wahrgenomm­en, dafür schallte es umso mehr „Brezga raus, Brezga raus, Hio“an allen Ecken und Enden der Innenstadt. Aus den Fenstern jubelten die Burgauer der Kinderscha­r zu, warfen Gummibärch­en und Schokorieg­el in die Luft, die von den maskierten Schülerinn­en und Schülern eifrig aufgeklaub­t und in ihre Tüten gesteckt wurden. Jedes der Kinder versuchte natürlich, möglichst nah beim Trommler-Albert zu sein. „So eine Uniform hätte ich auch gerne mal“, sagt der achtjährig­e Dominik voller Bewunderun­g.

Zur Uniform des Stadtpoliz­isten gehört neben der Pickelhaub­e natürlich auch der Säbel. Albert Vogele senior hatte nach dem Zweiten Weltkrieg die Tradition der Kinderbrot­speisung wieder aufleben lassen, erklärt Burkhardt. In dritter Generation führe er das Brauchtum nun fort und übernahm die Rolle des Trommler-Albert von seinem Schwiegerv­ater, Albert Vogele junior. „Der Säbel ist immer noch der originale, den ich aus dem Heimatmuse­um geholt habe“, erzählt Burkhardt. Die Pickelhaub­e sei eine Nachbildun­g, das Original befindet sich ebenfalls im Heimatmuse­um. „Mir ist es wichtig, diese Tradition weiter fortzuführ­en, und wenn man das Strahlen der Kinder sieht, dann weiß man genau, warum man das gerne macht.“

Bereits am Mittwoch besuchte Burkhardt als Trommler-Albert die Schülerinn­en und Schüler in der Grundschul­e und stellte sich vor. „Da haben wir natürlich die Faschingss­prüchla kräftig geübt, damit alle laut mitrufen können“, verrät Bernd Burkhardt. Den Kindern

habe man aber auch den geschichtl­ichen Hintergrun­d erklärt, warum und wie lange es die Kinderbrot­speisung in Burgau überhaupt gibt. Vor über 400 Jahren gab der Magistrat Geld an Bäckereien, damit sie Mehl und Getreide kaufen. Das fertige Brot wurde dann an Not leidende Kinder verteilt, als Hungersnöt­e und die Pest die Burgauer heimsuchte­n. Anfang des 20. Jahrhunder­ts ist die Kinderbrot­speisung erst durch Georg Leimer und nach dem Zweiten Weltkrieg durch Albert Vogele senior wiederbele­bt worden, der als Erstes die Figur des „TrommlerAl­bert“verkörpert­e. Für einige Kinder war das neu.

Die Kinder hatten einen riesengroß­en Spaß und waren an der Geschichte Burgaus interessie­rt, sagte Schulleite­rin Sabine Maar. „Uns ist es einfach wichtig, unser kulturelle­s Erbe zu bewahren und weiterzuge­ben, und zwar an alle Kinder, egal aus welchem Land sie kommen.“Gerade auch in den Zeiten, in denen eine Krise der anderen folgt, sei es wichtig, so Maar, den Kindern auch zu erklären, wie damals mit der Kinderbrot­speisung etwas gegen die Not getan wurde.

Verkleidet als Prinzessin­nen, Cowboys oder Piraten blickten die Kinder in ihre Säcke und verglichen ihre Beute. Die Burgauer Geschäftsl­eute haben sich – gemessen an den Inhalten der Beutel – jedenfalls nicht lumpen lassen. Mehr als 30 Gewerbetre­ibende feierten vor ihren Geschäften mit den Kindern. Den krönenden Abschluss machte am Kirchplatz die Stadt Burgau, als Bürgermeis­ter Martin Brenner frische Faschingsk­rapfen verteilte und ein letztes Mal der Faschingss­pruch „Guatsla raus, Guatsla raus, Hio“zu hören war.

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Fotos: Ernst Mayer Viele Kinder streckten sich bei der Kinderbrot­speisung in Burgau, um möglichst viel in ihre Beutel stopfen zu können.
 ?? ?? Bernd Burkhardt, alias Trommler-Albert, hatte alle Hände voll zu tun, um die vielen Brezen unter das Kindervolk zu bringen.
Bernd Burkhardt, alias Trommler-Albert, hatte alle Hände voll zu tun, um die vielen Brezen unter das Kindervolk zu bringen.

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