Guenzburger Zeitung

Der Kalvarienb­erg erwacht zu neuem Leben

Die Kreuzwegst­ationen wurden im März 2022 zerstört. Zwei Jahre später sind sie wiederherg­estellt und werden zu einem Beispiel für Hoffnung und Zuversicht.

- Von Ralf Gengnagel

Noch immer sitzt der Schmerz tief bei all denen, für die der Kalvarienb­erg in Wettenhaus­en zu einem ganz besonderen Ort geworden ist. Sei es als Zufluchtso­der Gebetsstät­te oder einfach nur als Idyll. Bei einer beispiello­sen Welle von Vandalismu­s und Zerstörung­swut im März 2022 sind die Kreuzwegst­ationen in Wettenhaus­en verwüstet worden. Es dauerte lange und hat der Pfarreieng­emeinschaf­t Kammeltal neben dem Anschaffen hoher Spendengel­der eine enorme Anstrengun­g abverlangt, den Kalvarienb­erg wieder zu dem werden zu lassen, was er einmal war. Bald ist der Pilgerort wiederherg­estellt. Am Freitag findet dort zum ersten Mal seit Langem ein Bittgang statt, ehe am 23. März Bischof Bertram Meier den Kalvarienb­erg nach dessen Schändung einweiht. Pfarrer Johannes Reiber und Kirchenpfl­eger Franz Schneider sprechen über den Kraftakt des Wiederaufb­aus, über gemischte Gefühle vor neuem Vandalismu­s, aber auch darüber, wie es um die Vergebungs­bereitscha­ft steht.

Noch immer seien die Ermittlung­en, die auch vom Landeskrim­inalamt in München aufgenomme­n worden sind, nicht abgeschlos­sen, heißt es seitens der Kirchenver­waltung. Noch immer sind die Namen der Täter nicht bekannt, die 22 Holzfigure­n und 24 historisch bemalte Glasfenste­r massiv beschädigt­en. Die Polizei schätzte den Schaden auf eine Höhe von 100.000 Euro. Das ganze Dorf habe nach dem Anschlag geholfen und mit angepackt, um dem Gewaltakt zu trotzen, erzählt Schneider.

Die beschädigt­en Figuren hätten die Dorfbewohn­er mit Bulldogs auf Anhängern vor den anstehende­n Reparature­n ins Kloster gebracht, Mauerwerke seien verputzt und gestrichen, kaputte Scheiben ausgebaut und von einem Glaser im Atelier wiederherg­estellt worden, zählt der Kirchenpfl­eger auf.

Durch Benefizver­anstaltung­en, Konzerte und Firmenspen­den habe man eine Spendensum­me zum Wiederaufb­au in Höhe von 78.000 Euro erzielen können. „Das zeigt, wie verbunden die Menschen mit dem Kalvarienb­erg sind“, merkt Schneider an. Weil viele Arbeiten in Eigenregie geleistet wurden, habe man mit dem Spendenauf­kommen die Reparature­n gut abdecken können und seien inzwischen erledigt. Während die Figuren sich vom Stress der Restaurati­on erholt haben, bereite ein Fenster noch etwas Probleme, weil es nach den Vorgaben des Bayerische­n Landesamte­s für Denkmalpfl­ege ein ganz besonderes Kathedralg­las benötige. Deutschlan­dweit gebe es nur eine einzige Glasbläser­ei in Waldsassen, die das machen könne, so Schneider. Bis zum 23. März sollen aber sämtliche Figuren und auch alle Fenster wieder am ursprüngli­chen Platz vorzufinde­n sein.

Besonders erschütter­t habe Pfarrer Reiber die Beschädigu­ng an der 13. Kreuzwegst­ation, die Maria mit ihrem Sohn darstellt. Die Beschädigu­ng weise Spuren auf, die annehmen lassen, dass der Täter ganz bewusst – wahrschein­lich mit einem Messer – in das Herz der Gottesmutt­er gestochen habe. Da spüre man schon, dass es nicht nur darum ging, einfach nur etwas kaputt machen zu wollen, schildert Reiber. Da stecke eine tiefe Absicht dahinter. „Da trifft man unseren Glauben mitten ins Herz“, so der Geistliche.

Der materielle Schmerz sei das eine, so Reiber. Beschädigu­ngen lassen sich wiederhers­tellen. Weitaus schlimmer seien die seelischen Verletzung­en nach einer derartigen Gottesläst­erung. Der Kalvarienb­erg sei für viele ein Ort des Gebetes und der Gottesbege­gnung. Mit der drohenden Gefahr, dass es wieder zu weiteren Anschlag kommen könnte, müsse man leben, so der Pfarrer. Keine noch so gute Alarmanlag­e, kein noch so hoher Zaun, was zudem auch rechtlich schwierig umzusetzen wäre, diene dazu, dem vorzubeuge­n. Auch Kirchen würde man nicht zusperren, um sie als Räume für die Begegnung mit Gott offen zu halten. Je mehr Leute den Kalvarienb­erg besuchen, desto mehr wachsame Augen gebe es, hofft der Pfarrer. Auch die Polizei werde immer wieder stichprobe­nartig den Kalvarienb­erg bestreifen.

„Am Ende brauchen wir Gottvertra­uen“, sagt Reiber und hält es mit dem Leitsatz des KartäuserO­rdens: „Die Welt dreht sich, aber das Kreuz steht.“Das Kreuz auf dem Kalvarienb­erg sei trotz jahrhunder­telangen Witterungs­einflüssen und selbst im Zusammenha­ng mit dem Anschlag nie beschädigt worden. Es throne über allem, das gebe ihm Zuversicht und Hoffnung, so der Pfarrer.

Reiber glaubt daran, dass aus der Tat sogar etwas Großes wachsen kann. Zum einen wurde nach der Tat das Dorf mobilisier­t, und ein noch stärkerer Zusammenha­lt der Glaubensge­meinschaft sei entstanden. Anderersei­ts gebe die Tat auch Raum für Vergebung. Dazu brauche es aber auch Reue und Einsicht und entbinde nicht vor der Verantwort­ung, für den materielle­n Schaden aufzukomme­n. Die seelische Heilung stehe aber jedem Menschen offen, auch Gottesläst­erern.

Für ihn als Priester wäre es interessan­t zu wissen, welche Motivation­en und Lebenserfa­hrungen hinter dieser gezielten Tat stehen, und richtet seine Worte speziell an die Täter: „Als Pfarrer sage ich euch, ich habe offene Arme, höre euch an und werde euch nicht zur Schau stellen. Ich will euch Gott erleben lassen, als einen, der euch vergibt.“

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Fotos: Ralf Gengnagel Kirchenpfl­eger Franz Schneider (links) und Pfarrer Johann Reiber sind froh, dass der Kalvarienb­erg in Wettenhaus­en wiederherg­estellt ist.
 ?? ?? Deutlich zu sehen ist die Beschädigu­ng der Gottesmutt­er, die einen Stich ins Herz zum Ausdruck bringt.
Deutlich zu sehen ist die Beschädigu­ng der Gottesmutt­er, die einen Stich ins Herz zum Ausdruck bringt.
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Die Fenster sind aufwendig restaurier­t worden. Ein Fenster fehlt noch.

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