Guenzburger Zeitung

Die Wirtschaft Zur Traube in Höselhurst ist seit 107 Jahren in Familienha­nd

Nach dem Gottesdien­st zum Stammtisch: Das ist Vergangenh­eit. Gastwirtin Hildegard Mayer berichtet über Veränderun­gen in der Dorfwirtsc­haft und wie es ist, in einer Gaststätte aufzuwachs­en.

- Von Dieter Jehle

In Höselhurst gibt es sie noch: Wirtshaus und Kirche. Über Jahrzehnte hinweg waren kirchliche und weltliche Institutio­n Mittelpunk­t des dörflichen Lebens. Nach dem Gottesdien­st ging es zum Stammtisch. „Da hat sich einiges geändert“, lacht Hildegard Mayer. Trotz allem, sie hält eine über 100 Jahre währende Wirtshaust­radition in Höselhurst aufrecht. Die ehemalige Religionsl­ehrerin ist mit Leib und Seele Gastwirtin. So ist die Dorfwirtsc­haft Zur Traube heute noch Mittelpunk­t des gesellscha­ftlichen Lebens und eine Einkehr wert. In den kommenden Wochen wollen wir in loser Abfolge traditions­reiche Gasthäuser wie die Traube in Höselhurst vorstellen, also Gasthäuser, die oft schon seit Generation­en in Familienha­nd sind.

Vom Berufsallt­ag abschalten, sich informiere­n, unterhalte­n und austausche­n. Hildegard Mayer hat die Zeit erlebt, als die Wirtsstube für viele noch das zweite Wohnzimmer war. Sie ist in dem Anwesen, in dem sie heute selbst eine abwechslun­gsreiche Küche und ein kühles Bier anbietet, geboren und aufgewachs­en. Sie wohnte mit ihren Eltern und ihrem Bruder im ersten Stock. Das Familienle­ben fand aber weitgehend in der Wirtsstube statt. Der Nikolaus kam nicht in die Wohnung, sondern immer in die Gaststätte. Die Wirtin habe das Aufwachsen in einem Gasthaus nie belastend empfunden. Sie war nichts anderes gewohnt.

„So am späten Nachmittag füllte sich die Stube, am Stammtisch herrschte immer Gedränge“, erinnert sich die Wirtin. Einen Ruhetag gab es früher nicht, sieben Tage war geöffnet. Einige trafen sich auch regelmäßig zum Schafkopfe­n. X-mal wurden die Karten gemischt. Aber nur einmal gab es einen „Volltreffe­r“. Zeitzeuge ist ein Bild an der Wand. Es passierte am 26. November 1974 um 21.50 Uhr. Johann Schlosser hatte zum Leidwesen seiner Mitspieler einen „Sie“, also alle Trümpfe, in der Hand. Einen Sie gab es in ihrer Wirtsstube vorher und nachher nicht mehr, ist sich die Wirtin sicher. Auch ihr mittlerwei­le verstorben­er Vater konnte sich nicht

daran erinnern. Doch die Zeiten haben sich geändert. „Nach und nach sind die Stammtisch­mitglieder gestorben“, erzählt sie. Der Stammtisch­nachwuchs blieb aus. Mit dem Rauchverbo­t im Jahre 2010 kam der endgültige Bruch. Dann blieben die letzten Stammgäste weg. „Rauchen in der Wirtschaft

gehörte zum Privileg vieler Gäste, mit dem Verbot blieben sie dann weg.“Die pensionier­te Religionsl­ehrerin führt zusammen mit ihrem Mann Fritz die Gaststätte. Die Wirtin selbst ist im Service tätig. Ehemann Fritz und Tochter Karin bereiten in der Küche die Schmankerl auf. „Wir sind ein Familienbe­trieb,

dazu gehört auch noch Tochter Martina“, erläutert der ehemalige selbststän­dige Forstunter­nehmer.

Vor 107 Jahren erwarben Georg und Karolina Anwander aus Glöttweng das Anwesen, damals bestehend aus einer Gast- und Landwirtsc­haft, in Höselhurst. Eigentümer

war der Kronenwirt in Neuburg. Die Großeltern von Hildegard Mayer stammten ursprüngli­ch aus Glöttweng. 1953 übernahmen ihre Eltern Georg und Maria Anwander die Liegenscha­ft. 1970 gaben sie die Landwirtsc­haft auf. Seit 1983 führen Hildegard und Fritz Mayer, mittlerwei­le in dritter Generation, die „Geschäfte“.

Donnerstag ab Mittag und Sonntag ganztags ist die Traube geöffnet. Doch eines stellt die Wirtin klar. „Wenn Gästegrupp­en oder Vereine kommen wollen, Familienfe­iern anstehen oder eine Radlergrup­pe kurzfristi­g einkehren möchte, dann öffnen wir.“Ein Anruf genügt, und sie sperrt die Türen auch außerhalb der üblichen Öffnungsze­iten auf. Ein Service, den viele dankbar annehmen. Denn in den meisten Dörfern fehlt mittlerwei­le die klassische Dorfwirtsc­haft, und dann geht man eben gern zu Hilde und Fritz nach Höselhurst.

Immer wieder haben die leidenscha­ftlichen Wirtshausb­etreiber in ihre Gaststätte investiert. 1995 wurde der Wintergart­en für 50 Gäste angebaut und 2000 die Küche erneuert. 97 Jahre hielten sie der Memminger Brauerei die Stange. Nach deren Konkurs wird in der Traube Engelbräu aus Rettenberg ausgeschen­kt. Diverse Rezepte habe sie von ihren Eltern und Großeltern übernommen. In den Wintermona­ten steht stets Rauchfleis­ch auf der Speisekart­e. So wie es ihr Vater einst eingelegt und geräuchert hat. Auch schwäbisch­e Spezialitä­ten wie Krautkrapf­en haben Tradition im Gasthaus Zur Traube.

„Wir bieten gutbürgerl­iche Küche an“, erklärt die Wirtin. Sie nennt zudem Speisen wie Braten, Schnitzel, deftige Brotzeiten und auch vegetarisc­he Gerichte. Ein weiteres Standbein ist das Catering. Personelle Probleme kennt die Wirtin nicht. „Wenn es sein muss, packen alle mit an“, freut sich Hildegard Mayer über den familiären Zusammenha­lt. Ob die „vierte Generation“den gesellscha­ftlichen Mittelpunk­t in Höselhurst weiterführ­t, ist noch unklar. Noch stehen Hilde und Fritz in der Stube. „Wir machen es, solange es uns Spaß macht“, sagt die Wirtin. Man spürt es in diesen Worten. Bei der Traube ist jeder ein gern gesehener Gast.

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Vor über 100 Jahren erwarben die Großeltern von Hildegard Mayer das landwirtsc­haftliche Anwesen.
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Fotos: Dieter Jehle Hildegard und Fritz Mayer freuen sich über jeden Gast im Gasthaus Zur Traube in Höselhurst.
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Seit über 100 Jahren ist die Dorfwirtsc­haft Zur Traube gesellscha­ftlicher Mittelpunk­t.

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