Krieg in Ukraine: Druck auf die Europäer wächst
Selenskyj wirbt in München um mehr Unterstützung. Welche Folgen der Mangel an Waffen hat, zeigt der Fall der Stadt Awdijiwka.
Monatelang kämpfte die ukrainische Armee um die belagerte Stadt Awdijiwka, nun musste Präsident Wolodymyr Selenskyj den Rückzug seiner Truppen anordnen. Es ist der schwerste Rückschlag für die Ukraine seit dem vergangenen Sommer. Für Russland ist die Eroberung ein wichtiger symbolischer Sieg. Dem Westen zeigt die Entwicklung: Ohne zusätzliche Hilfe kann Kiew dem Angriffskrieg auf Dauer nicht standhalten.
Der Kreml nahm für die Eroberung der Stadt hohe Verluste bei den eigenen Truppen in Kauf. Nach Angaben von Selenskyj steht in der Bilanz um Awdijiwka ein gefallener ukrainischer Soldat sieben gefallenen russischen Soldaten gegenüber. „Russland hat nur einen Vorteil: Die Entwertung allen menschlichen Lebens“, sagte der Präsident bei der Sicherheitskonferenz in München. Die Ukraine sei zum Schutz der eigenen Truppen zur Aufgabe gezwungen gewesen. Hinzu komme ein erheblicher Mangel an Waffen und Munition. „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es Putin gelingen, die nächsten Jahre zur Katastrophe zu machen“, sagte er.
Damit erhöht sich der Druck auf die europäischen Partner. Seit Langem bittet die Ukraine die Bundesregierung um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Angesichts der sich zuspitzenden Lage hofft die ukrainische Regierung auf ein Einlenken von Bundeskanzler Olaf Scholz. „Die Tatsache, dass Sie kein klares Nein hören, ist schon eine Antwort an sich“, sagte Außenminister Dmytro Kuleba. Jede Diskussion über Waffenlieferungen habe mit einem Nein begonnen.
Doch auch die deutschen Verteidigungsausgaben bleiben ein Thema. Die westlichen Verbündeten müssen sich nach Einschätzung von Verteidigungsminister Boris Pistorius auf eine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Russland einstellen. Er appellierte: „Effektive Abschreckung ist unsere Lebensversicherung.“Pistorius rechnet damit, dass die deutschen Investitionen das mit der Nato vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel sogar übersteigen müssten. Von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) war bei der Sicherheitskonferenz die Rede. Aktuell erreicht Deutschland das Nato-Ziel nur durch das von der Bundesregierung eingerichtete Sondervermögen für die Bundeswehr.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug unterdessen die Benennung eines europäischen Verteidigungskommissars vor. Dessen Aufgabe könnte es sein, europäische Verteidigungsstrategien und die Rüstungspolitik der Mitgliedsländer besser zu koordinieren. Vor allem bei einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten werden die Ansprüche an die Europäer wachsen.
Norbert Röttgen, Sicherheitsexperte der CDU, kritisiert vor diesem Hintergrund die abwartenden Maßnahmen der Europäer. „In den Regierungen der großen Länder kann ich nicht erkennen, dass sie Maßnahmen ergreifen, die die Lage in der Ukraine ändern würden“, sagt er unserer Redaktion. Aber auf sie komme es an. „Alle sehen die absolute Dringlichkeit, aber es geschieht nicht das, was nötig ist“, sagt er. „Das wird unvermeidlich Konsequenzen haben.“
Auch Präsident Selenskyj hofft, mit diesem Argument bei seinen Unterstützern durchzudringen. Je länger der Krieg dauere, desto größer sei die Gefahr einer Ausweitung und einer weiteren Beschädigung der internationalen Ordnung. „Wenn die Ukraine alleine dasteht, dann werden Sie sehen, was passiert: Russland wird uns zerstören, das Baltikum zerstören, Polen zerstören – es ist dazu in der Lage“, warnte er. Leitartikel, Politik
Es sind die kleinen Momente, die das Leben zu dem machen, was es ist. Ein Windstoß, der alles durcheinanderwirbelt, was eben noch fix zu sein schien. Ein Kind, das sich voller unverstellter Wut auf den Boden wirft. Jeff Wall ist ein Meister darin, jene Augenblicke für seine Fotografien zu inszenieren. Der Künstler aus Kanada spitzt zu, überzeichnet. Vieles erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Wie hier auf dem Bild namens „The Thinker“– „Der Denker“. Die Geschichte des Mannes mit dem Schwert im Rücken bleibt unerzählt, der Zuschauer muss selbst zum Erzähler werden. Und in genau diesen Gedanken spiegeln sich schließlich die Auswüchse einer jeden Zeit, einer jeden Epoche wider. Walls Bilder sind aktuell in der Fondation Beyeler bei Basel zu sehen. Lesen Sie mehr auf der Seite Feuilleton