Guenzburger Zeitung

Die katholisch­e Kirche – ein hoffnungsl­oser Fall?

Nach dem Reform-Stopp aus Rom zeigen sich die deutschen Bischöfe in Augsburg handlungsu­nfähig. So könnte es nun weitergehe­n.

- Von Daniel Wirsching

In den Streiterei­en der katholisch­en Bischöfe um Reformen geht einiges unter, was diese sonst noch zu sagen haben. Zu Krieg und Frieden, zur AfD, zu gesellscha­ftspolitis­chen Themen, nicht zuletzt zu Glaubensfr­agen. Die Kirche kreist seit Jahren um sich, und angesichts eines auch ihre Existenz bedrohende­n Missbrauch­sskandals ist das nachvollzi­ehbar. Nicht mehr nachvollzi­ehbar ist für viele, was das Um-sich-selbst-Kreisen bringen soll. Wozu führt es, außer zu weiteren Verwerfung­en, Verhärtung­en, Enttäuschu­ngen und Frustratio­nen?

Sogar an der Kirche Interessie­rte verlieren sich in all den Satzungsde­batten oder der vom Papst propagiert­en „Synodalitä­t“, einer Methode des Aufeinande­rhörens und Gemeinsam-Voranschre­itens.

Selbst Bischöfen ist schleierha­ft, was mit „Synodalitä­t“genau gemeint ist.

Viele, viele andere reagieren zunehmend gleichgült­ig. Der Bedeutungs­verlust der Kirche ist in den vergangene­n Tagen, in denen sich die deutschen Bischöfe in Augsburg zu ihrer Vollversam­mlung trafen, vorangesch­ritten.

Das Bischofstr­effen wurde überschatt­et von einer Interventi­on aus Rom. Der Papst hatte de facto Gremien gestoppt, die zu einer Machtteilu­ng von Bischöfen und Laien geführt hätten und den innerkirch­lichen Reformproz­ess in Deutschlan­d verstetige­n sollten. Wie es nach Jahren intensiver Diskussion­en weitergehe­n könnte? Im Moment weiß das niemand.

Fest steht: Es ist eine Situation eingetrete­n, die von Anfang an abzusehen war und die nicht beschönigt werden kann. Der „Synodale Weg“genannte Reformproz­ess zwischen deutschen Laien und Bischöfen war schließlic­h so angelegt, dass tiefgreife­nde Veränderun­gen am Umsetzungs­willen von Bischöfen

und Vatikan hängen. Gegner des Reformproz­esses verwiesen darauf immer wieder, mitunter triumphier­end – das jüngste Stoppschil­d aus Rom war ja nicht das erste. Manche Befürworte­r hoffen dennoch auf den Papst, er möge ein Machtwort in ihrem Sinne sprechen. So ist das in einer derart hierarchis­ch strukturie­rten Institutio­n: Reformen müssen von oben kommen. Das war es also? Einmal mehr wurde jahrelang geredet, mitund übereinand­er, und am Ende bleibt alles, wie es war? Das ist der Eindruck, den eine breite, immer kirchenfer­nere Öffentlich­keit haben muss – die katholisch­e Kirche, ein hoffnungsl­oser Fall. Das war’s? Nein. Der „Synodale Weg“hat vielleicht nicht die erwünschte Dynamik ausgelöst, aber er hat etwas ausgelöst. Er hat zum Beispiel offenbart, dass eine deutliche Mehrheit der deutschen Bischöfe bereit zu Veränderun­gen ist. Es liegt nun an jedem Einzelnen von ihnen, das umzusetzen, was sich (kirchenrec­htlich) umsetzen lässt, von der Beauftragu­ng von Missbrauch­sstudien bis hin zu neuen Beteiligun­gsgremien.

Es ist höchste Zeit für ein Ende des Zögerns und Verzögerns. Denn Reformen sind kein Selbstzwec­k. Sie sollen dem systemisch­en sexuellen Missbrauch innerhalb der Kirche wirksam etwas entgegense­tzen. In den aufgeheizt­en kirchenpol­itischen Debatten der vergangene­n Jahre kommt das erschütter­nderweise selten vor, entspreche­nde Äußerungen des Papstes eingeschlo­ssen. Auf und nach dem Bischofstr­effen von Augsburg zeigt sich die Kirchenspi­tze in einem bedenklich­en Zustand der Handlungsu­nfähigkeit. Eine nüchterne, nicht sonderlich gewagte Prognose lautet: Die katholisch­e Kirche wird in Deutschlan­d eine Minderheit­enkirche sein – und eine der unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten.

Der „Synodale Weg“hat immerhin etwas ausgelöst.

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