Guenzburger Zeitung

Warum der US-Bomber abstürzte

Im Februar 1945 verunglück­te ein US-Flugzeug bei Pfaffenhof­en. Nur drei von zehn Menschen überlebten. Zum Gedenktag kam nun auch der Enkel eines Verstorben­en.

- Von Ralph Manhalter

Jonathan Darman vermittelt das Bild eines distinguie­rten Ostküsten-Amerikaner­s: Elegant gekleidet, vornehm im Auftreten und dazu noch ein eloquentes Englisch, besticht der studierte Historiker vor allem durch seine Unaufdring­lichkeit. Dabei war Darman alles andere als nur ein Zaungast bei der Gedenkvera­nstaltung zum Jahrestag des Flugzeugab­sturzes vom 22. Februar 1945.

Das Dritte oder auch Tausendjäh­rige Reich stand bereits nach zwölf Jahren kurz vor dem Zusammenbr­uch. Längst hatten die Alliierten die Lufthoheit über Deutschlan­d erlangt, darüber konnten auch Flakgeschü­tz und Werwolf nicht hinwegtäus­chen. An diesem Tag wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs bewegte sich ein amerikanis­ches Bombengesc­hwader entlang des Illertals mit den Zielen Ulm und Augsburg.

Offenbar gestaltete­n sich die Wetterverh­ältnisse äußerst schwierig, sodass ein Sichtkonta­kt zwischen den Flugzeugen nahezu unmöglich war. Jerry Adkins, einer der Überlebend­en des Unglücks von damals, erinnerte sich später, dass der Bomber B-17 auf der Höhe von 17.000 Fuß (etwa 5189 Meter) in einen Luftwirbel der vorausflie­genden Maschine kam. Es gelang dem Piloten nicht mehr, die Kontrolle über das Flugzeug wiederzuge­winnen: Die B-17, auch „Fliegende Festung“genannt, brach in zwei Teile und stürzte nahe einem Waldgebiet östlich Pfaffenhof­ens zu Boden. Die ausgeklink­ten Bomben schlugen in unmittelba­rer Umgebung ein: Die Trichter sind noch heute um die Wallfahrts­stätte Marienfrie­d zu sehen.

Von den zehn Besatzungs­mitglieder­n überlebten drei, die sich noch rechtzeiti­g mit dem Fallschirm retten konnten. Unter den Toten befand sich auch der Pilot William Temple Emmet, Freund und Kanzleipar­tner Franklin Delano Roosevelts, dem späteren Präsident

der Vereinigte­n Staaten. Es war Emmets Tochter Kathleen, die im Jahr 2012 die kurz zuvor errichtete Gedenkstät­te in Pfaffenhof­en zum ersten Mal besuchte. Alt-Bürgermeis­ter Josef Walz schildert die ihn noch heute berührende Szene: Erst mit der Begegnung an der Stelle des Unglücks und der Möglichkei­t, hier einen Ort zum Trauern zu finden, konnte die Dame so etwas wie Versöhnung empfinden.

Nun, ein gutes Jahrzehnt später steht vor demselben Stein Kathleens Sohn Jonathan Darman. Auch er empfindet eine tiefe Bewegung, obwohl er seinen Großvater William Emmet persönlich nicht kannte. Es hat etwas unheimlich Berührende­s, an dem Ort zu stehen, an welchem ein Familienan­gehöriger sein Leben verloren hat, so Darman. Die angereiste­n Veteranen

erwiesen vor dem Gedenkstei­n am Pfaffenhof­ener Ortsrand den sieben verstorben­en Besatzungs­mitglieder­n militärisc­he Ehren mit Gruß und Kranzniede­rlage. Bürgermeis­ter Sebastian Sparwasser erinnerte in seiner Ansprache daran, dass Frieden nicht selbstvers­tändlich sei, und rief die Aktualität der Ereignisse des Jahres 1945 ins Gedächtnis.

Den toten Besatzungs­mitglieder­n wurde in Pfaffenhof­en ein christlich­es Begräbnis unter Drohungen lokaler NS-Größen verwehrt. So fanden sie ihre provisoris­che Ruhe zunächst außerhalb des Friedhofs hinter einer Hecke, wie Ulrich Seitz und Ralf Kull zusammen mit Friedrich Braun und Kurt Spence vor einigen Jahren akribisch nachwiesen. Doch wenige Monate später, der Krieg war zwischenze­itlich beendet, konnten

die sterbliche­n Überreste auf ein kurz zuvor von der US-Kriegsgräb­erverwaltu­ng beschlagna­hmtes Gelände nahe Reutti überführt werden.

Aber auch der neue Ort – hier wird in der Folge die deutsche

Kriegsgräb­erstätte entstehen – war nur ein Ruheplatz auf Zeit. US-Soldaten, die im Feindeslan­d gefallen waren, sollten nicht dort bestattet sein. Was folgte, war eine erneute Exhumierun­g und die Umbettung auf einen der großen amerikanis­chen Kriegsgräb­erstätten in Frankreich. William Emmet

fand seine letzte Ruhe inmitten Zehntausen­der anderer Gefallener im lothringis­chen Saint Avold, unweit von Saarbrücke­n.

Wie verlief das Schicksal der drei Überlebend­en? Sie wurden, so das Autorentea­m um Seitz und Kull, nachdem sie sich mit dem Fallschirm aus dem zu Boden stürzenden Flugzeug retten konnten und danach den Angriffen einer wütenden bäuerliche­n Bevölkerun­g ausgesetzt waren, in das Durchgangs­lager der Luftwaffe im hessischen Oberursel transporti­ert.

Nach mehreren Ortswechse­ln und Gewaltmärs­chen erlebte der Überlebend­e Francis Adkins die Befreiung am 29. April 1945. Der ganze Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs und somit auch des Nationalso­zialismus sollte neun Tage später zu Ende sein.

Die toten Besatzungs­mitglieder durften zunächst nicht bestattet werden.

 ?? Foto: Ralph Manhalter ?? Zu der Gedenkvera­nstaltung zum Jahrestag des Flugzeugab­sturzes bei Pfaffenhof­en kam mit Jonathan Darman ein Historiker, dessen Großvater bei dem Unglück ums Leben kam.
Foto: Ralph Manhalter Zu der Gedenkvera­nstaltung zum Jahrestag des Flugzeugab­sturzes bei Pfaffenhof­en kam mit Jonathan Darman ein Historiker, dessen Großvater bei dem Unglück ums Leben kam.

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