Demo hat mehr Zulauf als die AfD
Etwa 250 Menschen kommen zur Kundgebung der AfD in Burgau. Noch mehr sind es hundert Meter weiter bei einer Veranstaltung für Vielfalt, Demokratie und Toleranz.
Kalt ist es an dem Sonntagmorgen, auch wenn sich die Sonne bereits über der Burgauer Kapuzinerstraße breitgemacht hat. Gleiches gilt für das Aufgebot an Einsatzfahrzeugen – die Polizei zeigt Präsenz. In Kürze beginnen zwei voneinander getrennte Veranstaltungen, bei denen es um unterschiedliche Meinungen geht.
Der AfD-Kreisverband hat zu einer Veranstaltung an der Kapuziner-Halle unter dem Motto „Erhalt des Rechtsstaats“eingeladen. Es gehe auch um Wirtschaftskrise, gescheiterte Energiewende und Höfesterben in der Landwirtschaft. Vorgesehen war die Veranstaltung zunächst nicht vor, sondern in der Kapuziner-Halle. Gerd Mannes, AfD-Landtagsabgeordneter und Gastgeber, der die Veranstaltung eröffnet, begründet dies mit anscheinenden Kommunikationsproblemen mit der Stadt Burgau und mit Restaurierungsarbeiten an der Halle. Mannes kritisiert die Abschaltung der Kernkraftwerke sowie die Migrationspolitik, bei der man nicht mehr wisse, wo man die Menschen unterbringe. Was bei den etwa 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auffällt: Es gibt keine Transparente, lediglich einige wenige Deutschlandfahnen und am Fahnenmast flattert eine Bayernfahne.
Hundert Meter weiter beim Parkplatz an der Kita Mindelzwerge haben sich inzwischen weit über 300 Menschen verschiedener Gruppen und Gruppierungen versammelt. Hier sieht es anders aus. Florian Bruckmann (Die Partei), der die dortige Veranstaltung eröffnet, betont, dass es besser sei, nicht gegen, sondern für etwas zu sein: für die Menschen, für den Respekt vor den Menschen, für Vielfalt und für Toleranz. Erst Anfang Februar hatten in Günzburg auf dem Marktplatz 2000 Menschen für diese Werte und die Demokratie demonstriert, bunt und friedlich.
Auch bei dieser Veranstaltung in Burgau geht es eher bunt zu. Die Teilnehmenden haben Plakate dabei, teilweise Anti-AfD, aber auch solche, auf denen von Freiheit, Demokratie und Toleranz zu lesen ist. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals einmal für Freiheit auf die Straße gehen werde“, sagt eine Besucherin. Es könne nicht sein, dass sich an einem Sonntagvormittag die Leute dafür in die Kälte stellen müssten, meint ein anderer Besucher. Unter den Teilnehmenden sind auch Vertreterinnen und Vertreter des in Krumbach gegründeten
Bündnis für Demokratie und Zusammenhalt.
Zurück zur Kapuziner-Halle. Dort ist inzwischen AfD-Bundestagsabgeordneter Peter Felser als Gastredner vor die Menge getreten. Er übt scharfe Kritik an der Bundesregierung, die sich speziell gegen die Ampel und die Landwirtschaftspolitik richtet. Genauso stellt Felser die, wie er sagt, katastrophale Energieund Klimapolitik und das Heizungsgesetz infrage. Anna Nguyen, AfD-Landtagsabgeordnete in Hessen, schließt sich als Rednerin an. Sie ziehe vor jedem Unternehmen
ihren Hut, welches trotz Überregulierung und Bürokratie in Deutschland bleibe. Von dem Wirtschaftswunderland sei nicht mehr viel übrig, so Nguyen. „Die haben das gesagt, was den Menschen am Herzen liegt“, meint Armin Gernert, einer der Besucher, der aus Würzburg nach Burgau gekommen ist.
Wieder bei der Kita Mindelzwerge: Auch dort wenden sich Rednerinnen und Redner an die Menschen. Man habe vor 90 Jahren zu spät erkannt, welche Gefahr von damaligen rechten Kräften ausgegangen sei, so Burgaus Zweite Bürgermeisterin
Martina Wenni-Auinger, eine der wenigen vertretenen Personen seitens Stadt Burgau und Stadtrat. DGB-Kreisvorsitzender Werner Gloning kritisiert von der AfD getätigte Äußerungen und Zitate. Auch Dörte Trauzeddel und Vera Hupfauer vom Neuen Theater Burgau stehen an der Treppe zur Kita, die Band Smile a While singt den Westernhagen-Song „Freiheit“und Songwriter Norbert Buchmacher ist ebenfalls gekommen. Am Ende betont Burgaus evangelische Pfarrerin Tina Griffith: Rechtsextremismus habe nichts mit Christentum zu tun. Niemand habe das Recht, andere Menschen auszugrenzen.
Die Polizei habe sich dem Anlass entsprechend aufgestellt, erklärt Stefan Eska, Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Burgau, nachdem kurz vor Mittag beide Veranstaltungen beendet sind. Alles sei friedlich verlaufen, auch aufgrund der räumlichen Trennung. Eine Burgauerin meint jedoch gegenüber unserer Redaktion, es wäre aus ihrer Sicht besser gewesen, wenn beide Seiten an einem Ort mit Rednerinnen und Rednern, begrenzter Redezeit und mit einem Moderator hätten angehört werden können. Somit hätte auch die Möglichkeit bestanden, kritische Fragen zu stellen.