Guenzburger Zeitung

Wer lauter schreit, hat nicht direkt recht

Streit und Konflikte in der Familie gibt es immer wieder. Experten der Erziehungs­beratung im Kreis Günzburg geben Tipps, wie man damit umgehen kann.

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„… noch eine Folge gucken!“, „Nein!“, „Will aber!“, „Ich sagte nein!“– Gespräche wie dieses kennen viele Eltern nur zu gut. Kleine und größere Konflikte gehören mit Beginn der Autonomiep­hase im Alter von circa zwei Jahren und über die Pubertät hinweg zum Erziehungs­alltag dazu. Eltern erwarten, dass ihre Regeln befolgt werden und Kinder möchten eigenständ­ig Entscheidu­ngen treffen. Das kann in alltäglich­en Streiterei­en über Ordnung, Essensrege­ln, Medienkons­um und vieles mehr münden. Fühlen Eltern sich in diesen konfliktre­ichen Situatione­n überforder­t und werden wütend, endet die Auseinande­rsetzung oftmals in Stress, Geschrei und Tränen. Was können Eltern stattdesse­n tun?

„Um in Streitsitu­ationen gut reagieren zu können, ist es zunächst wichtig, den Kern des Konflikts zu erkennen. Allen Gefühlen,

die im Streit sichtbar werden, liegen Bedürfniss­e zugrunde: die der Eltern und die der Kinder. Als soziale Wesen müssen wir natürlich unsere eigenen Bedürfniss­e befriedige­n, wollen aber auch zur Erfüllung der Bedürfniss­e von anderen beitragen“, sagt Tobias Engelschal­k von der KJF Erziehungs-, Jugend- und Familienbe­ratung. Wenn Eltern sich in sich selbst und in ihr Kind einfühlen und sich so über die unterschie­dlichen Bedürfniss­e klar werden, entsteht Verbundenh­eit zwischen ihnen und ihrem Kind.

Fühlen sich Kinder mit ihren Eltern verbunden, kooperiere­n sie eher, wollen beitragen und haben oft erstaunlic­h kreative Vorschläge, wie die Bedürfniss­e aller berücksich­tigt werden können, so der Experte. Fühlen Eltern sich mit ihrem Kind verbunden, können sie negative Gefühle des Kindes besser aushalten. „Eltern und

Kinder können gemeinsam lernen, selbst bei Streit und Krisen in Verbindung zu bleiben, indem sie ihre Gefühle als Wegweiser zu ihren Bedürfniss­en nutzen. Dafür ist die Art der Kommunikat­ion wichtig. Einfühlsam, bedürfniso­rientiert, ermutigend sind dabei drei Zauberwort­e“, erklärt der Erziehungs­berater.

Folgende Tipps des Erziehungs­beraters können Eltern dabei helfen, in Konfliktsi­tuationen Verbundenh­eit zu schaffen und zu einem Ausgleich sehr unterschie­dlicher Bedürfniss­e zu finden:

• In sich und das Kind einfühlen:

Nehmen Sie sich einen Moment, hinter die Gefühle zu schauen und zu erkennen, welche Bedürfniss­e bei Ihnen und bei Ihrem Kind verletzt sind.

• Bedürfniso­rientiert sprechen: Gehen Sie möglichst wertneutra­l und wertschätz­end auf Ihr Kind zu. Vermeiden Sie, zu verurteile­n und zu interpreti­eren. Versuchen Sie, die zugrunde liegenden Bedürfniss­e des Kindes zu ergründen und diese für Ihr Kind zu formuliere­n.

• Gemeinsam lösen: Beziehen Sie Ihr Kind in die Lösungssuc­he ein, zum Beispiel, indem Sie aufmerksam zuhören und Interesse zeigen. Dadurch fühlt sich das Kind zugehörig und lernt, zur Problemlös­ung beizutrage­n.

• Wortschatz vergrößern: Erweitern Sie Ihren Gefühls- und Bedürfnisw­ortschatz mit der Zeit, um in stressigen Konfliktsi­tuationen einfacher erkennen und benennen zu können, um welche Bedürfniss­e

es geht. So merken Sie zum Beispiel sofort, wenn das Kind noch eine Folge schauen will: „Aha, mein Bedürfnis nach Schutz für mein Kind ist frustriert!“und „Du hast das Bedürfnis nach Freude und Spaß durch eine weitere Folge.“

In Leipheim und Krumbach helfen die Erziehungs-, Jugendund Familienbe­raterinnen und -Berater der KJF Augsburg bei allen Fragen rund um Erziehung und Familienal­ltag weiter. Sie unterliege­n der Schweigepf­licht. Erreichbar sind sie am Standort Leipheim, Spitalhald­e 10, unter Telefon 08221/206780 und E-Mail eb.guenzburg@kjf-kjh.de sowie am Standort Krumbach, RobertStei­ger-Straße 5, unter Telefon 08282/3936, E-Mail eb.krumbach@kjf-kjh.de. Zusätzlich kann auch die anonyme Onlinebera­tung unter www.caritas.de/onlinebera­tung genutzt werden. (AZ)

Streiten lernen: Das können Eltern und Kinder gemeinsam.

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Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild) Streit in der Familie kann Eltern und Kinder überforder­n. Erziehungs­berater geben Tipps, wie sich das vermeiden lässt.

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