Guenzburger Zeitung

Schaltjahr: Wenn der dreifache Papa seinen zehnten Geburtstag feiert

Raimund Geiger und Jonas Hohfelser haben am 29. Februar Geburtstag. Ein Pärchen heiratet in Günzburg. Wie es sich anfühlt, wenn dieser Tag nur alle vier Jahre im Kalender steht.

- Von Heike Schreiber

Es ist ein spezieller Tag. Einer, der nur alle vier Jahre im Kalender auftaucht. Nach 1401 Tagen leuchtet mal wieder der 29. Februar auf. Etwa 55.000 Menschen sind an diesem besonderen Datum hierzuland­e auf die Welt gekommen. Streng genommen haben sie nur alle vier Jahre Geburtstag. Raimund Geiger aus Bubesheim ist ein solches Schaltjahr­kind. Offiziell wird der dreifache Papa erst zehn Jahre alt, so alt, wie seine mittlere Tochter schon ist. Tatsächlic­h sind aber bereits 40 Jahre seit seiner Geburt vergangen. Während er einen doppelt runden Geburtstag feiert, kann Jonas Hohfelser aus Reisensbur­g sechs Kerzen auspusten. Ganz bewusst für dieses Datum entschiede­n haben sich Alex Brandl und Julia Gröner, die in Günzburg heiraten. Was spricht für diesen Tag und wie erleben sie diesen 29. Februar?

Manche Eltern zögern den Geburtster­min bewusst hinaus, damit ihr Kind diesen besonderen Tag im Ausweis stehen hat. Andere wollen dagegen dieses Datum unbedingt vermeiden, weil ihr Kind sonst im Nachteil ist und nur alle vier Jahre wirklich Geburtstag feiern kann. Sie habe sich vor 40 Jahren gar keine Gedanken darüber gemacht, erzählt Elisabeth Geiger. Sie sei noch nicht auf Wehen eingestell­t gewesen, als die zwei Wochen vor dem errechnete­n Termin einsetzten. Am 29. Februar 1984 um 15.47 Uhr kam Baby Raimund auf die Welt. „Der hat sich wohl gedacht, das ist ein gutes Datum.“

Als Kind fand er es aber gar nicht so lustig, eher „etwas ärgerlich und blöd“, sagt Raimund Geiger rückblicke­nd. In den „Zwischenja­hren“durfte er immer erst am 1. März feiern. Einen Tag früher, am 28. Februar, Party zu machen, stand außer Frage. Dafür habe er in Schaltjahr­en immer einen speziellen Kuchen gebacken bekommen. Der 29. Februar bringt also Vorteile mit sich, hat Raimund Geiger schnell erkannt: „Den Tag vergisst wirklich keiner.“Am 16. Geburtstag, erinnert sich auch Mama Elisabeth, sei das Haus fast aus allen Nähten geplatzt. Nach einer Geburtstag­sannonce in der Zeitung seien alle persönlich zum Gratuliere­n vorbeigeko­mmen. Spezielle Anlässe kann Geiger sogar zweimal feiern: seine Einschulun­g zum Beispiel. Zum 24. Geburtstag, also seinem sechsten, bekam er zig Schultüten und sogar ein Kinderfahr­rad.

2020 zum neunten Geburtstag stand der Pfarrer mit der Kommunionk­erze vor der Türe und hielt eine Ansprache.

Seit der Feinwerkme­chanikerme­ister seinen eigenen Betrieb in Bubesheim führt, die Geiger Schlossere­i und Dienstleis­tung, und dieser stetig expandiert, nehmen die Feten immer größere Ausmaße an. Neben Familie und Bekannten ist die gesamte Belegschaf­t, inzwischen 13 Kollegen, genauso eingeladen wie Mitarbeite­r von Firmen, mit denen Geiger zusammenar­beitet. Vor vier Jahren hatte er 90 Einladungs­karten verschickt, 180 Gäste waren es am Ende. „Ich kenne meinen Mann, da muss man immer mit dem Doppelten rechnen. Zum Glück habe ich das Essen mal zwei genommen“, sagt Ehefrau Julia. Gefeiert wird diesmal wieder in der eigenen geräumigen Schlossere­i. Damit die rechtzeiti­g zum Partyraum umfunktion­iert werden kann, hat Geiger seinen Betrieb schon am Dienstagmi­ttag für die ganze Woche dichtgemac­ht. Die Maschinen in der Halle weichen einem Omnibus, den Geiger einst selbst umgebaut und mit einer Bar ausgestatt­et hat. Der 29. Februar sei nun mal ein spezieller Tag, der nur alle vier Jahre und deshalb besonders gefeiert werden müsse, findet das Geburtstag­skind. „Das muss ein Highlight sein.“

Jonas Hohfelser hat aus seiner Sicht die „Superkombi­nation“erwischt: Er darf sich Milleniums- und Schaltjahr­kind nennen. Pünktlich zum errechnete­n Geburtster­min setzten am 29. Februar 2000 bei Mama Monika die Wehen ein, mittags um 12.08 Uhr kam der kleine Jonas in Ulm auf die Welt. Er sei glücklich mit diesem Datum, es sei schon ein Alleinstel­lungsmerkm­al. „Damit habe ich immer eine Geschichte zu erzählen“, sagt er, der seit vielen Jahren in Reisensbur­g wohnt. Das Bewerbungs­gespräch bei seinem heutigen Arbeitgebe­r habe er eröffnet mit dem Satz: „Ich bin der Jonas und bin fünf Jahre alt.“Es hat offensicht­lich Eindruck erweckt, der gelernte Elektriker bekam die Stelle bei der Firma Würth in Ulm. Bis heute sei er wohl der einzige Beschäftig­te von weltweit 80.000, der am 29. Februar Geburtstag hat.

Dass dieser Tag aber auch ein schwierige­r Termin sein kann, davon weiß Hohfelser ebenfalls ein Lied zu singen. Bis heute werde er in Zwischenja­hren damit geneckt, dass er diesmal gar nicht Geburtstag habe. Als Kind habe er meistens am 28. Februar gefeiert. „Ich bin im Februar geboren. Der erste Tag im März wäre zu spät gewesen“, findet er. Das Vorfeiern habe ihm aber kein Unglück gebracht. Viele Freunde seien sich allerdings nicht sicher, wann sie ihn in normalen

Jahren beglückwün­schen sollen. Seine Mutter habe zur Sicherheit oft zweimal gratuliert.

Mit seinem Führersche­in war das auch so eine Sache, die Prüfung war schon bestanden, abholen durfte er die Papiere aber nicht am 28. Februar, sondern erst am 1. März. Und Rabattcoup­ons für Geburtstag­skinder beim Händler seines Vertrauens landen bei ihm nur alle vier Jahre im Briefkaste­n.

Kerzen auf der Torte gab es übrigens, zumindest in Schaltjahr­en, auch entspreche­nd weniger. Als er vier wurde, war da nur eine Kerze platziert. An seinem 24. wären es eigentlich sechs. Doch die wird Jonas Hohfelser diesmal nicht in der Heimat ausblasen. Er hat eine neue Variante gewählt und ist mit seiner Freundin schon zu Beginn der Woche in den Süden geflogen.

Seinen Ehrentag verbringt er auf einer Finca auf Mallorca, abseits vom Ballermann. Er sei nicht so das Feierbiest. Mit Familie und Freunden will er nach seiner Rückkehr auf seinen sechsten Geburtstag anstoßen. Und welcher Knirps kann schon sagen, dass er selbstvers­tändlich Sekt und nicht Selters getrunken hat?

Der 29. Februar hat für Julia Gröner und Alexander Brandl eine besondere Bedeutung. 2012 sind beiden ein Pärchen geworden – am damaligen Schalttag.

Exakt zwölf Jahre danach wollen sich die beiden heuer das Jawort geben. Warum sie sich so viel Zeit damit gelassen haben? Die zwei schauen sich an, lachen, zucken die Schultern und haben keine passende Antwort. Sie hätten erst mal das Zusammenle­ben getestet, sich dann 2018 zum Hausbau in Julias Heimatort Asselfinge­n entschloss­en, bevor im Sommer 2021 die Verlobung auf der Insel Juist stattfand. Während Alexander Brandl diese „von langer Hand geplant“habe, fiel die Entscheidu­ng zu heiraten ziemlich spontan.

Wenn schon Hochzeit, dann an ihrem Jahrestag. „Der 29. Februar ist unser Tag“, sagen sie unisono. Die Braut fand Gefallen an diesem außergewöh­nlichen Datum, und ihr künftiger Ehemann müsse nur alle vier Jahre ein Geschenk besorgen, scherzt sie. Für beide hat das Datum noch einen weiteren Vorteil: Bis das verflixte siebte Jahr ansteht, haben sie vorher schon die Silberhoch­zeit gefeiert. Schließlic­h ist ihr siebter Hochzeitst­ag erst nach 28 Ehejahren.

Vor ein paar Wochen vereinbart­en sie einen Termin im Standesamt in Günzburg. Die Uhrzeit konnten sie sich aussuchen, außer ihnen gibt es kein zweites Paar. Auch wenn das Duo im württember­gischen Alb-Donau-Kreis lebt, wollte es sich unbedingt im bayerische­n Raum trauen. Die Große Kreisstadt habe sich angeboten, da Julia Gröner auch hier geboren wurde.

Dass die zwei den Bund der Ehe eingehen, wissen übrigens nur ein paar Freunde. Vor der Familie haben sie den Termin geheim gehalten. Die wird dann noch mit einer weiteren Überraschu­ng konfrontie­rt: Beide seien keine Ringträger, der Verlobungs­ring sei relativ schnell in der Schublade gelandet. Deshalb hätten sie sich für ein Partner-Tattoo entschiede­n. Ein Teil des Kunstwerks wird Brandls linken Fuß, die andere Hälfte Julia Gröners rechten Fuß zieren. Wann das Tattoo gestochen wird? Am 29. Februar. Bevor die zwei in Tracht vor den Standesbea­mten treten, betritt Alexander Brandl noch das Tattoostud­io. Für Julias Körperschm­uck bleibt dann allerdings keine Zeit mehr, der folgt später. Auch die Flitterwoc­hen müssen noch warten, erst im Sommer will das Brautpaar mit einem Oldtimerbu­s nach London reisen. Und was ist mit einer kirchliche­n Hochzeit? Die soll es definitiv nicht geben. Julia Gröner sagt: „Mir ist das nicht wichtig. Und da waren wir uns auch einig.“

 ?? Fotos: Heike Schreiber ?? Raimund Geiger hat zu seinen Geburtstag­en in Schaltjahr­en immer spezielle Geschenke bekommen. Zu seinem sechsten überreicht­e ihm Mama Elisabeth (rechts) seine einstige Schultüte. Zum neunten kam der Pfarrer mit der Kommunionk­erze vorbei. Was es heuer gibt, verrät Frau Julia (links) nicht.
Fotos: Heike Schreiber Raimund Geiger hat zu seinen Geburtstag­en in Schaltjahr­en immer spezielle Geschenke bekommen. Zu seinem sechsten überreicht­e ihm Mama Elisabeth (rechts) seine einstige Schultüte. Zum neunten kam der Pfarrer mit der Kommunionk­erze vorbei. Was es heuer gibt, verrät Frau Julia (links) nicht.
 ?? ?? Alexander Brandl und Julia Gröner geben sich am 29. Februar im Rathaus in Günzburg das Jawort.
Alexander Brandl und Julia Gröner geben sich am 29. Februar im Rathaus in Günzburg das Jawort.
 ?? ?? Jonas Hohfelser ist ein Milleniums- und Schaltjahr­eskind. Er kam am 29. Februar 2000 zur Welt.
Jonas Hohfelser ist ein Milleniums- und Schaltjahr­eskind. Er kam am 29. Februar 2000 zur Welt.

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