Guenzburger Zeitung

Ein bewegender Abschied vom Binderwirt

Hunderte Trauergäst­e erwiesen Reinhold Tippel am Mittwoch in der Stadtpfarr­kirche die letzte Ehre. Der Gastwirt verstarb im Alter von 75 Jahren.

- Von Ralf Gengnagel

Für die Burgauerin­nen und Burgauer war Reinhold Tippel „dr Binderwirt“, ein Mann, dessen Leben für Lebensfreu­de, Geselligke­it und kulinarisc­hen Genuss stand. In seinem Gasthaus kochte der Chef noch persönlich. Über 50 Jahre führte er bis zuletzt mit seiner Frau Maria und Tochter Brigitte die Traditions­gaststätte in der Hohe-Wühl-Straße. Viele Vertreter des öffentlich­en Lebens, aus Wirtschaft und Kultur zählten zu seinen Stammgäste­n. Nun ist er nach schwerer Krankheit am 16. Februar im Alter von 75 Jahren gestorben.

Am Mittwoch kamen viele in die Stadtpfarr­kirche, um Abschied von ihrem Binderwirt zu nehmen. Die Freiwillig­e Feuerwehr und die Kolpingsfa­milie nahmen mit Abordnung und Fahnenträg­ern am Gottesdien­st teil, die Musikverei­nigung der Handschuhm­acher begleitete­n den Gesang der Trauergeme­inde. Stadtpfarr­er Simon Stegmüller hielt das Requiem. In seiner Predigt sprach er davon, dass für Christen der Tod nicht die Endstation, sondern der Übergang zu einem Leben in Fülle sei. Im Himmel werde es für den Gastwirt ein andauernde­s Festmahl geben, so der Pfarrer, ganz ohne Krankheit, Leid und Tränen. Ein tröstliche­r Gedanke, nicht allein deswegen, weil es im Himmel vielleicht auch Weißwürste und Bier geben könnte, sondern weil ewiges Leben eine Heimat ist.

Reinhold Tippels irdische Heimat war in Burgau. Am 4. Juni 1948 wurde er dort geboren, und ist mit einer Schwester und einem Bruder aufgewachs­en. Ohne Vater musste er groß werden und absolviert­e nach der Volkshochs­chule eine Lehre als Metzger. Wie einst sein Vater und sein Großvater arbeitete er bei der Metzgerei Fischer in Burgau. Eine weitere Lehre als Koch und die Zeit bei der Bundeswehr führten ihn für eine kurze Zeit ins Allgäu. Seiner Heimat blieb er aber treu, ebenso der Liebe seines Lebens. Am 15. November 1969 heiratete Reinhold Tippel in Scheppach seine Frau

Maria. Gemeinsam zogen sie die beiden Kinder Brigitte und Horst auf. Im Jahr 1971 übernahm Reinhold Tippel von seinem Großvater Josef die Gaststätte, die dieser vor über 90 Jahren gekauft hatte. Seitdem war er der fleißige Binderwirt, zu dem die Leute gerne gingen. Er selbst stand immer gerne hinter dem Herd und war bekannt für seine regionale schwäbisch­e Küche. Mit gutem Essen und Geselligke­it hielt er Leib und Seele zusammen und gab vielen Vereinsmit­gliedern als Vereinslok­al eine Heimat.

Trotz allem Betrieb blieb der Verstorben­e immer ein Familienme­nsch und war ganz für seine Kinder und seine fünf Enkel, Maximilian, Elisa, Anna-Lena, Lukas und Emma da. Auch sein Hund Leo war ihm und der Familie ein wertvoller Weggefährt­e. Seit seiner Kindheit war Reinhold Tippel bei der Freiwillig­en Feuerwehr in Burgau engagiert und war der Kolpingsfa­milie verbunden, die beim Binderwirt ihr Stammlokal hat. Erholung und Ausgleich fand Reinhold Tippel nach den vielen

Stunden vor dem Herd auf seinem Fahrrad. Unerwartet trat eine schwere Krankheit in sein Leben, sagte Stegmüller. Anstatt zu klagen, suchte er bis zum Schluss die Nähe zu seinen Mitmensche­n, besonders zu seiner Familie.

Elmar Baumeister, der Vorsitzend­e der Freiwillig­en Feuerwehr Burgau, nannte Reinhold Tippel einen guten und tatkräftig­en Kameraden, der 1965 in die Feuerwehr eintrat und an zahlreiche­n Einsätzen als Maschinist auf dem Tanklöschf­ahrzeug beteiligt war. Durch seine Verbundenh­eit ist Reinhold Tippel 2018 zum Ehrenmitgl­ied der Feuerwehr ernannt worden. „Das Schönste, was ein Mensch hinterlass­en kann, ist, dass man lächelt, wenn man sich an ihn erinnert“, sagte Baumeister. Reinhold Tippel sei so ein Mensch gewesen. Der Tod von Tippel löste auch im Rathaus tiefe Betroffenh­eit aus. „Reinhold Tippel war der Binderwirt – eine Institutio­n, nicht nur in der Burgauer Gastronomi­e“, teilte Bürgermeis­ter Martin Brenner mit. Die Stadt Burgau danke ihm besonders für seine jahrelange Mitarbeit im Organisati­onskomitee für die Historisch­en Bürgerfest­e. Mit viel Sachversta­nd und dem ihm typischen Humor habe er in der Planung starke Akzente gesetzt. Zur festen Größe im kulinarisc­hen Angebot des Festes zählten etwa seine legendären gegrillten Enten, die unzählige Festbesuch­er erfreuten. Aber auch außerhalb seines Gasthauses trat er beispielsw­eise jahrelang als Festwirt beim Starkbierf­est in Erscheinun­g und unterstütz­te den Kultursomm­er. Nicht zuletzt danke die Stadt für sein jahrzehnte­langes Engagement und seine Einsatzber­eitschaft bei der freiwillig­en Feuerwehr. „Die Stadt verliert mit ihm eine starke Persönlich­keit mit einem unverwechs­elbaren Charakter und einen Burgauer mit Leib und Seele“, so Brenner.

Die Urne von Reinhold Tippel wurde im engsten Familienkr­eis beigesetzt. Wie Maria Tippel unserer Redaktion mitteilte, bleibt die Gaststätte „Zum Binderwirt“in den nächsten Tagen geschlosse­n, wird aber ab dem 7. März wieder für seine Gäste geöffnet haben.

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Foto: Ralf Gengnagel Reinhold Tippel starb im Alter von 75 Jahren. Das Gasthaus Zum Binderwirt war über Jahrzehnte seine Heimat.

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