Guenzburger Zeitung

Korrekte Kunst, jetzt!

Macht Monika Gruber gutes Kabarett? Ist es richtig, Jim Knopf zu verändern? Muss ein Eklat wie bei der Berlinale verhindert werden? Wäre doch schön, wenn sich das Gute und Richtige in der Kultur durchsetze­n würde, oder?

- Von Wolfgang Schütz

Irgendwann, vielleicht noch gar nicht so lange, da war alles noch in Ordnung, oder? Da nahmen Kabarettis­ten aus eher linksliber­aler Perspektiv­e im Namen von Freiheit und Gleichheit und Aufklärung die Politik aufs Korn. Da thematisie­rten Künstlerin­nen und Künstler etwa auch bei der Documenta das Leiden in der Welt da draußen und die Falschheit im Leben hier – und Politiker flanierten durch die Ausstellun­gen und lobten den notwendig kritischen Geist der Kultur. Und zeigte sich die Filmwelt auch noch bei den größten Galas vereint in der Solidaritä­t mit all dem Leid aufseiten nur einer Partei eines aktuellen Krieges, „Stand with Ukraine“– und alles applaudier­te nicht nur während der Veranstalt­ung, sondern auch danach noch einmütig.

In solchen Zeiten der gegenwärti­gen Ordnung konnte man sich doch noch schön Gedanken machen, was aus heutiger allein guter und richtiger Sicht in der aus vergangene­n Zeiten stammenden Kultur eben noch nicht ganz gut und richtig war, und sei es in der Fantasie: Winnetou etwa, den Apachenhäu­ptling aus der Verzeichnu­ng der so klischiert­en (Verzeihung:) „Indianer“zu erretten.

Aber halt, da ist jetzt auch etwas durcheinan­dergeraten. Denn das Redigieren des Überliefer­ten hält ja nach wie vor an: siehe aktuell etwa die Zeichnunge­n und Bezeichnun­gen von Jim Knopf. Oder die deutsche Initiative Critical Classics etwa, die nun die Opern-Tradition einer Revision unterzieht und als Erstes „Die Zauberflöt­e“überarbeit­et hat, es sollen auch „Carmen“und „Madame Butterfly“folgen, vordringli­ch allerdings die „Johannespa­ssion“. Als wäre sonst alles gegenwärti­g noch in gewohnter Ordnung gut und richtig. Aber bitte, wo denn?

Erlebt nicht gerade ein Kabarett eine Blüte, das konservati­v gegen den Zeitgeist wettert? Von Massen umjubelt stellt sich doch etwa eine Monika Gruber gegen den vermeintli­chen, irgendwie linken, jedenfalls grünen Mainstream. Und nicht nur von der Kunst der letzten Documenta bis zu den Preisträge­rn der Berlinale zuletzt – sondern bis hinein in einzelne Museumsver­anstaltung­en wie neulich im Hamburger Bahnhof in Berlin, wo Aktivisten einen Vortrag gerade auch gegen das Canceln von Meinungen stürmten und Deutschlan­d als Faschisten-Staat beschimpft­en, weil es im Gazakrieg solidarisc­h an Israels Seite steht: Überall, so scheint es, flammt in der Kultur in propalästi­nensischen Protesten eine äußerst israelkrit­ische, in Teilen antisemiti­sche Haltung auf – und wird teils beklatscht. Meinungsfr­eiheit und künstleris­che Freiheit schön und gut, heißt es da: Aber das ist doch alles nicht mehr gut und richtig, nicht mehr korrekt! Wo ist die Ordnung hin?

Nun könnte man angesichts der künstleris­ch offenbar ziemlich mauen Berlinale und einer durchwachs­enen Documenta etwa sagen: Es wäre schön, wenn die Kulturscha­ffenden sich zunächst mal einfach um gute Kunstwerke kümmern würden, statt sich persönlich in Szene zu setzen und als Aktivisten zu verstehen – was allerdings immer irgendwie auch okay schien, sofern es ums ausgemacht Gute und Richtige ging. Aber konstatier­en lässt sich bei all dem eben auch: Diesen so oft beschworen­en kritischen Geist den Künstlerin­nen und Künstlern zuzugesteh­en, das beweist sich ja gerade dann, wenn es mal wieder wehtut und eben gar nicht korrekt erscheint. Für den richtigen Rahmen sorgen ja die Verfassung und demnach die

Gerichte, die etwa in Verdachtsf­ällen der Volksverhe­tzung eingeschal­tet werden können. Und wer von Kulturscha­ffenden einen ausgeglich­enen und rationalen Blick einfordert, der verkennt: In deren Selbstvers­tändnis, immer wieder gerne in Sonntagsre­den bestätigt und genährt, solange es nicht wehtat, regiert die Hybris des bedeutsame­n Blickes, einer unbequemen Wahrhaftig­keit, die nach Kompromiss­losigkeit geradezu zu verlangen scheint – ob sie sich in so komplexen Entwicklun­gen wie dem Nahost-konflikt nun auskennen, und sei es, dass sie nur ihr Bauchgefüh­l und ihre Ressentime­nts kultiviere­n und überhöhen.

Und wenn sie sich wie missionari­sche Hofnarren und selbst beseelte Verquerköp­fe aufführen – hätte je jemand behauptet, dass Künstlerin­nen und Künstler, mögen sie gerade damit erfolgreic­h sein oder eben nicht, bei all ihren mehr oder weniger besonderen Fähigkeite­n, besonders kluge Menschen sein müssen? Gibt es nicht Gegenbeisp­iele reichlich, auch in der Tradition, weit jenseits der zeitgepräg­ten Darstellun­gs- und Sensibilit­ätsfragen von Winnetou bis Jim Knopf? Dass sie durch ihr Schaffen eine Bühne erhalten, die ihr Halt-auch-irgendwieR­umdenken über die Welt eine mitunter etwas zu arg große Aufmerksam­keit zukommen und sie dann mitunter, gestärkt in ihren Blasen, mit besonderem Bedeutungs­bewusstsei­n auftreten lässt, scheint zum Gesellscha­ftsspiel zu gehören, in dem sich letztlich die freie Gesellscha­ft ja gerade beweist. Das gilt es auszuhalte­n, dafür lassen sich Auftritte dann eben auch offen kritisiere­n.

Wer Künstler und Kunst nur korrekt oder sonst gar nicht will, lebte am besten außerhalb der Zeit, wo sich alles aufs Gesinnungs­genehme hin redigieren ließe wie ein altes Buch. Eine ganz andere Frage ist, ob das, was von den Bühnen da so oft pubertär posaunt wird, auch für wichtig gehalten werden muss. Aber an Bedeutung, Prominenz und Eklat besäuft sich die sogenannte Gegenwarts­kultur auch in ihrer medialen Bespiegelu­ng halt allzu gerne. Und nur weil etwas unbequem ist, muss es noch lange nicht wahr sein.

Also bitte: Die Künstler nicht immer ernst nehmen, gerade auch dann, wenn sie sagen, was man selber hören will. Denn eindeutige Kunst ist in aller Regel eben auch das: schlechte Kunst. Und je augenfälli­ger die gesellscha­ftliche Irrelevanz des kulturelle­n Schaffens wird, desto lauter und eindeutige­r scheint der politische Aktivismus der Protagonis­ten zu werden. Billiger Populismus für die eigenen Publikumbl­asen – das Gegenteil von Kunst.

Wer sagt eigentlich, dass Künstler besonders kluge Menschen sind?

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Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa Die Filmschaff­enden mit ihren Statements bei der Berlinale.
 ?? Die Kabarettis­tin Monika Gruber. Foto: Ralf Lienert ??
Die Kabarettis­tin Monika Gruber. Foto: Ralf Lienert
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Foto: Thienemann Verlag Der neue Jim Knopf.

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