Guenzburger Zeitung

Ein wütender Oscar-Kandidat

Der Regisseur I˙ lker Çatak ist mit „Das Lehrerzimm­er“für den begehrtest­en aller Filmpreise nominiert. Was ihn weniger freut: die Berichters­tattung darüber.

- Stefanie Wirsching

I˙ lker Çatak ist 1984 in Berlin als Enkel türkischer Einwandere­r geboren. Sein Großvater, ein Bauer, lernte erst in Deutschlan­d lesen und schreiben. Der Enkelsohn ist nun für einen Oscar nominiert – und zwar für den Film „Das Lehrerzimm­er“, der als deutscher Beitrag in der Kategorie bester ausländisc­her Film ins Rennen geht. Ist das nicht eine inspiriere­nde Geschichte über gelungene Integratio­n? Fragt gerade öffentlich der Regisseur Çatak, in dem sich seit seiner Oscar-Nominierun­g gewaltiger Ärger angestaut hat: Und zwar über die deutschen Medien, die seiner Ansicht nach seinen Namen bei der Oscar-Berichters­tattung unter den Tisch fallen lassen. Sandra

Hüller werde genannt, nominiert als beste Schauspiel­erin, und Wim Wenders, dessen Film „Perfect Days“als japanische­r Beitrag ebenfalls für den besten ausländisc­hen Film nominiert ist. Aber der Name I˙ lker Çatak tauche nur selten auf – und wenn, dann häufig im Nebensatz und falsch geschriebe­n. Es entstehe der Eindruck, man brauche einen deutschen Namen, um erwähnt zu werden.

Handelt es sich um strukturel­len Rassismus in den deutschen Medien? Ist die häufigere Nennung der Namen von Wenders und Hüller vielleicht auch deren Prominenz geschuldet? Für

Çatak, der in Hamburg lebt, war sein Wutausbruc­h jedenfalls überfällig. Er habe seine Migrations­geschichte lange nicht thematisie­rt, „auch wenn es genug Anlass dazu gegeben habe“, erklärte er in der Süddeutsch­en Zeitung: Er habe sogar selbst seinen Namen falsch geschriebe­n, um ihn der deutschen Sprache anzupassen. „Ich wollte dazugehöre­n, und ich dachte auch, ich gehöre dazu.“Nun aber sei ihm klargeword­en, „ich werde in meiner Heimat wie ein Fremder behandelt“. Aufgewachs­en ist Çatak Jahre in Berlin, sein Abitur machte er an der Deutschen Schule in

Istanbul, dort lernte er auch Johannes Duncker kennen, mit dem er das Drehbuch für „Das Lehrerzimm­er“verfasste – sein vierter Film, prämiert bereits mit dem deutschen Filmpreis. Zuvor drehte er unter anderem „Es war einmal Indianerla­nd“, „Es gilt das gesprochen­e Wort“, für seinen Abschlussf­ilm „Sadakat“erhielt er den Studenten-Oscar. Bei aller Wut, es gehe ihm um eine grundsätzl­iche Sensibilis­ierung. Die Oscar-Academy hat ihm neulich übrigens eine E-Mail geschickt und um ein Audiofile mit der korrekten Aussprache seines Namens gebeten. Diese Feinfühlig­keit, so Çatak, „würde ich mir für Deutschlan­d wünschen“.

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Foto: Chris Pizzello/Invision via AP, dpa

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