Ein wütender Oscar-Kandidat
Der Regisseur I˙ lker Çatak ist mit „Das Lehrerzimmer“für den begehrtesten aller Filmpreise nominiert. Was ihn weniger freut: die Berichterstattung darüber.
I˙ lker Çatak ist 1984 in Berlin als Enkel türkischer Einwanderer geboren. Sein Großvater, ein Bauer, lernte erst in Deutschland lesen und schreiben. Der Enkelsohn ist nun für einen Oscar nominiert – und zwar für den Film „Das Lehrerzimmer“, der als deutscher Beitrag in der Kategorie bester ausländischer Film ins Rennen geht. Ist das nicht eine inspirierende Geschichte über gelungene Integration? Fragt gerade öffentlich der Regisseur Çatak, in dem sich seit seiner Oscar-Nominierung gewaltiger Ärger angestaut hat: Und zwar über die deutschen Medien, die seiner Ansicht nach seinen Namen bei der Oscar-Berichterstattung unter den Tisch fallen lassen. Sandra
Hüller werde genannt, nominiert als beste Schauspielerin, und Wim Wenders, dessen Film „Perfect Days“als japanischer Beitrag ebenfalls für den besten ausländischen Film nominiert ist. Aber der Name I˙ lker Çatak tauche nur selten auf – und wenn, dann häufig im Nebensatz und falsch geschrieben. Es entstehe der Eindruck, man brauche einen deutschen Namen, um erwähnt zu werden.
Handelt es sich um strukturellen Rassismus in den deutschen Medien? Ist die häufigere Nennung der Namen von Wenders und Hüller vielleicht auch deren Prominenz geschuldet? Für
Çatak, der in Hamburg lebt, war sein Wutausbruch jedenfalls überfällig. Er habe seine Migrationsgeschichte lange nicht thematisiert, „auch wenn es genug Anlass dazu gegeben habe“, erklärte er in der Süddeutschen Zeitung: Er habe sogar selbst seinen Namen falsch geschrieben, um ihn der deutschen Sprache anzupassen. „Ich wollte dazugehören, und ich dachte auch, ich gehöre dazu.“Nun aber sei ihm klargeworden, „ich werde in meiner Heimat wie ein Fremder behandelt“. Aufgewachsen ist Çatak Jahre in Berlin, sein Abitur machte er an der Deutschen Schule in
Istanbul, dort lernte er auch Johannes Duncker kennen, mit dem er das Drehbuch für „Das Lehrerzimmer“verfasste – sein vierter Film, prämiert bereits mit dem deutschen Filmpreis. Zuvor drehte er unter anderem „Es war einmal Indianerland“, „Es gilt das gesprochene Wort“, für seinen Abschlussfilm „Sadakat“erhielt er den Studenten-Oscar. Bei aller Wut, es gehe ihm um eine grundsätzliche Sensibilisierung. Die Oscar-Academy hat ihm neulich übrigens eine E-Mail geschickt und um ein Audiofile mit der korrekten Aussprache seines Namens gebeten. Diese Feinfühligkeit, so Çatak, „würde ich mir für Deutschland wünschen“.