Was Frauen wollen
Es geht um gleiche Rechte und Selbstbestimmung: Eine junge Politikerin, eine Unternehmerin und eine Transfrau aus dem Kreis Günzburg sprechen über den Weltfrauentag.
Der 8. März gehört allein den Frauen. Seit mehr als 100 Jahren stehen an diesem Tag Frauen für ihre Rechte ein. Doch Transfrau Johanna Baader und Stadträtin Hannah Sperandio hoffen: Dass es einen Frauentag irgendwann nicht mehr braucht. In insgesamt 26 Staaten gibt es den Frauentag, in Deutschland ist dieser in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sogar ein gesetzlicher Feiertag. Der Tag steht heuer unter dem Motto „Inspire Inclusion“.
Der Terminus Inklusion ist jedoch im deutschen Sprachgebrauch vor allem mit einer Teilhabe von Menschen mit Behinderung besetzt. Eine sinngemäß „richtige“Übersetzung wäre bei dem aufgerufenen Motto eher „Gleichberechtigung anregen“.
In Italien etablierte sich etwa der Brauch, den Frauen in Erinnerung an die politischen und sozialen Kämpfe Mimosen zu schenken. Blumen für die Frauen – eine schöne Tradition, findet Angelika Hosser: „Als ich das erste Mal am 8. März in Italien war, feierten alle Frauen zusammen. Die Tradition habe ich dann nach Deutschland mitgenommen.“Seither organisiert die 56-Jährige jedes Jahr einen Frauenabend, heuer im Gasthaus Munding in Krumbach. An diesem Abend gehe es einfach ums Frau-sein. Darum, sich gegenseitig wertzuschätzen und zu unterstützen. Auch wenn über die Jahre schon viel erreicht worden sei, sei noch keine absolute Gleichberechtigung vorhanden, sagt Hosser: „Wir müssen immer noch aufstehen. Ich wünsche mir, dass wir irgendwann so weit sind, dass Frauen nur nach ihrem Können und nicht nach ihrem Aussehen beurteilt werden.“
Diese Erfahrung, lediglich auf das Äußere reduziert zu werden, erlebte auch Lena Dietmair: „Jung, Frau und blond. Als Unternehmerin werde ich daher oft nicht ernst genommen.“Im Beruf habe es immer wieder den Moment gegeben, dass ihre neuen Ideen lediglich belächelt wurden. Die Inhaberin der Parfümerie Bellissima in Krumbach hofft, dass es irgendwann zur gängigen Normalität gehöre, als junge Frau erfolgreich zu sein. Allein, dass sie nun darüber rede, zeige schon, dass eine Frau als Unternehmerin noch etwas Besonderes darstellt.
Das Recht der Frauen, selbst über ihre Arbeit zu bestimmen, wurde in Deutschland lange erkämpft. Noch bis 1958 konnte ein Mann den Anstellungsvertrag seiner Frau ohne deren Zustimmung kündigen. Bis 1962 durften Frauen kein eigenes Bankkonto haben und bis 1977 konnten sie nur mit Zustimmung der Männer arbeiten. Nach wie vor sind Führungspositionen vorwiegend von Männern besetzt, nach wie vor existiert ein Gender-Pay-Gap. Wie kann dieses Ungleichgewicht aufgehoben werden? „Es muss mehr darüber kommuniziert und Frauen unterstützt werden. Ich hoffe, dass es irgendwann normal ist, über Frauen in Führungspositionen zu reden“, sagt Dietmair.
In den meisten Branchen wurden alte Rollenbilder abgebaut. Jedoch nicht überall – etwa in den oberen Ligen des Bankwesens ist vor allem eins zu sehen: Männer im feinen Anzug, Männer mit Krawatten, Männer, die sich untereinander die Hände schütteln. Noch ist in vielen Bereichen keine Geschlechterparität erreicht. Politische Ämter, vor allem auf nationaler Ebene, werden überwiegend von Männern übernommen. Laut Statistischem Bundesamt sind im globalen Durchschnitt lediglich 26,8 Prozent aller Parlamentsabgeordneten weiblich. Im Deutschen Bundestag liegt der Frauenanteil
bei 35,3 Prozent. Die junge Günzburger Stadträtin Hannah Sperandio wünscht sich nicht nur eine Veränderung der weiblichen Unterrepräsentation, die 23-Jährige blickt auch mit Sorge auf die bestehende Parteienlandschaft. Bei der Europawahl seien mitunter Parteien vertreten, die in ihren Gesinnungen ein überkommenes Rollenbild der kinderreichen Frau am Herd anstreben. „Hier muss eine klare Stellung bezogen werden“, sagt die kürzlich vereidigte Stadträtin.
Sie wünscht sich, dass junge Frauen nicht am Herd, sondern mitten im politischen Alltag stehen. Gleichberechtigung könne generell durch eine offene Lebenshaltung inspiriert werden. Sperandio denkt dabei nicht nur an Frauen: „Andere Dinge, die nicht der Norm entsprechen, haben auch ihre Daseinsberechtigung. Diese Offenheit müssen wir klar kommunizieren.“
Gleichberechtigung beschäftigt Johanna Baader ebenfalls – gerade auch in Bezug ihrer Person und Umstände: „Als Transfrau erlebe ich täglich Anfeindungen, aber auch Bewunderung. Manchmal habe ich den Eindruck, wir leben noch in der Steinzeit.“Für sie besitzt der 8. März eine besondere Bedeutung:
„Der Weltfrauentag ist wichtig, um uns Frauen Gehör zu verschaffen und immer wieder an den Kampf der Gerechtigkeit zu erinnern.“
Bei diesem Kampf geht es Johanna Baader nicht nur um Frauen: „Aus meiner Sicht hat jeder sein Recht auf Selbstbestimmung.“Dieses Recht ist nicht überall selbstverständlich. Ein Blick außerhalb Deutschlands offenbart die prekäre Lage, in der sich viele Frauen befinden. Laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte werden etwa Frauen im Iran in fast allen Rechtsbereichen stark benachteiligt und systematisch entrechtet. Das geistliche Patriachat als Fundament der Islamischen Republik Iran schließe eine Gleichberechtigung kategorisch aus.
Daher ist der 8. März für Angelika Hosser nicht nur ein Tag zur Freude. Am Internationalen Frauentag sei sie in Gedanken auch bei all den unterdrückten Frauen im Iran und in Afghanistan, die immer noch für ihre Rechte aufstehen müssen: „Am Frauentag ist es das Wichtigste, die Frauengemeinschaft zu feiern und an die zu denken, denen es nicht so gut geht. Nach wie vor ist unser Kampfgeist gefragt.“