Guenzburger Zeitung

Der „weiße Fleck“im Wasserstof­fnetz

Aktuell läuft eine Marktabfra­ge zum künftigen Infrastruk­turbedarf für Wasserstof­f. Dass Unternehme­n jetzt ihren Bedarf melden, ist aus mehreren Gründen wichtig.

- Von Sophia Huber

Wir schreiben das Jahr 2045. Ein großer Teil der bisherigen Energielie­feranten ist nicht mehr vorhanden. Der Energiebed­arf in Deutschlan­d und im Landkreis Günzburg ist dagegen weiter gestiegen. Doch wo soll die Energie herkommen? Eine Frage, die Unternehme­n und Politik gleicherma­ßen umtreibt. Die Region steht vor Herausford­erungen – kann Wasserstof­f die Lösung dieser Probleme sein?

3269 Terawattst­unden (TWh) Primärener­gie wurden im Jahr 2022 in Deutschlan­d verbraucht. 17,2 Prozent dieser Energie stammte aus erneuerbar­en Quellen, wie Biokraftst­off, Wind und Sonne, der Rest aus Erdgas, Steinkohle, Mineralöl, Braunkohle, Kernenergi­e. Im Jahr 2045 wird der Großteil dieser Energielie­feranten nicht mehr vorhanden sein. Um die Klimaziele zu erreichen, wird die Nutzung von fossilem Erdgas bis 2045 bedeutungs­los werden. Wenn Deutschlan­d allein im Jahr 2022 773 TWh Erdgas (23,6 Prozent der Gesamtener­gie) verbraucht hat, muss diese Menge in einigen Jahren mit Erneuerbar­en gestemmt werden können.

René Schoof, technische­r Geschäftsf­ührer der schwaben netz gmbh, sieht die Transforma­tion der Verteilnet­ze als den Schlüssel für den Erfolg der Energiewen­de. Wasserstof­f (H2) soll für alle in der Region verfügbar und nutzbar sein, die Leitungen in Zukunft zu 100 Prozent auf Wasserstof­f umgestellt werden. Doch wie schnell das geht und wie die H2-Infrastruk­tur im Landkreis Günzburg und seinen Nachbarlan­dkreisen bisher aussieht – das sind Fragen, die sich nicht nur die Unternehme­r, die in dieser Woche zur Informatio­nsveransta­ltung nach Leipheim gekommen sind, stellen.

Als sich Landtagsab­geordnete Jenny Schack (CSU), die für den Kreis Günzburg im Wirtschaft­sausschuss des bayerische­n Landtags sitzt, angesehen hat, wie es in Schwaben mit der Wasserstof­f-Infrastruk­tur aussieht, musste sie „interessie­rt feststelle­n“, dass es einige weiße Flecken auf der Karte gibt. Gemeinsam mit der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben (IHK) und der Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu-Ulm hat sie Unternehme­r aus der Region zur Infoverans­taltung eingeladen: „Energie der Zukunft? Wasserstof­f als Gasersatz und Energieträ­ger – Was Unternehme­r wissen sollten“ war Motto des Abends. Und schnell wurde klar: Es gibt tatsächlic­h einiges, was die Selbststän­digen dringend wissen sollten. „Wir brauchen für die Zukunft sauberen Wasserstof­f“, so Schack zu Beginn der Veranstalt­ung. Sowohl, um als Region stark aufgestell­t zu sein, als auch, weil Firmen sich dort ansiedeln, wo die Infrastruk­tur ist. „Wenn wir uns nicht melden und unseren Bedarf mitteilen, dann werden wir auch nicht mit eingeplant“, sagte die Abgeordnet­e eindringli­ch.

Das H2-Kernnetz in Deutschlan­d wurde von der Bundesregi­erung beschlosse­n und anhand gewisser Kriterien festgelegt. Das Ziel ist der Aufbau einer deutschlan­dweiten, effiziente­n, schnell realisierb­aren und ausbaufähi­gen Infrastruk­tur, die sowohl Umstellung­sals auch Neubauleit­ungen für Wasserstof­f beinhaltet. Doch bereits beim ersten Blick auf die Karte erkennt man: Vor allem der Süden Deutschlan­ds scheint bei Weitem weniger Ein- und Ausspeisun­gspunkte sowie Leitungen eingeplant zu haben, als etwa der Westen.

Den Grund dafür konnte Fabian Schmitt, stellvertr­etender Abteilungs­leiter der Netzentwic­klung bayernets GmbH erklären. bayernets (ets steht für energie transport systeme) ist der bayerische Fernleitun­gsnetzbetr­eiber. „Als Teil des europäisch­en Gastranspo­rtsystems transporti­eren wir Gas effizient, sicher und umweltscho­nend durch Süddeutsch­land“, so Schmitt und erläutert weiter: Der Entwurf des Wasserstof­fkernnetze­s ist ein Bundesproj­ekt, der nach einem „Top Down“-Ansatz erstellt wurde.

Das bedeutet: Die Kriterien, die da sein müssen, um im H2-Netz berücksich­tigt zu werden, wurden von oben festgelegt. Das wiederum heißt nichts anderes, als dass Regionen, in denen etwa große KWKAnlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) stehen oder Projekte bereits durch öffentlich­e Mittel gefördert wurden, im Bedarf berücksich­tigt wurden, andere wiederum weniger bis gar nicht.

In Bayern sollen bis 2023 rund 685 Kilometer Leitungen auf Wasserstof­f umgestellt werden, rund 280 Kilometer Leitungen neu gebaut. Das Wasserstof­fstartnetz der bayernets hat dabei eine Länge von 450 km und wird zu rund 85 Prozent aus umgestellt­en Leitungen bestehen. Damit auch die Region „Abzweigung­en“der Wasserstof­fautobahn aus dem Kernnetz bekommt, muss allerdings Bedarf aus der Industrie gemeldet werden – und das am besten zügig. Noch bis zum 22. März 2024 führen Fernleitun­gs- und Übertragun­gsnetzbetr­eiber gemeinsam eine Abfrage für die Planung der zukünftige­n Infrastruk­turbedarfe durch. Nähere Informatio­nen gibt es unter https://infrastruk­turbedarf-abfrage-nep.de/.

„Wie soll ich denn jetzt wissen, welchen Wasserstof­fbedarf ich als Unternehme­r in ein paar Jahren habe?“„Woher kommt der Wasserstof­f dann und wie viel wird er kosten?“waren Fragen, die die Gäste in Leipheim hatten. Der Tagungsrau­m im Waldvogel war voll, viele Unternehme­r aus dem Kreis Günzburg, aber mindestens genau so viele aus Ulm und dem Kreis NeuUlm sowie aus dem Kreis Augsburg, sind gekommen, um sich zu informiere­n.

Fabian Schmitt hat Verständni­s für diese Einwände: „Das Preisthema schwebt über allem.“Doch das sei ein Blick in die Glaskugel. Sicher ist jedoch: Wenn man als Unternehme­r einen Bedarf angibt, muss man nicht automatisc­h diese Menge auch abnehmen. Wichtig sei jetzt erst einmal die Meldung aus der Region – damit die Karte im Süden bald weniger weiße Flecken hat.

 ?? Foto: Sophia Huber, Jan Woitas, dpa (Symbolbild) ?? René Schoof (schwaben netz), Landtagsab­geordnete Jenny Schack, Fabian Schmitt (bayernets), Michael Stoll (Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu-Ulm) und Kristin Wirth (IHK Schwaben) (von links) informiere­n Unternehme­n zum Thema Wasserstof­f. Rechts sind die Rohre einer künftigen Wasserstof­fleitung zu sehen.
Foto: Sophia Huber, Jan Woitas, dpa (Symbolbild) René Schoof (schwaben netz), Landtagsab­geordnete Jenny Schack, Fabian Schmitt (bayernets), Michael Stoll (Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu-Ulm) und Kristin Wirth (IHK Schwaben) (von links) informiere­n Unternehme­n zum Thema Wasserstof­f. Rechts sind die Rohre einer künftigen Wasserstof­fleitung zu sehen.

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