Wurde bewusst eine Verkehrsüberwacherin angefahren?
Als eine Kontrolleurin im Landkreis Günzburg einen Strafzettel ausstellen will, fährt sie ein Mann laut Anklage an und flüchtet. Sein Verteidiger widerspricht.
Gas gegeben hat ein 51-jähriger Verkehrssünder mutmaßlich, als eine Verkehrsüberwacherin einer Stadt im Landkreis Günzburg das Kennzeichen seines stehenden Autos notieren wollte. Laut Anklage verletzte er sie dabei, beging Fahrerflucht und muss sich nun dafür vor dem Günzburger Amtsgericht verantworten. Was genau passiert ist, wird das Gericht klären, die Aussagen gehen auseinander.
Der Angeklagte fuhr laut Staatsanwaltschaft unerlaubt in eine Straße ein, was die Verkehrsüberwacherin bemerkte. Nachdem er sein Auto abgestellt und verlassen hatte, machte diese den Fahrer auf sein Vergehen aufmerksam und notierte das Kennzeichen des Fahrzeugs. Der Angeklagte soll sich daraufhin wieder in das Auto gesetzt und losgefahren sein. Jedoch versuchte der Mann laut Anklage
nicht, vor der Frau zu fliehen, die hinter seinem Fahrzeug stand. Vielmehr habe er absichtlich den Rückwärtsgang eingelegt und sei in ihre Richtung losgefahren. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor: Er wusste, dass die Frau direkt hinter ihm stand. Auch soll sich die Verkehrsüberwacherin durch Rufe und Schläge mit den Händen auf die Heckscheibe des Autos bemerkbar gemacht haben. Dennoch soll der 51-Jährige weiter rückwärts Gas gegeben haben.
Um nicht vom Auto des Angeklagten überfahren zu werden, soll sich die Frau mit den Händen am Kofferraum abgestützt und zur Seite gesprungen sein. Doch trotz ihres Ausweichversuches soll der Angeklagte die Verkehrsüberwacherin mit seinem Fahrzeug angefahren haben. Diese erlitt eine Prellung beider Oberschenkel sowie ein Schleudertrauma. Der 51-Jährige habe laut Anklage bemerkt, dass er die Frau angefahren hatte. Dennoch soll er sofort davongefahren
sein. Der Verteidiger weist die Anschuldigungen direkt zu Beginn der Verhandlungen zurück: „Der von der Opferzeugin geschilderte Sachverhalt ist technisch ausgeschlossen.“Das Auto des Angeklagten sei nämlich mit einem Notbremsassistenten ausgestattet, der jegliches Anfahren
von Personen verhindere. Das gelte auch beim Rückwärtsfahren. Selbst wenn man wollte, könnte man seine rückwärtige Fahrtrichtung nicht fortsetzen, solange die Sensoren im Heckbereich eine Person hinter sich erkennen. Zudem sei es nicht möglich, dass sein Mandant das Assistenzsystem zuvor abgeschaltet habe. Schließlich habe er sich laut Zeugenaussagen direkt in sein Auto gesetzt und sei direkt losgefahren. Die notwendige Zeit, um den Notbremsassistenten abzuschalten, hätte er somit nicht gehabt. „Das Fahrzeug muss funktioniert haben.“
Dieser Behauptung widersprach der Anwalt des Opfers, die als Nebenklägerin auftritt. Der Anwalt sagte, dass ein solches „System mehr als äußerst unzuverlässig“ist, was er auch aus eigener Erfahrung mit Assistenzsystemen wisse. Als Beispiel nannte er seinen eigenen Einparkassistenten: In fünf von zehn Fällen würde es beim selbstständigen Parken des Autos zum Unfall kommen, sollte er nicht wieder selbst die Kontrolle über das Einparken übernehmen. Da die Verteidigung ein Gutachten über die Funktionstüchtigkeit des Rückfahr-Notbremsassistenten anforderte, wurde die Sitzung kurz nach Beginn von Richterin Julia Lang vertagt.