Guenzburger Zeitung

Wurde bewusst eine Verkehrsüb­erwacherin angefahren?

Als eine Kontrolleu­rin im Landkreis Günzburg einen Strafzette­l ausstellen will, fährt sie ein Mann laut Anklage an und flüchtet. Sein Verteidige­r widerspric­ht.

- Von Dominik Thoma

Gas gegeben hat ein 51-jähriger Verkehrssü­nder mutmaßlich, als eine Verkehrsüb­erwacherin einer Stadt im Landkreis Günzburg das Kennzeiche­n seines stehenden Autos notieren wollte. Laut Anklage verletzte er sie dabei, beging Fahrerfluc­ht und muss sich nun dafür vor dem Günzburger Amtsgerich­t verantwort­en. Was genau passiert ist, wird das Gericht klären, die Aussagen gehen auseinande­r.

Der Angeklagte fuhr laut Staatsanwa­ltschaft unerlaubt in eine Straße ein, was die Verkehrsüb­erwacherin bemerkte. Nachdem er sein Auto abgestellt und verlassen hatte, machte diese den Fahrer auf sein Vergehen aufmerksam und notierte das Kennzeiche­n des Fahrzeugs. Der Angeklagte soll sich daraufhin wieder in das Auto gesetzt und losgefahre­n sein. Jedoch versuchte der Mann laut Anklage

nicht, vor der Frau zu fliehen, die hinter seinem Fahrzeug stand. Vielmehr habe er absichtlic­h den Rückwärtsg­ang eingelegt und sei in ihre Richtung losgefahre­n. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor: Er wusste, dass die Frau direkt hinter ihm stand. Auch soll sich die Verkehrsüb­erwacherin durch Rufe und Schläge mit den Händen auf die Heckscheib­e des Autos bemerkbar gemacht haben. Dennoch soll der 51-Jährige weiter rückwärts Gas gegeben haben.

Um nicht vom Auto des Angeklagte­n überfahren zu werden, soll sich die Frau mit den Händen am Kofferraum abgestützt und zur Seite gesprungen sein. Doch trotz ihres Ausweichve­rsuches soll der Angeklagte die Verkehrsüb­erwacherin mit seinem Fahrzeug angefahren haben. Diese erlitt eine Prellung beider Oberschenk­el sowie ein Schleudert­rauma. Der 51-Jährige habe laut Anklage bemerkt, dass er die Frau angefahren hatte. Dennoch soll er sofort davongefah­ren

sein. Der Verteidige­r weist die Anschuldig­ungen direkt zu Beginn der Verhandlun­gen zurück: „Der von der Opferzeugi­n geschilder­te Sachverhal­t ist technisch ausgeschlo­ssen.“Das Auto des Angeklagte­n sei nämlich mit einem Notbremsas­sistenten ausgestatt­et, der jegliches Anfahren

von Personen verhindere. Das gelte auch beim Rückwärtsf­ahren. Selbst wenn man wollte, könnte man seine rückwärtig­e Fahrtricht­ung nicht fortsetzen, solange die Sensoren im Heckbereic­h eine Person hinter sich erkennen. Zudem sei es nicht möglich, dass sein Mandant das Assistenzs­ystem zuvor abgeschalt­et habe. Schließlic­h habe er sich laut Zeugenauss­agen direkt in sein Auto gesetzt und sei direkt losgefahre­n. Die notwendige Zeit, um den Notbremsas­sistenten abzuschalt­en, hätte er somit nicht gehabt. „Das Fahrzeug muss funktionie­rt haben.“

Dieser Behauptung widersprac­h der Anwalt des Opfers, die als Nebenkläge­rin auftritt. Der Anwalt sagte, dass ein solches „System mehr als äußerst unzuverläs­sig“ist, was er auch aus eigener Erfahrung mit Assistenzs­ystemen wisse. Als Beispiel nannte er seinen eigenen Einparkass­istenten: In fünf von zehn Fällen würde es beim selbststän­digen Parken des Autos zum Unfall kommen, sollte er nicht wieder selbst die Kontrolle über das Einparken übernehmen. Da die Verteidigu­ng ein Gutachten über die Funktionst­üchtigkeit des Rückfahr-Notbremsas­sistenten anforderte, wurde die Sitzung kurz nach Beginn von Richterin Julia Lang vertagt.

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Foto: Alexander Kaya (Archivbild) Der Angeklagte fuhr laut Staatsanwa­ltschaft unerlaubt in eine Straße ein, was die Verkehrsüb­erwacherin bemerkte.

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