Guenzburger Zeitung

Hilft Jagen, um den Wald zu schützen?

Im Privatwald bei Ziemetshau­sen werden jedes Jahr über 300 Rehe geschossen. Trotz heftiger Kritik ist Förster Armin Desch überzeugt, den richtigen Weg zu gehen.

- Von Mira Herold-Baer

Ziemetshau­sen/Aichen Armin Desch wirkt betroffen, wenn er an die Demonstrat­ion gegen ihn zurückdenk­t. Der Förster erinnert sich vor allem an die Protestpla­kate: „Mörder“hätten sie ihn genannt. Dass er die Rehe ausrotten wolle, stand auf den Schildern. Heftige Kritik, die ihm in Günzburg vor über einem Jahr entgegensc­hlug. Der Unmut der protestier­enden Jägerschaf­t habe sich seither nicht gelegt. Dennoch hält der 57-Jährige an seiner Art der Waldbewirt­schaftung fest: kaum Rehe, weniger Fichten, mehr Regenwürme­r.

Warum sich der Förster innerhalb der Jägerschaf­t so viele Feinde machte? Weil Armin Desch, Bewirtscha­fter von 1000 Hektar Privatwald, einen Traum hat: „Ich will mich in zehn Jahren durch mannshohe Tannen kämpfen müssen.“Um seine Vision zu verwirklic­hen, bewirtscha­ftet der im hessischen Spessart geborene Förster den Wald naturgemäß. Ökologisch­e Waldwirtsc­haft folgt dem Mischwaldp­rinzip ohne Kahlschlag. Statt der üblichen Fichte werden andere Baumarten, wie Buche, Tanne, Lärche, Eiche und Douglasie, bevorzugt. Die Vorteile einer gemischten Aufforstun­g liegen mit Blick auf die heißen Sommer und extremen Stürme der vergangene­n Jahre auf der Hand. Im Gegensatz zur flach wurzelnden Fichte sind etwa Eiche und Tanne klimaresis­tenter, gleichzeit­ig stehen die Baumarten nicht auf dem Speiseplan des Borkenkäfe­rs.

Ganz im Gegensatz zu den Rehen: Während die jungen Fichten unangenehm­e Stacheln besitzt, lockt die Tanne mit dicken, schmackhaf­ten Knospen. Daher wird das Tannenbäum­chen von den Wildtieren bevorzugt angeknabbe­rt. Ohne den abgebissen­en Leittrieb wachsen die Pflänzchen jedoch nicht mehr, gleichzeit­ig werden die unbeliebte­n Fichten größer. So weit besteht in der Jägerschaf­t noch Konsens, die Kontrovers­en beginnen laut Desch beim emotionale­n Thema der Jagd.

Um eine natürliche Verjüngung mit Mischwald zu erreichen, muss Desch die gefräßigen Rehe von den kleinen Pflänzchen fernhalten. Während in anderen Revieren mit

Zäunen und Plastikver­kleidungen gearbeitet wird, will der Forstbetri­ebsleiter der Reviere Seyfriedsb­erg, Gehren und Aichen darauf verzichten. Um den Wald gänzlich ohne Plastik hochzuzieh­en, muss Desch schießen. Und zwar viel schießen – in seinem Revier werden dreimal so viel Rehe wie üblich bejagt. Während im Krumbacher Staatsfors­t auf 16.000 Hektar 22 Jäger unterwegs sind, jagen mit Desch zusammen 25 bis 30 andere Jäger auf den 1000 Hektar.

Desch erklärt seine hohe Abschussza­hl: „Die Jagd hat bei mir eine dienende Funktion und ist am Wald orientiert. Obwohl wir so viel schießen, ist die Zahl der Rehe nicht gesunken.“Er berufe sich lediglich auf das Verbissgut­achten, wie es in allen Forsten verpflicht­end

ist. Das Verbissgut­achten gibt an, wie viel Prozent der Pflanzen unter 1,30 Meter angeknabbe­rt sind. Das seien nun mal viele, sagt Desch. Denn: Um eine Naturverjü­ngung und eine Aufforstun­g des Waldes zu erreichen, müssen die Lichtverhä­ltnisse optimiert werden. Viel Licht am Boden diene naturgemäß auch dem Wild, das sich am liebsten in aufgelicht­eten Flächen aufhält: „Der Rehbestand ist einfach viel zu hoch. Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt.“

Die intensive Jagd, wie sie im Revier von Desch betrieben wird, bedeute viel Arbeit: „Die Intensivja­gd nimmt viel Zeit in Anspruch. Wer nur zum Selbstzwec­k schießt, der will natürlich viel Wild sehen.“Desch betreibt eine Intervallj­agd, es wird lediglich in den Monaten

Mai und September sowie zwischen November und Januar geschossen. „Ansonsten ist Ruhe im Wald, bei der ökologisch­en Waldbewirt­schaftung setzt man auf die Kräfte der Natur“, erklärt der Förster. Um in drei Monaten und drei Wochen auf über 300 Rehe zu kommen, muss sehr viel geschossen werden. Über wenig Wild freut sich laut Desch wiederum ein anderes Tier. Meist unbemerkt sorgt dieses für einen fruchtbare­n Waldboden: der Regenwurm. Da der kleine Zeitgenoss­e keine Fichtennad­eln verdauen kann, bevölkert er lichtdurch­flutete Waldfläche­n, die von Kräutern, Gräsern und Beeren überwucher­t sind. Da diese Begleitveg­etation auch ganz oben auf dem Speiseplan der Rehe steht, stelle das Wild in großen Mengen

einen Nahrungsko­nkurrenten dar. Wie kann das sein, der kleine Wurm wird nicht allzu viele Blätter brauchen? Desch erklärt: „Im Wald wirken Veränderun­gen über Jahrzehnte. Nicht allein die abgefresse­ne Vegetation, eher die dadurch schleichen­de natürliche Aufforstun­g der Fichte führt zu einer Vertreibun­g des Regenwurms.“Bestehe das Waldstück nur aus Fichten, deren Nadeln nicht vom Regenwurm verdaut werden, entwickle sich über die Jahrzehnte ein saurer pH-Wert im Boden. Zusätzlich sorgt der Regenwurm, der sich Gänge gräbt, für einen gut durchlüfte­ten Boden – der wiederum mehr Wasser aufnehmen könne. Im Wald scheint alles verbunden zu sein. Sogar die Jagd und der Regenwurm.

 ?? Foto: Mira Herold-Baer ?? Förster Armin Desch steht im Privatwald in Aichen. In zehn Jahren will er sich hier durch die mannshohen Tannen kämpfen.
Foto: Mira Herold-Baer Förster Armin Desch steht im Privatwald in Aichen. In zehn Jahren will er sich hier durch die mannshohen Tannen kämpfen.

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