Wie kam es zur Überschwemmung?
Am Dienstag begann der Prozess um die Überschwemmung in einer Wohnsiedlung in Jettingen-Scheppach im Oktober 2022. Doch die Verhandlung wurde vorerst ausgesetzt.
Günzburg/Jettingen-Scheppach Keine zwei Jahre ist es her, dass die Hammerschmied-Siedlung in Jettingen-Scheppach von Wassermassen überrollt wurde. Die Überschwemmung in der Nacht auf den 3. Oktober 2022 hat an und in den betroffenen Häusern einen Schaden von mindestens 700.000 Euro verursacht. Der Frage, wie es dazu kommen konnte, geht nun das Amtsgericht Günzburg nach.
Ursächlich für die Überschwemmung ist laut dem Strafantrag menschliches Versagen. Vor dem Günzburger Amtsgericht müssen sich nun zwei Mitarbeitende des entsprechenden Wasserkraftwerks wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Überschwemmung verantworten, die zu diesem Zeitpunkt Dienst hatten. Doch was war passiert?
Den 71 und 48 Jahre alten Angeklagten wird von der Staatsanwaltschaft vorgehalten, vom 2. September bis zum 13. Oktober 2022 für den richtigen Eich- und damit den korrekten Wasserstand durch die Betätigung des Wehres in der Eschbachstraße 18 zuständig gewesen zu sein. An dem Wehr wurden bereits im Februar 2020 Mängel – zweieinhalb Jahre vor der Überschwemmung – festgestellt. Die linke Schützentafel des Wehrs sei defekt gewesen, sodass sich das automatische Wehr nicht mehr selbstständig öffnete und stattdessen mit einem Flaschenzug geöffnet werden musste. Das Landratsamt hätte die Betreiber in der Vergangenheit mehrmals aufgefordert, dieses zu reparieren. Passiert ist laut Staatsanwaltschaft bisher nichts.
Ebenso hätte sich die rechte Schützentafel, die manuell bedient wurde, aufgrund eines Defekts immer wieder von selbst geschlossen. „Trotz vorheriger Ankündigung von erhöhten Wassermassen sorgten die beiden Angeklagten während des bestehenden ‚Wehrdiensts‘ in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 2022 nicht dafür, dass das Wehr ausreichend geöffnet war“, heißt es im Strafantrag. Das hätte schließlich die Überschwemmung des angrenzenden Wohngebiets verursacht.
Die Verteidiger der beiden Beschuldigten forderten gleich zu Beginn der ersten Verhandlung ein Rechtsgespräch. Nach mehr als einer Stunde das Ergebnis: Die Verteidiger möchten eine Einstellung des Verfahrens.
Auch das Gericht und die Staatsanwaltschaft verschließen sich dem nicht. „Eine Einstellung kann in Betracht gezogen werden, wenn sich ein entsprechendes Beweisergebnis auftut. Das ist aktuell nicht absehbar“, sagt Richter Martin Kramer. Bei einer Teilschuld an der Überschwemmung, für die auch ein geringer Beitrag ausreiche, müssten die Angeklagten mit einer Sanktion von mehr als 90 Tagessätzen rechnen, so Richter Kramer.
Die Verteidigung brachte im Rechtsgespräch ins Spiel, dass die anderen Kraftwerksbetreiber nicht im engeren Fokus der vorangegangenen Ermittlungen waren. Außerdem
sei die Verantwortlichkeit für das Ereignis nicht nur bei den Angeklagten zu sehen, sondern insbesondere auch bei öffentlichen Stellen und den Kraftwerksbetreibern. Zudem sei im Vorfeld nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass die 71-jährige Beschuldigte nicht mehr die Eigentümerin des Kraftwerks und des Wehrs gewesen sei und sich damit die Verantwortlichkeit verschoben hatte.
Schließlich zweifelt die Verteidigung auch die Unparteilichkeit des Sachverständigen an. Dieser ist laut den beiden Verteidigern Bernhard Schweiger und Christian Temporale beim Wasserwirtschaftsamt Donauwörth beschäftigt und war bereits vor der Ernennung zum Sachverständigen in die Ermittlungen involviert. Die Verteidigung habe nun zwei Wochen Zeit für einen umfangreichen Vortrag, danach solle die Verhandlung gegebenenfalls mit einem weiteren Sachverständigen fortgeführt werden, so Kramer. Die Hauptverhandlung wurde vorerst ausgesetzt.