Medizinstudium auf Landkreiskosten
Dem Landkreis Günzburg droht ähnlich wie anderen Regionen ein Hausärztemangel. Ein Stipendienprojekt soll Abhilfe schaffen. So soll das Modell funktionieren.
Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die Sorgen groß in Ziemetshausen. Wie sollte es in der Marktgemeinde mit der hausärztlichen Versorgung weitergehen, nachdem dort die niedergelassene Ärztin ihre Praxis geschlossen hatte? „Zum Glück konnten wir in Ziemetshausen mit dem Medizinischen Versorgungszentrum einspringen“, sagt Landrat Hans Reichhart heute. Doch die Lage im Landkreis ist alles andere als entspannt. „Mehr als die Hälfte der niedergelassenen Hausärzte bei uns sind über 60 Jahre alt“, so Reichhart. „Und es gibt viele Orte, wo wir froh sind, dass Ärzte noch weitermachen.“Mit einem neuen Projekt greift der Landkreis nun zur Selbsthilfe: Ab dem Wintersemester sollen die ersten beiden Stipendiaten des Kreises ins Medizinstudium starten. Die Idee: Der Landkreis übernimmt die Studiengebühren von 8700 Euro pro Semester – dafür verpflichten sich die Studierenden, nach ihrem Abschluss mehrere Jahre im Kreis zu arbeiten.
Über das im Kreisausschuss vorgestellte Modell muss nun noch der Kreistag abstimmen. „Viele Landkreise, auch hier in Schwaben, haben Interesse daran gezeigt. Wir wollen jetzt aber einfach damit anfangen“, so Reichhart in der Sitzung, die erstmals im Mehrzweckraum des Günzburger Dossenberger-Gymnasiums stattfand.
Einige Beispiele für das Projekt gibt es schon in Bayern. Der Landkreis Hof hat bereits 2019 erstmals ein Stipendienprogramm für Mediziner aufgelegt, die Stadt Coburg vergab bereits zum Wintersemester 2023 erstmals die Stipendien. Hier bekommen die Stipendiaten eine monatliche Förderung von 500 Euro während des Studiums, vom ersten Semester bis zur Approbation für maximal fünf Jahre. Zusätzlich können die Studierenden eine Förderung des Freistaates Bayern von 600 Euro erhalten. Die Stadt Coburg fördert jährlich zwei angehende Medizinerinnen und Mediziner, die drei Jahre in Split und drei Jahre in Coburg ausgebildet werden. Als Hausarzt oder Hausärztin sollen die Absolventen anschließend für mindestens 24 Monate im Landkreis Coburg tätig sein.
Die angehenden Mediziner, die durch den Landkreis Günzburg unterstützt werden, absolvieren ihr Studium an der Semelweis Universität Budapest. An der Uni mit 250-jähriger Geschichte werden Studiengänge auf Englisch, Deutsch und Ungarisch angeboten. Eigenen Angaben zufolge sind dort aktuell mehr als 12.000 Studierende eingeschrieben, ein Drittel davon kommt aus dem Ausland. Praktika und Teile des praktischen Jahres sollen die Stipendiaten im Landkreis Günzburg absolvieren. Bei der Fachausbildung soll Allgemeinmedizin oder Innere Medizin vorgeschrieben sein – schließlich geht es dem Landkreis darum, besonders dem Mangel an Hausärzten mit dem Projekt zu begegnen.
Das Konzept des Landkreises Günzburg umfasst eine Verpflichtung, fünf Jahre in Vollzeit als Fachärztin oder Facharzt im Kreis Günzburg tätig zu sein – Teilzeit ist demnach auch möglich, verlängert aber die Frist entsprechend. Die Mediziner können dabei allerdings selbst wählen, in welchem Bereich sie arbeiten wollen – ob als niedergelassener Arzt mit eigener Praxis, angestellt in einer Praxis, einem MVZ oder einem Krankenhaus. Festgeschrieben werden sollen die Verpflichtungen in einem entsprechenden Vertrag.
Sollte einer der Studierenden das Studium abbrechen oder anderweitig die Vereinbarung nicht erfüllen, muss er die erhaltenen Studiengebühren zurückzahlen. Bricht einer der Fachärzte die fünf Jahre vorzeitig ab, wird eine anteilige Rückerstattung der Kosten fällig. Es soll aber auch Härtefallregelungen geben sowie Regelungen im
Fall einer Unterbrechung des Studiums, geht aus der Sitzungsvorlage des Kreisausschusses hervor.
Im Gremium, das erstmals im Mehrzweckraum des Dossenberger-Gymnasiums tagte, gab es einhellige Zustimmung zu dem Projekt. „Wenn man einen Standort bewertet, wird immer auch danach entschieden, wie gut die Gesundheitsvorsorge vor Ort ist“, so Günzburgs Oberbürgermeister
Gerhard Jauernig. Das Projekt sei zwar ein Wagnis, aber gut investiertes Geld. „Das ist wieder einmal ein Pilotprojekt aus dem Landkreis Günzburg“, so Jauernig.
Wie groß das Interesse bei Abiturienten am Medizinstudium tatsächlich ist, berichtete Stefan Baisch (Junge Union), der selbst gerade in einer 12. Klasse unterrichtet. „Es mangelt nicht an Interessenten, aber es scheitert oft an Studienplätzen beziehungsweise den Noten für die Zulassung.“Baisch zeigte sich überzeugt, dass das Projekt nachhaltig wirkt. Wer sich für mehrere Jahre an die Region binde und Wurzeln schlage, der bleibe mit großer Wahrscheinlichkeit auch länger hier.
Bei der Auswahl der Studierenden, die für das Stipendium infrage kommen, soll ein Gremium aus im Kreistag vertretenen Medizinern, Vertretern der Kreiskliniken und niedergelassener Ärzte aus dem Landkreis, entscheiden. „Wir haben schon extrem gute Rückmeldungen bekommen, sagte Landrat Reichhart. „Wir investieren hier in die medizinische Versorgung in die Zukunft des Landkreises.“
Angehende Mediziner verpflichten sich für fünf Jahre Tätigkeit im Landkreis.