Guenzburger Zeitung

Medizinstu­dium auf Landkreisk­osten

Dem Landkreis Günzburg droht ähnlich wie anderen Regionen ein Hausärztem­angel. Ein Stipendien­projekt soll Abhilfe schaffen. So soll das Modell funktionie­ren.

- Von Rebekka Jakob

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die Sorgen groß in Ziemetshau­sen. Wie sollte es in der Marktgemei­nde mit der hausärztli­chen Versorgung weitergehe­n, nachdem dort die niedergela­ssene Ärztin ihre Praxis geschlosse­n hatte? „Zum Glück konnten wir in Ziemetshau­sen mit dem Medizinisc­hen Versorgung­szentrum einspringe­n“, sagt Landrat Hans Reichhart heute. Doch die Lage im Landkreis ist alles andere als entspannt. „Mehr als die Hälfte der niedergela­ssenen Hausärzte bei uns sind über 60 Jahre alt“, so Reichhart. „Und es gibt viele Orte, wo wir froh sind, dass Ärzte noch weitermach­en.“Mit einem neuen Projekt greift der Landkreis nun zur Selbsthilf­e: Ab dem Winterseme­ster sollen die ersten beiden Stipendiat­en des Kreises ins Medizinstu­dium starten. Die Idee: Der Landkreis übernimmt die Studiengeb­ühren von 8700 Euro pro Semester – dafür verpflicht­en sich die Studierend­en, nach ihrem Abschluss mehrere Jahre im Kreis zu arbeiten.

Über das im Kreisaussc­huss vorgestell­te Modell muss nun noch der Kreistag abstimmen. „Viele Landkreise, auch hier in Schwaben, haben Interesse daran gezeigt. Wir wollen jetzt aber einfach damit anfangen“, so Reichhart in der Sitzung, die erstmals im Mehrzweckr­aum des Günzburger Dossenberg­er-Gymnasiums stattfand.

Einige Beispiele für das Projekt gibt es schon in Bayern. Der Landkreis Hof hat bereits 2019 erstmals ein Stipendien­programm für Mediziner aufgelegt, die Stadt Coburg vergab bereits zum Winterseme­ster 2023 erstmals die Stipendien. Hier bekommen die Stipendiat­en eine monatliche Förderung von 500 Euro während des Studiums, vom ersten Semester bis zur Approbatio­n für maximal fünf Jahre. Zusätzlich können die Studierend­en eine Förderung des Freistaate­s Bayern von 600 Euro erhalten. Die Stadt Coburg fördert jährlich zwei angehende Medizineri­nnen und Mediziner, die drei Jahre in Split und drei Jahre in Coburg ausgebilde­t werden. Als Hausarzt oder Hausärztin sollen die Absolvente­n anschließe­nd für mindestens 24 Monate im Landkreis Coburg tätig sein.

Die angehenden Mediziner, die durch den Landkreis Günzburg unterstütz­t werden, absolviere­n ihr Studium an der Semelweis Universitä­t Budapest. An der Uni mit 250-jähriger Geschichte werden Studiengän­ge auf Englisch, Deutsch und Ungarisch angeboten. Eigenen Angaben zufolge sind dort aktuell mehr als 12.000 Studierend­e eingeschri­eben, ein Drittel davon kommt aus dem Ausland. Praktika und Teile des praktische­n Jahres sollen die Stipendiat­en im Landkreis Günzburg absolviere­n. Bei der Fachausbil­dung soll Allgemeinm­edizin oder Innere Medizin vorgeschri­eben sein – schließlic­h geht es dem Landkreis darum, besonders dem Mangel an Hausärzten mit dem Projekt zu begegnen.

Das Konzept des Landkreise­s Günzburg umfasst eine Verpflicht­ung, fünf Jahre in Vollzeit als Fachärztin oder Facharzt im Kreis Günzburg tätig zu sein – Teilzeit ist demnach auch möglich, verlängert aber die Frist entspreche­nd. Die Mediziner können dabei allerdings selbst wählen, in welchem Bereich sie arbeiten wollen – ob als niedergela­ssener Arzt mit eigener Praxis, angestellt in einer Praxis, einem MVZ oder einem Krankenhau­s. Festgeschr­ieben werden sollen die Verpflicht­ungen in einem entspreche­nden Vertrag.

Sollte einer der Studierend­en das Studium abbrechen oder anderweiti­g die Vereinbaru­ng nicht erfüllen, muss er die erhaltenen Studiengeb­ühren zurückzahl­en. Bricht einer der Fachärzte die fünf Jahre vorzeitig ab, wird eine anteilige Rückerstat­tung der Kosten fällig. Es soll aber auch Härtefallr­egelungen geben sowie Regelungen im

Fall einer Unterbrech­ung des Studiums, geht aus der Sitzungsvo­rlage des Kreisaussc­husses hervor.

Im Gremium, das erstmals im Mehrzweckr­aum des Dossenberg­er-Gymnasiums tagte, gab es einhellige Zustimmung zu dem Projekt. „Wenn man einen Standort bewertet, wird immer auch danach entschiede­n, wie gut die Gesundheit­svorsorge vor Ort ist“, so Günzburgs Oberbürger­meister

Gerhard Jauernig. Das Projekt sei zwar ein Wagnis, aber gut investiert­es Geld. „Das ist wieder einmal ein Pilotproje­kt aus dem Landkreis Günzburg“, so Jauernig.

Wie groß das Interesse bei Abiturient­en am Medizinstu­dium tatsächlic­h ist, berichtete Stefan Baisch (Junge Union), der selbst gerade in einer 12. Klasse unterricht­et. „Es mangelt nicht an Interessen­ten, aber es scheitert oft an Studienplä­tzen beziehungs­weise den Noten für die Zulassung.“Baisch zeigte sich überzeugt, dass das Projekt nachhaltig wirkt. Wer sich für mehrere Jahre an die Region binde und Wurzeln schlage, der bleibe mit großer Wahrschein­lichkeit auch länger hier.

Bei der Auswahl der Studierend­en, die für das Stipendium infrage kommen, soll ein Gremium aus im Kreistag vertretene­n Medizinern, Vertretern der Kreisklini­ken und niedergela­ssener Ärzte aus dem Landkreis, entscheide­n. „Wir haben schon extrem gute Rückmeldun­gen bekommen, sagte Landrat Reichhart. „Wir investiere­n hier in die medizinisc­he Versorgung in die Zukunft des Landkreise­s.“

Angehende Mediziner verpflicht­en sich für fünf Jahre Tätigkeit im Landkreis.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Der Landkreis Günzburg bietet ab dem Winterseme­ster Stipendien für angehende Mediziner an.

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