Hat er im eigenen Wohnhaus Feuer gelegt?
Am zweiten Verhandlungstag zeigt sich das Ausmaß der Brandserie in der Nacht des Storchenfestes in Burgau. Ein Feuerwehrmann im Einsatz erkannte den Beschuldigten.
5500 Euro Schaden sind nicht wenig, doch viel schlimmer ist es für den 72-jährigen Rentner aus Burgau, dass er sein ganzes Hab und Gut im Keller, darunter viele Erinnerungen an seine verstorbene Frau, verloren hat. „Es waren persönliche Dinge“, schildert er dem Schöffengericht in Memmingen. Persönliche Dinge, die in der Nacht des 18. Juni 2023 den Flammen zum Opfer fielen.
Zwischen dem 18. Juni und dem 28. August 2023 ist es in Burgau zu insgesamt sechs Bränden gekommen. Verantwortlich dafür soll ein inzwischen 24-Jähriger aus dem Landkreis sein, der als Angeklagter vor dem Memminger Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Nicolai Braun bisher keine Angaben zu seinen angeblichen Taten macht.
Es war das Storchenfest in Burgau, der 17. Juni 2023: Es wurde viel Alkohol getrunken, überall in der Stadt war etwas los, Menschentrauben
standen vor Kneipen und Bars. Das beschreiben alle Zeuginnen und Zeugen, die am Donnerstag angehört wurden und damals selbst in der Stadt und auf dem Fest unterwegs waren. Begonnen hat die lange und ungewöhnliche Einsatznacht für die Feuerwehr Burgau um 2.30 Uhr mit einem Brand in der Stadtstraße. Ein Fahrradanhänger und ein Stuhl standen in Flammen. Diese Feuer wurden, so die Aussagen damals und heute der Feuerwehr, relativ zügig unter Kontrolle gebracht.
Gefährlicher wurde es kurze Zeit später: Aus dem Keller eines Mehrfamilienhauses krochen Flammen und dichter, schwarzer Rauch ins Treppenhaus. Der Rentner, der im Erdgeschoss des Hauses lebt und als Zeuge vor Gericht aussagt, kann sich noch genau an die Nacht erinnern: Um 22 Uhr sei er ins Bett gegangen, gegen drei Uhr von einem lauten Knacken geweckt worden, „so, als ob man einen Holzbalken oder eine Palette anzündet“, beschreibt er es. Er ging zur Wohnungstür, öffnete diese und ein dichter Rauchschwall kam ihm entgegen. Vom Keller sah er Flammen aufsteigen, so schildert er seine Wahrnehmung. „Ich habe die Türe wieder zugeknallt und hatte wahnsinnige Panik.“Nur mit einer Unterhose bekleidet öffnete er sein Fenster. Und auf einmal soll dort direkt vor seinem Fenster der Angeklagte gestanden haben, der zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls im Haus wohnte. „Es brennt!“, soll dieser gerufen haben und „Schau, dass du rauskommst!“Der 72-Jährige kletterte aus dem Fenster. Als er laut seinen Aussagen kurze Zeit später bei den Sanitätern stand, sei der Beschuldigte dort wieder wild gestikulierend aufgefallen. Dann habe er sich gedacht: „Moment mal, warum stand der denn überhaupt draußen?“
Ein anderer Hausbewohner schildert als Zeuge, er und seine Frau seien gerade im Umzugsprozess gewesen, nahezu alle Möbel hätten im Keller gelagert, sie hätten alles wegwerfen müssen. Den Schaden beziffert er vor Gericht auf 7000 bis 8000 Euro. Noch immer sei er traumatisiert davon, seine damals schwangere Frau habe zwei Wochen lang nicht geschlafen. Ein weiterer junger Mieter schildert die Zeiten und die Rauchentwicklung ähnlich. Auch er habe den Angeklagten dann am Fenster gesehen, als er um Hilfe rufen wollte. Dort soll der damals 23-Jährige geschrien haben: „Es brennt! Raus!“Er hätte ihn beim Sprung aus dem
Fenster, der allerdings nur zwei Meter tief war, auffangen wollen.
Trotz der chaotischen Nacht schildert am Donnerstagnachmittag ein Mitglied der Burgauer Feuerwehr dem Schöffengericht ziemlich genau, wie es aus seiner Sicht abgelaufen ist. Er selbst war als Fahrzeugführer bei „Brand eins und Brand vier“im Einsatz – zuerst in der Stadtstraße, als zwischen zwei Gebäuden ein Fahrradanhänger und ein Stuhl brannten, kurze Zeit später beim brennenden Holzverschlag der Pizzeria am Kirchplatz. Auf dem Weg runter sei der Angeklagte „vors Fahrzeug gesprungen“, der Kollege am Steuer musste laut dem Zeugen abbremsen. „Ich habe mir gedacht: Was macht denn der da schon wieder?“, berichtet er. Er meinte, den Beschuldigten bereits beim ersten Brand aus dem Augenwinkel vor einem Lokal gesehen zu haben. Ob er den Angeklagten kenne, fragt Richter Nicolai Braun. Der Zeuge nickt und sagt „Ja. Von der Feuerwehr.“
Der 24-Jährige sei zwar nie der gewesen, der „bei jeder Übung dabei war, aber ab und zu schon“. Und dann berichtet der Burgauer von einem Vorfall, der schon einige Zeit zurückliegt. Die Feuerwehr sei zu einem Strohballenbrand in einem Reitstall alarmiert worden. Damals sei ihnen der Angeklagte auf dem Feldweg zu Fuß aus Richtung des Einsatzortes entgegenkommen. Er habe sich damals nur gewundert, was der Kollege um die Uhrzeit dort tue.
Beim Storchenfest kommt es zu vielen Bränden.