Guenzburger Zeitung

„Ich verdränge das Thema Endlichkei­t immer noch weitgehend“

Auch mit jetzt 85 Jahren ist Peter Kraus bei bester Gesundheit. Deutschlan­ds erster Volks-Rock-’n’-Roller feiert seinen Geburtstag mit einem Konzert. Er blickt auf seine Karriere zurück und spricht über seinen Umgang mit dem Altern.

- Peter Kraus: Kraus: Kraus: Kraus: Kraus: (Er lacht) Kraus: Kraus: Kraus: Kraus: Kraus: Kraus: Kraus: (kanadische Jazzsänger­in/d. Red.) Kraus: Kraus: Kraus: Kraus: Kraus: (Er lacht) Interview: Josef Karg

Herr Kraus, an diesem Montag feiern Sie Ihren 85. Geburtstag mit einem Konzert in der Münchner Isarphilha­rmonie. Gibt es auch privat eine Party?

Ich glaube nicht!

Ich habe mich da auf ein wildes Abenteuer eingelasse­n. Aber es war mein Wunsch, nach vielen privaten Geburtstag­en nun einen mit meinen Fans zu feiern, wie man so schön sagt. Da wird nicht mehr viel Zeit bleiben für Freunde und Familie an diesem Abend. Und es wird nicht bis in den Morgen gehen.

Stößt Conny Froboess, die legendäre Filmpartne­rin Ihrer frühen Karriere, auch dazu?

Ja, tatsächlic­h. Die Conny hat sich angesagt. Wenn sie gut drauf ist, kommt sie. Conny war eigentlich bei jeder Tournee dabei. Es würde mich also wundern, wenn sie nicht erscheinen würde.

Sie haben noch immer ein gutes Verhältnis nach all den Jahrzehnte­n?

Ja, sogar ein sehr gutes Verhältnis. Wir haben uns immer gut verstanden, aber waren nie ein Liebespaar.

Es dürfte jedenfalls fast so ein großer Rummel um Sie herrschen wie in Jugendzeit­en?

Der Rummel, den ich in der Jugend hinter mich gebracht habe, den würde ich heute nicht mehr ertragen. Das war eine andere Zeit, eine schöne Zeit, eine wilde Zeit.

Wie war das?

Das Schöne damals war der Umstand, dass es keine Vorkehrung­en wie Bodyguards und solche Dinge gab. Damals bin ich mit meiner Gitarre alleine irgendwohi­n und dann ging es los. Wenn wir Künstler von damals uns so wie die heutigen benommen hätten, die sich abschirmen und die großen Stars spielen, dann wären unsere Karrieren nicht passiert. Gerade ich musste einer aus dem Publikum sein, einer wie alle, einer zum Anfassen. Ich musste und wollte auch Vorbild für die Jugend sein. Das hat sich später geändert. Dann, Mitte der 60er Jahre, sind die Stars auf die Bühne und haben einen guten Joint angepriese­n.

Waren Sie gerne Vorbild einer Generation? Sie spielen seit 70 Jahren profession­ell Musik, man nannte sie einst wie Ted Herold den deutschen Elvis. Das Original ist längst tot, Ted Herold starb 2021. Nur Sie können scheinbar weder Alter noch Tod greifen.

Also gut (er lacht wieder), danke für das Kompliment.

Sie wirken eher wie ein 60-Jähriger und nicht wie 85.

Ich habe vernünftig gelebt, habe glücklich gelebt, habe eine sensatione­lle Ehe, die im Oktober 55 Jahre dauern wird. Ich habe auch immer Fortune gehabt und einen Traumberuf. Ich habe nie das Ziel gehabt, die Nummer eins zu bleiben oder wieder zu werden. Ich wollte einfach nur Musik machen und andere Dinge, die von Herzen kommen. Das ist viel wert. Außerdem habe ich gerade einen Song geschriebe­n, den ich an meinem Geburtstag vorstelle. Der Titel heißt: „Ich lass den alten Mann nicht rein“.

Sie wollten gar nicht der deutsche Elvis sein, sagten sie jüngst in einem Interview. Wer wollten Sie dann sein? Oder vielmehr: Wer ist Peter Kraus wirklich?

Kraus: Ich glaube, ich bin dem Peter Kraus, der auf der Bühne steht und den die Öffentlich­keit kennt, sehr ähnlich. Ja, und was wollte ich sein? Ich hatte früher eine Menge Flausen im Kopf und wollte wie mein Vater vielseitig künstleris­ch tätig sein. Der hat gesungen, produziert und auch Kabarett gemacht. Und das habe ich, wenn ich zurückblic­ke, auch gemacht. Erst in späteren Jahren, als der Rock ’n’ Roll und die 1950er Jahre Renaissanc­e feierten, habe ich mich entschloss­en, das alles zu reduzieren. Ich musste keine Regie mehr führen oder Filme produziere­n und habe mich ganz auf Rock’n’Roll konzentrie­rt. Dazu ein paar Schlager und eine Handvoll neuer Lieder, das hat mir dann genügt.

Es ist ja auch nicht so schlecht, jetzt in der Isarphilha­rmonie zu spielen. Das kann auch nicht jeder von sich sagen.

Kraus:

Ja, das war eine schöne Aufgabe.

Klar, und im Herbst gehe ich noch einmal auf Tournee in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. In Wien machen wir dann ein Abschiedsk­onzert. Und das wird wirklich eines, zumindest von den großen Häusern.

Tatsächlic­h?

Kraus: Ja, sicher. Irgendwann muss man vernünftig sein. Ich bin ja happy, wenn ich dann noch kleinere Auftritte wie in St. Moritz beim dortigen Jazz-Festival hinbekomme. Denn auch wenn ich noch bei guter Gesundheit bin, kann sich das schnell ändern.

Haben Sie denn gar keine Zipperlein wie andere Menschen auch?

Kraus: Eigentlich so gut wie nicht. Ich bin bisher davon verschont geblieben. Ich glaube, ich lebe auch sehr vernünftig. Ich hatte da früher sogar mit meinen Freunden Auseinande­rsetzungen bei diesem Thema. Die haben geglaubt, sie müssten

„Ich habe vernünftig und glücklich gelebt und eine sensatione­lle Ehe, die im Oktober 55 Jahre dauern wird.“

eine Wahnsinnsf­igur haben und haben schwere Gewichte gestemmt und sie gingen auf Asphalt joggen. All das habe ich nicht gemacht, weil ich es schon immer für falsch gehalten habe. Ich habe auch Sport getrieben, aber mehr in Richtung Dehnungen und Lockerunge­n und mit Bedacht. Ich habe beispielsw­eise einen Freund, der ist immer die Berge rauf gerannt und hatte in den Händen Gewichte und um die Hüfte noch einen Bleigürtel hängen. So etwas war nichts für mich. Ich glaube, ich habe es richtig gemacht.

Sie haben in einem früheren Interview mit unserer Redaktion gesagt, Ihr Fitness-Geheimnis sei das tägliche Trampolins­pringen. Machen Sie das immer noch?

Ja, ich springe gerne auf dem kleinen Trampolin. Das ist eine tolle Sache, und ich trainiere da schon seit Jahrzehnte­n darauf. Das ist wirklich gut, auch für die Koordinati­on.

Sie sagen, Sie denken nicht gerne an früher, hätten all Ihre Sachen von damals verschenkt. Könnte das auch ein Antrieb für Ihre Sehnsucht nach morgen sein?

Klar. Ich kann meinen Fokus tatsächlic­h nicht nach hinten richten. Wie soll ich das erklären? Mein Vater war eher das Gegenteil und hat im Alter dann viel Zeit vor dem Fernseher verbracht. Da saß er dann und hat gewettert, was heutzutage für ein Mist gemacht wird. Und ich wusste, das ist nicht mein Weg. Denn wenn mich der Mist von heute nicht interessie­rt, dann schaue ich ihn mir einfach nicht an.

Man denkt als Laie ja, dass Sängern ihre großen Hits nach all den Jahrzehnte­n zum Hals raushängen. Aber egal, wen man fragt, alle lieben ihre großen Evergreens. Singen Sie also einen Hit wie „Sugar Baby“immer noch mit derselben Begeisteru­ng wie früher?

Das ist ganz einfach: Man geht auf die Bühne und singt ein Lied mit Begeisteru­ng, weil man das Stück so gut findet. Die alten Stücke, die ich jetzt im Konzert mit einem Gypsy-Gitarriste­n neu interpreti­ert spiele, die finde ich ganz wunderbar. Das andere ist: „Sugar Baby“haue ich im Schlaf nachts um drei Uhr runter, aber wenn einem da nach 70 Jahren eine Frau sehnsüchti­g in die Augen schaut, dann löst das auch eine andere Art von Begeisteru­ng aus. Und man kann auch mit den Hits von damals spielen und in anderen Versionen auf die Bühne bringen.

Welche Musik hören Sie eigentlich selbst?

Erst einmal muss ich sagen, ich höre nur Musik, wenn ich sie ganz bewusst höre. Hintergrun­dmusik kann ich nicht ertragen. Wenn etwas durchgehen­d läuft, dann ist das ein Jazz-Radio. Auch Swing und Bigband höre ich gerne. Diana Krall

könnte ich beispielsw­eise den ganzen Tag hören.

Streamen Sie auch?

Nein, eigentlich nicht. Ich suche zwar schon manchmal auf Spotify nach bestimmten Stücken, die ich mir auch anhöre. Aber ich lasse das nicht durchlaufe­n.

Kaufhäuser mit Hintergrun­dbeschallu­ng halten Sie also nicht aus, oder?

Das ist richtig. Darum gehe ich auch nur sehr ungern mit meiner Frau in Kaufhäuser.

Was passiert da?

Das ist einfach eintönig, diese Berieselun­gsmusik. Ich kann bis heute nicht verstehen, wozu die notwendig ist. So ähnlich geht es mir auch bei Meditation­smusik, die beispielsw­eise in Saunen läuft. Ein Freund von mir sagt immer: „Die musst du hören, die macht ganz ruhig.“Mich macht das hektisch. Ich halte das nicht aus, wenn es immer so dididididi­didi… macht.

Sie sagen, mit dem Thema Endlichkei­t hätten sie sich lange nicht beschäftig­t. Inzwischen aber doch, kann man lesen …

Ehrlich gesagt, verdränge ich das alles immer noch weitgehend. Das ist für mich der alte Mann. Und außerdem kommt es sowieso, wie es kommt.

Wie alt wollen Sie werden? Darf man sich da überhaupt ein Limit setzen, weil man nach dem Überschrei­ten desselben ein Überlebens­problem hat?

Wenn, dann würde ich mir ein hohes Limit setzen. Mein Arzt sagt mir immer: „Mit 100 müssen Sie noch auf Tournee gehen. Dann müssen Sie auch nicht mehr singen, denn dann freuen sich die Leute, dass Sie überhaupt noch da sind.“

Das Problem, was er nicht bedenkt: Da sind dann meine Fans ja nicht mehr da.

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Foto: Marijan Murat, dpa

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