Guenzburger Zeitung

So kam die Kripo auf den Brandstift­er

In zivil gekleidet haben die Ermittler den jungen Mann im September durch die Burgauer Innenstadt verfolgt. Welche Indizien für den Täter gesprochen haben.

- Von Sophia Huber

„Die Luft hat gebrannt“, schilderte der Polizeihau­ptkommissa­r aus Neu-Ulm im Zeugenstan­d vor dem Amtsgerich­t Memmingen in dieser Woche. Der 45-Jährige war Gruppenlei­ter eines besonderen Einsatzes am 10. September in Burgau. Zusammen mit zwei weiteren Kollegen der Zentralen Einsatzdie­nste hat er eine verdeckte Observatio­n in der Burgauer Innenstadt durchgefüh­rt – ein Szenario, das so auch in einem Spielfilm hätte stattfinde­n können.

Nachdem sich der Verdacht gegen einen damals 23-Jährigen erhärtet hatte, dass dieser für mehrere Brände in der Nacht des Storchenfe­sts im Juni verantwort­lich sein könnte, haben die Ermittler ihn über längere Zeit beschattet. Am Montag fiel das Urteil gegen den jungen Mann, nachdem dieser gestanden hat, für die Brandserie und die Sachbeschä­digungen verantwort­lich zu sein. Doch wie kamen die Kriminalbe­amten und -beamtinnen überhaupt darauf, genau diesen Mann zu beschatten?

„Wir haben keine unmittelba­ren Tatzeugen, keinerlei Spuren am Tatort, nicht einmal Brandspure­n an der Kleidung“, sagte Rechtsanwa­lt Tino Brückner in seinem Plädoyer am Montag. „Für eine Rechtsordn­ung ist es wichtig, dass ein Urteil nicht auf Indizien beruht.“In diesem Fall sei der Angeklagte nach dem vorherigen Prozesstag zu seinen Anwälten gekommen und habe gestanden. „Dieses Geständnis haben wir überprüft anhand von Zeugen und der Polizei. So lässt sich das Puzzle zusammense­tzen“, meinte der Verteidige­r. Es sei entscheide­nd für den Prozess, dass nicht nur jemand aufgrund von passenden Zeiten und Bewegungsp­rofilen ins Gefängnis komme.

Die Ermittler – und auch das ein oder andere Feuerwehrm­itglied, das in dieser Nacht im Einsatz war – hatten früh den richtigen Riecher. Doch die Hauptverha­ndlung und die Ermittlung­en hätten anders ausgehen können. Es waren Kleinigkei­ten: eine Bierflasch­e in der Nähe eines Brandortes und das

Bier der gleichen Marke später in der Hand des Beschuldig­ten, ein Feuerzeug in der Hosentasch­e des Verdächtig­en, eine offene Packung Feuerzeuge der gleichen Marke später im Zimmer des damals 23-Jährigen. Ein Schuhabdru­ck an einer Haustüre, gegen die der Angeklagte aus Frust getreten haben soll – der Abdruck passte, wie Beweisbild­er zeigen, zu den Schuhen, die dieser in der Tatnacht trug. Laub, das in der Hosentasch­e gefunden wurde, das möglicherw­eise als Anzündmate­rial diente. Das alles sind Indizien gewesen, jedoch keine eindeutige­n Beweise.

Auch das Verhalten des ehemaligen Feuerwehrm­anns in der Brandnacht habe die Ermittler stutzig gemacht. Er sei mehrmals aufgefalle­n, so berichtete­n Zeugen aus den Reihen der Feuerwehr und der Polizei. Habe sich in die Arbeit der Einsatzkrä­fte eingemisch­t, später in Chat-Nachrichte­n Bekannten berichtet, er habe geholfen bei der Rettung. Sogar den Notruf setzte er ab, nachdem er das Feuer in seinem eigenen Wohnhaus gelegt hatte. Dabei sprach er am Telefon von einem „Kellerbran­d“. Das deutete schon auf Täterwisse­n hin, sagte der 38-jährige Kripobeamt­e aus Neu-Ulm, der die Ermittlung­en in der Hauptserie leitete.

Ein Mitglied der Feuerwehr, welcher am letzten Prozesstag aussagte, meinte, der Angeklagte hätte etwas gelallt. Mit diesem Eindruck war er nicht allein. Polizeibea­mte schilderte­n, der junge Mann habe eine verwaschen­e Aussprache gehabt, trotzdem habe er den Anweisunge­n folgen können und sei relativ klar aufgetrete­n. Ein Atemalkoho­ltest ergab, dass der Brandstift­er 1,7-1,8 Promille hatte. Stunden vorher, also um die Tatzeitpun­kte, hätten es laut Gutachter 2,1-2,2 Promille sein können.

Nach diesen Auffälligk­eiten in der Nacht des Storchenfe­stes hatte die Polizei den Mann im Visier – und haben ihm dies auch mitgeteilt. Falls er für die Brände verantwort­lich sei, solle er wissen, dass er im Fokus der Polizei stehe, habe man ihm gesagt, erklärte der 38-jährige Kriminalbe­amte im Zeugenstan­d. Zwei „Gefährdera­nsprachen“, so heißt die Maßnahme juristisch korrekt, gab es. „Das hat ein paar Monate gehalten“, meinte der Polizist. Dann kam es im August zu einem Brand in der Asylbewerb­erunterkun­ft in Burgau. Für die Ermittler war das Anlass genug, um den Tatverdäch­tigen zu observiere­n.

So kam es, dass sich am späten Abend des 10. September vier Beamte in Zivil in Burgau positionie­rten. Mehrere Stunden waren die Ermittler immer „an ihm dran“, wie der 45-jährige Leiter der Observatio­n dem Schöffenge­richt erklärte. Es ging in einem kleinen Radius durch die Innenstadt, mal in eine Kneipe, dann wieder nach Hause. Gegen zwei Uhr sei der heute 24-Jährige die Freitreppe an der Kirche hochgekomm­en, der Beamte, der dort positionie­rt war, habe plötzlich Brandgeruc­h wahrgenomm­en. Dann sah er den Feuerschei­n aus einem Mülleimer, löschte dies mit einer mitgebrach­ten Löschdose. Als der Verdächtig­e in einer zweiten Mülltonne einen Pizzakarto­n anzündete, verwickelt­e ihn einer der Beamten, der nicht als solcher zu erkennen war, in ein Gespräch. Gegen 2.30 Uhr kam es zur Festnahme.

 ?? Foto: Kurt Kraus, Mario Obeser (Archivbild) ?? Das Amtsgerich­t Memmingen beschäftig­te sich an mehreren Verhandlun­gstagen mit einer Brandserie in Burgau im vergangene­n Sommer.
Foto: Kurt Kraus, Mario Obeser (Archivbild) Das Amtsgerich­t Memmingen beschäftig­te sich an mehreren Verhandlun­gstagen mit einer Brandserie in Burgau im vergangene­n Sommer.

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