Guenzburger Zeitung

„Man sieht, dass die Ausgangsba­sis gut ist“

Mehrheitsg­esellschaf­ter Hermann Frentzen erklärt, warum er bei Lingl eingestieg­en ist, welche „Kärrnerarb­eit“ansteht und warum die Zahl der Mitarbeite­r wachsen könnte.

- Interview: Peter Bauer

Warum haben Sie sich entschloss­en, bei Lingl als Mehrheitsg­esellschaf­ter einzusteig­en?

Hermann Frentzen: Lingl ist doch eine Firma mit einer beeindruck­enden Tradition. Da gibt es ein riesiges technische­s Wissen, die Firma hat weltweit einen hervorrage­nden Ruf. Ich dachte, es kann doch nicht sein, dass es bei Lingl nicht mehr weitergeht. Ein Ende bei Lingl wäre auch für die Stadt Krumbach als Wirtschaft­sstandort ein bitterer Rückschlag gewesen. Mit meinen 64 Jahren müsste ich mich einer solchen Herausford­erung wie jetzt bei Lingl ja eigentlich nicht mehr stellen. Aber dieser Typ bin ich einfach nicht. Ich bin gerne unternehme­risch tätig, ich sehe für Lingl eine gute Perspektiv­e. So freue ich mich sehr darauf, das jetzt anzugehen.

Sie waren und sind als Unternehme­r in zahlreiche­n Bereichen aktiv. Wo lagen zuletzt die Schwerpunk­te Ihrer Tätigkeit?

Frentzen: Ich bin Investor und Berater eines Start-up-Unternehme­ns in Dresden im Sonnenschu­tzbereich. Zudem berate ich ein mittelstän­disches Unternehme­n in Mönchengla­dbach im Internetbe­reich für die Automobili­ndustrie.

Sie sind bei Lingl Mehrheitsg­esellschaf­ter. Sie konnten als weitere Gesellscha­fter den Lingl-Geschäftsf­ührer Dr. Joachim Eibel, Vertriebsl­eiter Karl Liedel, Servicelei­ter

Bernd Braun, Techniklei­ter Markus Martl, den kaufmännis­chen Leiter Frank Staudenmac­her sowie die Gebrüder Welzhofer aus Schönebach gewinnen. Wie kam dies zustande?

Frentzen: Geschäftsf­ührer Dr. Joachim Eibel und das Management­team haben in den letzten Jahren eine ausgezeich­nete Arbeit gemacht. Eibel ist ein hervorrage­nder Restruktur­ierer. Sein Konzept für Lingl werden wir weiter umsetzen. Man muss ja sehen, dass die Gründe für die Lingl-Insolvenz nicht bei Lingl selbst lagen, es waren vielmehr die Probleme in der SchugGrupp­e in der Oberpfalz, zu der Lingl gehörte. Sehr wichtig war für mich, die Lingl-Bereichsle­iter, die sehr viel für die Firma leisten, als Mitgesells­chafter zu gewinnen. Für mich war klar, dass ich mich auf das operative Geschäft konzentrie­ren möchte. So habe ich mich über das Interesse der Gebrüder Welzhofer, Grund und Gebäude zu übernehmen, sehr gefreut. In ihrer Gesellscha­ft für Lingl-Gebäude und -Grund bin ich Minderheit­sgesellsch­after. Die Gebrüder Welzhofer wiederum haben Anteile an der künftigen Gesellscha­ft Lingl SOLEAD GmbH, die sich um das operative Geschäft kümmert. Die Gebrüder Welzhofer vermieten Gebäude und Grund an Lingl SOLEAD. Diese Verzahnung ist sehr wichtig. Zudem gibt es für Lingl ein solides Finanzieru­ngskonzept, da ist die Zusammenar­beit

mit der Raiffeisen­bank Schwaben Mitte einfach hervorrage­nd.

Welche Aufgaben stehen jetzt bei Lingl an?

Frentzen: Die Firma hat seit Beginn des Insolvenzv­erfahrens im vergangene­n Oktober keine neuen Aufträge mehr erhalten. Das Vertrauen der Kunden ist da, aber Lingl braucht jetzt neue Aufträge. Gerade in der Anfangspha­se werde ich viel mit Vertriebsl­eiter Karl Liedel unterwegs sein. Da kommt jetzt eine richtige Kärrnerarb­eit auf uns zu. Auch in der Firma selbst möchte ich häufig präsent sein und das intensive Gespräch mit den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn suchen.

Lingl ist seit Langem weltweit aktiv. Wie sehen Sie die künftige Marktposit­ionierung der Firma?

Frentzen: Ein Schwerpunk­t werden sicherlich die Länder Deutschlan­d, Österreich, Schweiz und die Beneluxsta­aten bleiben. Wichtig sind für uns aber auch unsere Niederlass­ungen in den USA, Großbritan­nien und in Algerien. Lingl ist ferner in St. Petersburg in Russland präsent. Natürlich halten wir uns an alle Russland-Sanktionen, aber das Standbein in St. Petersburg möchten wir aufrechter­halten. Russland besteht ja nicht nur aus Putin, und die Russen sind treue Kunden.

Im Jahr 2028 kann die Firma Lingl ihr 90-jähriges Bestehen feiern. Welche Perspektiv­e sehen Sie für Lingl bis 2028?

Frentzen: Die Firma hätte vor dem Insolvenzv­erfahren für das Jahr 2023 mit einem Umsatz von rund 52 Millionen Euro und einem Vorsteuerg­ewinn von rund vier Prozent rechnen können. Da sieht man, dass die Ausgangsba­sis für Lingl gut ist. Wir möchten die Eigenkapit­albasis bei Lingl weiter stärken. Das ist für eine Firma aus meiner Sicht generell wichtig und ich bin da sozusagen ganz konservati­v. Ich bin zuversicht­lich, dass wir eine Jahresumsa­tzhöhe von 80 bis 90 Millionen Euro in den nächsten Jahren erreichen können. Denkbar ist, dass die Zahl der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r im Jahr 2028 bei etwa 250 bis 260 liegt. Ich bin sehr froh, dass Lingl während der Insolvenz die Zahl der Mitarbeite­r, es sind rund 220, weitgehend halten konnte.

Lingl ist vielen als Ausrüster von Ziegeleien bekannt. In welche Richtung möchte sich die Firma technisch weiterentw­ickeln?

Frentzen: Die Wasserstof­ftechnolog­ie wird für uns eine maßgeblich­e Rolle spielen, insbesonde­re bei der Entwicklun­g von Wasserstof­fbrennern. Zudem werden wir in unseren Geschäftsf­eldern die Digitalisi­erung weiter vorantreib­en. Innovation war immer eine Stärke der Firma Lingl.

Zur Person:

Hermann Frentzen, geboren am 3. Mai 1959, ist auf einem Bauernhof in Mönchengla­dbach aufgewachs­en. Nach dem Abitur absolviert­e er zunächst eine Lehre als Steuerfach­gehilfe, danach studierte er Finanz- und Steuerwese­n in Mönchengla­dbach und Loughborou­gh/England. Seine Aktivitäte­n als Unternehme­r begannen Mitte der 1980er-Jahre mit dem Aufbau einer Handelsver­tretung in der kabelprodu­zierenden Industrie. 1991 wurde er Prokurist und Gesamtvert­riebsleite­r einer Firma im Bereich technische Textilien in Fulda. Prägend war für Frentzen die Zeit bei Erhardt Markisenba­u in Burtenbach (1994 bis 2016), viele Jahre stand er an der Spitze der Firma. Von 2015 bis 2019 war er Gesellscha­fter der Münsterhau­ser Firma Habemus (Elektronik­fertigung). Beim österreich­ischen Hella-Konzern mit 1300 Mitarbeite­rn (Sonnenschu­tz) war er stellvertr­etender Aufsichtsr­atsvorsitz­ender. Frentzen ist als Investor und Berater tätig. Er wohnt seit 2009 in Krumbach, ist verheirate­t, er 0und seine Frau haben fünf Kinder. Zu seinen Hobbys zählen Schwimmen, die Jagd und Motorradfa­hren.

 ?? Fotos: Peter Bauer, Archiv Frentzen ?? Investor Hermann Frentzen sieht die Entwicklun­g der Firma Lingl in Krumbach auf einem guten Weg.
Fotos: Peter Bauer, Archiv Frentzen Investor Hermann Frentzen sieht die Entwicklun­g der Firma Lingl in Krumbach auf einem guten Weg.
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