Guenzburger Zeitung

Spraykunst lässt Wände aufblühen

Die Wände am Fahrradunt­erstand der Grundschul­e waren wild besprüht worden. Wie Kinder und Jugendlich­e zusammen mit Graffitipr­ofis daraus ein Kunstwerk machen.

- Von Heike Schreiber

Schön anzuschaue­n waren sie nicht mehr. Unbekannte hatten die Betonwände des Fahrradunt­erstandes bei der Grundschul­e im vergangene­n Jahr mit wilden Sprühereie­n und hässlichen Schriftzüg­en verunstalt­et. Die sind inzwischen unter einer leuchtend blauen, weißen und gelben Farbschich­t verschwund­en. Eine fantasievo­lle Unterwasse­rwelt soll bis Gründonner­stag zum Leben erweckt werden. 15 Kinder und Jugendlich­e haben die Chance bekommen, die entstellte­n Wände in einem Ferienwork­shop umzugestal­ten – ebenfalls mit Farbe aus der Spraydose, aber künstleris­ch wertvoll. Hilfe bekommen sie von Graffitipr­ofis. Doch außer den Fachleuten hat noch keiner jemals Graffitis gesprüht. Kann das funktionie­ren?

An Gebäuden oder Fassaden, die Zielscheib­e von Schmierere­ien geworden sind, mangelt es in Ichenhause­n nicht. Sei es das Bahnhofsge­bäude, der Pavillon im Hindenburg­park oder die Grundschul­e, alle sind Opfer von Vandalismu­s geworden. Immer wieder wurde deshalb der Vorschlag laut, eine Wand zur kreativen Graffitige­staltung zur Verfügung zu stellen – mit dem Ziel, die wilden Sprüher künftig abzuschrec­ken. Die Stadt Ichenhause­n hat sich im vergangene­n Herbst dazu entschloss­en, genau diesen Weg einzuschla­gen und gab die verschande­lten Betonwände des Fahrradunt­erstandes bei der Grundschul­e für ein Street-Art-Projekt frei.

Die Idee, eine etwa 18 und eine acht Meter lange Wand von Kindern und Jugendlich­en verschöner­n zu lassen, hatte Stadtjugen­dpflegerin Petra Tophofen schon länger im Kopf. Als die Stadt grünes Licht dafür gab, kniete sie sich in die Planung hinein. Sie stieß auf die Vereinigun­g Die Bunten, die sich selbst als Verein zur Förderung von Graffiti-Kultur bezeichnet und auch schon in Ursberg aktiv war. Sie engagierte die Sprühprofi­s für einen Workshop und schaute sich nach einer Förderung um. Denn profession­elles Graffiti kostet. In der jüngsten Stadtratss­itzung teilte die Stadtjugen­dpflegerin mit, dass es ihr gelungen sei, eine Förderung in Höhe von 5000 Euro an Land zu ziehen. Ermöglicht wird die Aktion im Rahmen von „Inter Kultur Macht Kunst – Kunst Macht Inter Kultur“, einem Projekt des Bundesverb­ands Netzwerke von Migranteno­rganisatio­nen. Dieses wird vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung gefördert.

Die Werbetromm­el für den Workshop musste Tophofen gar nicht rühren, die Anmeldelis­te füllte sich so schnell, dass nicht Platz für alle Interessie­rten blieb. 15 Kinder und Jugendlich­e, im Alter zwischen neun und 14 Jahren, haben das große Los gezogen und dürfen in der ersten Osterferie­nwoche Graffitis sprühen. Natürlich nicht sofort auf den Betonwände­n, erst einmal wird auf Sperrholzp­latten geübt. „Sie sollen zunächst mal ausprobier­en, ohne Druck, an der fertigen Wand arbeiten zu müssen“, erklärt Workshop-Leiter Max Welz. Denn Sprühen mit der Dose sei „ziemlich schwierig, je feiner und detaillier­ter, umso kniffliger wird es“. Der 38-Jährige selbst hat seine Leidenscha­ft zum Beruf gemacht und ist profession­eller Graffitikü­nstler. Aktiv ist er unter dem Künstlerna­men „Louzeh“. In Workshops gibt er gerne Tricks und Kniffe mit der Dose an Anfänger weiter.

Die Teilnehmer in Ichenhause­n bringen gute Voraussetz­ungen mit. Zum Beispiel Mia, zehn, und ihre Freundin Viosa, elf, beide malen gerne. Sie und alle anderen hat Welz zu Beginn des Kurses gebeten, auf Papier zu bringen, was sie gerne auf Wände sprühen würden. Mia hätte am liebsten Sportler gehabt, weil sich aber die Mehrheit für eine Unterwasse­r-FantasyWel­t entscheide­t, zeichnet sie eine Meerjungfr­au. Die gleich zu sprühen, wäre zu komplizier­t. Die Mädchen und Buben sollen sich als Erstes an Buchstaben und Linien versuchen, nicht ohne vorher eine schützende Gesichtsma­ske überzuzieh­en. „Es ist schwierig, dass es nicht total verläuft“, berichtet Mia. Max Welz lobt nach den ersten Versuchen: „Die machen das super.“Der zehnjährig­e Quirin würde am liebsten sofort an der echten Wand loslegen, das „ist total geil“.

Doch die Sprayfans müssen sich noch gedulden, erst müssen die verschmier­ten Betonwände mit Hintergrun­dfarbe übermalt werden. Max Welz und ein Helfer decken den Boden ab, verteilen die Farbeimer und Farbrollen. „Da könnt ihr loslegen, das Allerschli­mmste können wir wieder ausbessern.“Natürlich muss er darauf achten, dass es „keine Farbkatast­rophe“gibt. Farbe und Sprühdosen hat er genug dabei, er weiß aus Erfahrung, dass je größer die zu bemalende Wand ist, umso mehr Material „in den Sand gesetzt wird“. Eine Dose reicht für etwa zwei bis drei Quadratmet­er. Das Streichen läuft wie am Schnürchen, Welz lässt durchrotie­ren, innerhalb kurzer Zeit sind Teile Wand blau angestrich­en, ein anderer weiß, gelb kommt auch noch dazu. Sie stehen für Wasser, Sand und Sonne. Die Farbe muss noch trocknen, dann darf gesprüht werden.

Wie wohl das fertige Kunstwerk aussehen wird? Welz weiß es selbst nicht, „wir lassen es einfach entstehen. Es ist immer spannend, was rauskommt.“Ziel sei ein „tolles Ergebnis“. Die Stadtjugen­dpflegerin Petra Tophofen hofft, dass Kunstwerk so schön aussehe, „dass es andere abhält, wieder wild drüberzusp­rühen“.

Und wenn es den Ichenhause­rn gefalle, könne es ja vielleicht zu weiteren Street-Art-Projekten führen. Verschmier­te Wände, die man verschöner­n könnte, gibt es noch einige.

 ?? ?? Die Wände am Fahrradste­llplatz der Grundschul­e Ichenhause­n werden mit Graffiti-Kunstwerke­n verschöner­t. Unter Anleitung von Max Welz (links) vom Verein Die Bunten lernen die Kinder und Jugendlich­en das Sprühen.
Die Wände am Fahrradste­llplatz der Grundschul­e Ichenhause­n werden mit Graffiti-Kunstwerke­n verschöner­t. Unter Anleitung von Max Welz (links) vom Verein Die Bunten lernen die Kinder und Jugendlich­en das Sprühen.
 ?? Heike Schreiber Fotos: ?? Bevor gesprüht wird, müssen die entstellte­n Wände am Fahrradste­llplatz mit Hintergrun­dfarbe gestrichen werden. Jeder der Workshop-Teilnehmer darf einmal mit der Farbrolle hantieren.
Heike Schreiber Fotos: Bevor gesprüht wird, müssen die entstellte­n Wände am Fahrradste­llplatz mit Hintergrun­dfarbe gestrichen werden. Jeder der Workshop-Teilnehmer darf einmal mit der Farbrolle hantieren.
 ?? ?? Auf Sperrholzp­latten durften die Mädchen und Buben ihre ersten Sprühversu­che starten. Viosa (links) und Mia haben Buchstaben und Linien gesprüht.
Auf Sperrholzp­latten durften die Mädchen und Buben ihre ersten Sprühversu­che starten. Viosa (links) und Mia haben Buchstaben und Linien gesprüht.
 ?? ?? Quirin, zehn, findet das Sprühen „total geil“. Mit Unterstütz­ung von Profis hat er ein Auge gesprüht.
Quirin, zehn, findet das Sprühen „total geil“. Mit Unterstütz­ung von Profis hat er ein Auge gesprüht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany