Die digitale Landtafel ist fast so aufwendig wie das Original
Das Günzburger Heimatmuseum zeigt eine Ausstellung über das historische Wimmelbild aus dem 17. Jahrhundert.
Der Betrachter vermag sich, zu verlieren. Die Detailtreue erscheint unermesslich und an jeder beliebigen Stelle wartet eine Überraschung auf. Seit vergangenen Sonntag darf das Meisterwerk der Kartografie im Günzburger Heimatmuseum bewundert werden. Unter dem Namen Stadt – Land – Fluss stellt die Burgauer Landtafel allerdings viel mehr dar, als nur die penible Abbildung eines umrissenen Herrschaftsbereichs.
Mit ihren Maßen von etwa drei mal drei Metern bietet die Karte einen Einblick in die Welt des beginnenden 17. Jahrhunderts. Dass es sich bei der ausgestellten Burgauer Landtafel nicht um ein Original handelt, vermindert die Attraktivität des Exponats nicht im Geringsten. Denn auch die gezeigte Replik hat ihre Geschichte. Eine Geschichte von Akribie, Hingabe und Ausdauer.
Werner Malcher aus Altenmünster beeindruckte die kartografische Darstellung der einstigen Markgrafschaft Burgau schon seit Langem. Dieses Gemälde, Öl auf Leinwand, wurde im Jahr 1613 durch Johann Andreas Rauch aus Wangen im Allgäu für den habsburgisch-burgauischen Markgrafen Karl angefertigt. Nach der Auflösung Vorderösterreichs und der Eingliederung Günzburgs in das spätere Königreich Bayern wanderte das Prunkstück in die neue Hauptstadt München.
Dort, im Bayerischen Nationalmuseum konnte das Kartenwerk fortan bestaunt werden, geriet in den letzten Jahren jedoch zunehmend in einen desolaten Zustand. Dennoch gelang es Malcher, die Karte vom Museum in digitalisierter Form zu erhalten und diese Scans in einer speziellen Druckerei wiederum in eine analoge Form umwandeln zu lassen. Über diese intensiven Arbeitsgänge aber auch die Geschichte des Originals verfasste
der 67-Jährige ein Buch, das jedoch bereits am Tag der Ausstellungseröffnung – so groß war das Interesse – vergriffen war.
Einen weiten Bogen spannte Malcher bei seinem gut besuchten Vortrag anlässlich der Eröffnung.
Hierbei fand die politische und soziale Situation Mittelschwabens am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges eine nähere Betrachtung wie auch die Markgrafschaft Burgau, dessen Hauptort bekanntlich nicht die Stadt an der Mindel, sondern
Günzburg war, näher beleuchtet wurde. Allerdings sei es nur oben genannter Markgraf Karl gewesen, der hier im Schloss residierte, so Malcher. Alle anderen Habsburger führten lediglich den Titel im Namen, so auch die wohl bekannteste unter ihnen, Kaiserin Maria Theresia.
Nach einer Biografie des Malers Rauch, welcher zuletzt – wohl ein nicht seltenes Los großer Künstler – verarmt irgendwo zwischen Wien und Schwaben verstarb, führte Malcher noch eine Betrachtung der Darstellung Ginzburgs und seiner heutigen Stadtteile vor. Da die Donau die Markgrafschaft gen Norden begrenzte, war Riedhausen nicht mehr Bestandteil derselben. Ebenso wie die Reichsund Bischofsstadt Augsburg im Osten, welche jedoch in gleicher akkurater Manier dargestellt ist, wie all die anderen der nahezu unzähligen Orte, Weiler und Höfe zwischen Biber, Lech und der Grenze zum Allgäu.
Gleich einem Wimmelbild, wie aus Kindertagen bekannt, tummeln sich auf dem Kartenwerk Prozessionen, fahren an Donau und Lech die Flöße stromabwärts, diskutieren die Menschen und so manche dargestellte Posse führt unweigerlich zum Schmunzeln, um zu konstatieren: Auch die Menschen vor 400 Jahren hatten Humor. Man könnte sicherlich stundenlang vor dem imponierenden Bildnis ausharren und dennoch stets etwas Neues entdecken.
Museumsleiter Raphael Gerhardt und der Vorsitzende des Historischen Vereins Günzburg, Stefan Baisch freuten sich sehr über die „Heimkehr des Kartenwerks“in die einstige Markgrafenresidenz, fast an den Ort, wo sie 200 Jahre lang aufbewahrt wurde.
Bis zum 30. Juni werden die Besucher des Heimatmuseums Gelegenheit haben, auf eigene Erkundungsreise zu gehen. Jeweils samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr kann die Burgauer Landtafel bestaunt werden. Übrigens: Offensichtlich scheint Malcher den Wert der gemalten Karte auch im Nationalmuseum selbst wieder ins Bewusstsein gerufen zu haben. Wie verlautete, sei das Original kürzlich fachmännisch restauriert worden.