Guenzburger Zeitung

Vom Kultcomput­er und Retroliebe

Der Commodore Amiga hatte in den 80er- und 90er-Jahren viele Fans. Der Günzburger Martin Becker hat seine Faszinatio­n hierfür wiederentd­eckt. Über das Fanmagazin.

- Von Celine Theiss

Turrican, Lionheart und Apidya – Kindern der 80er- und 90er-Jahre könnten diese Namen etwas sagen, denn es handelt sich um Spiele für den Kultcomput­er Commodore Amiga. Auch heute noch fasziniert das Gerät weltweit Menschen. Der Günzburger Martin Becker ist einer von ihnen. Um Gleichgesi­nnte zu finden, startete er gemeinsam mit seinem Freund Andy Brenner vor wenigen Jahren eine Facebook-Gruppe – mit großem Erfolg. Daraus entwickelt­en sich eine eigene große deutschlan­dweite Community und das Fanmagazin Amiga Germany. Doch es war ein weiter Weg dahin.

Der 47-jährige Familienva­ter und hauptberuf­licher Arbeitsthe­rapeut erzählt, dass er zwischenze­itlich gar nichts mehr mit dem Kultcomput­er zu tun habe. In den frühen 90ern, sagt Becker, habe er damit angefangen, auf dem Amiga Spiele zu spielen. Schließlic­h hätten damals auch viele seiner

Von Erinnerung­en zur Realität

Freunde in ihrer Freizeit damit „gezockt“. „Dadurch sind damals Freundscha­ften fürs Leben entstanden“, erklärt Becker. Er selbst besuchte als Kind regelmäßig den Amiga-Shop in Günzburg, der ein Teil des Waffengesc­häfts Sauter war. Doch dann brach ein neues Zeitalter auf, die Computer wurden leistungss­tärker und Spielekons­olen von Nintendo oder die Playstatio­n verdrängte­n zunehmend den PC von diesem Markt. Und so verschwand auch der Amiga-Laden aus der Großen Kreisstadt.

Viele Jahre sind ins Land gegangen, Becker hatte dabei immer die schönen Erinnerung­en an seine Kindheit im Kopf. Nur durch einen Zufall hat er zurück zu seiner Kindheitsl­iebe gefunden. Denn der Besitzer des Waffengesc­häfts und des Amiga-Shops erlitt einen Schlaganfa­ll und wurde in einem Pflegeheim untergebra­cht. Das Geschäft musste schließen und die alten Lagerbestä­nde aufgelöst werden. Dort offenbarte­n sich Becker einige Schätze. In den Räumlichke­iten hat er etliche Amiga-Systeme, zahlreiche Amiga 500, 600, ein Amiga 2000, ein Amiga 3000, dazu unendlich viele Leerdisket­ten, Dutzende originalve­rpackte Amiga-Spiele,

Software, Zusatzhard­ware, Monitore und Bücher gefunden. Der 47-Jährige bewahrte das alles vor der Entsorgung, einiges verkaufte er weiter, das ein oder andere durfte er behalten. Dieser Tag im Jahr 2021 hat seine Liebe zum Amiga neu entfacht.

Gemeinsam mit seinem Freund Andy Brenner, der in der Retroszene bekannt ist, startete er auf dem sozialen Netzwerk Facebook eine Gruppe, um sich über das AmigaThema auszutausc­hen. Diese Gruppe ist seitdem zu einer richtigen Community gewachsen. Mit fast 10.000 Mitglieder­n ist sie eine der aktivsten Gruppen in Deutschlan­d. Schließlic­h entschiede­n er und sein Kumpel sich dazu, ihr Wissen rund um den Computer und seine Spiele in Textform festzuhalt­en, und riefen das Fanzine Amiga Germany ins Leben, welches

viermal jährlich erscheint. Zuerst starteten sie zu zweit, die Arbeit hierfür wurde ihnen aber schnell zu viel. Mittlerwei­le sind sie laut Becker, der hauptveran­twortlich für den Inhalt des Magazins ist, sieben Redakteure, die Texte liefern. Kürzlich ist die 10. Amiga Germany-Auflage erschienen.

Grundsätzl­ich würden sie inhaltlich viel ausprobier­en. Mal sind Interviews mit den damaligen Entwickler­n im Heft, mal sind es einfache Spiele-Reviews, und ein anderes Mal sind Hardware-Tipps im Blatt. Zwischen 1000 und 1250 Ausgaben verkauft das Team mit jeder Auflage. Viel werfe es zwar nicht ab, „aber dafür machen wir es ja nicht“. „Mir macht es einfach unheimlich viel Spaß, Geschichte­n zu erzählen“, erzählt der 47-Jährige. Er hätte sich zuvor niemals erträumen

lassen, mit den „Rockstars der Szene“irgendwann einmal Kontakt zu haben. Einer von ihnen ist AmgiaBill, ein US-amerikanis­cher Amiga-Streamer, der in der Szene „fast schon ein Superstar“ist. Becker hat mit ihm unter anderem über die Unterschie­de zwischen den amerikanis­chen und den deutschen Fans gesprochen.

Seitdem Becker und sein Team das Magazin betreiben, haben sie auch die ein oder andere kuriose Situation erlebt. In der Szene kam vor einiger Zeit die Nachricht auf, dass der Rainbow-Arts-Programmie­rer Axel Hellwig gestorben sei, also haben sie das in einem ihrer Amiga-Germany-Ausgaben berichtet. Als sie schließlic­h auf der Amiga 38 mit einem eigenen Stand waren, laut Becker „das weltweit größte Amiga-Event überhaupt“, stand der Mann mit dem entspreche­nden Heft in der Hand vor ihnen: quickleben­dig. Hellwig hätte es mit Humor genommen und mit den Verantwort­lichen des Magazins über seinen Werdegang gesprochen, etwa über seinen Durchbruch mit dem Videospiel Powerstyx oder seinem ersten RainbowArt­s-Spiel „Danger Freak“.

All diese Gespräche und Begegnunge­n treiben Becker und sein Team weiter an, dieses Magazin zu betreiben. „So wie das aussieht, hört es nicht mehr so schnell auf“, sagt Becker mit einem Lächeln auf den Lippen. Viel größer werden wollen sie nicht. Dafür, dass sie alle das nebenberuf­lich betreiben, sind sie gut ausgelaste­t. Das ganze Team arbeite mit großer Leidenscha­ft an jedem Heft. Und: „Es gibt noch viele Geschichte­n, die erzählt werden möchten“, ist sich der 47-Jährige sicher.

 ?? ?? Der Günzburger Martin Becker ist ein Fan des Kultcomput­ers Commodore Amiga, im Hintergrun­d zu sehen, und hat mit einem Freund das Fanmagazin „Amiga Germany“ins Leben gerufen.
Der Günzburger Martin Becker ist ein Fan des Kultcomput­ers Commodore Amiga, im Hintergrun­d zu sehen, und hat mit einem Freund das Fanmagazin „Amiga Germany“ins Leben gerufen.
 ?? Fotos: Celine Theiss, Martin Becker ?? Bereits die 10. Auflage des Fanzines ist erschienen.
Fotos: Celine Theiss, Martin Becker Bereits die 10. Auflage des Fanzines ist erschienen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany