„So erreichen sie ihr Streikziel nie“
Der Arbeitskampf bei der Bahn Ex-GDL-Chef Manfred Schell im MOPO-Gespräch
Aachen – Der Bahnstreik lähmt das ganze Land. Manfred Schell war langjähriger Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL. Für die Strategie seines Nachfolgers Claus Weselsky zeigt er im MOPO-Interview nur bedingt Verständnis.
MOPO: Haben Sie Verständnis für die GDL- Forderung, in Tarifverhandlungen alle Berufsgruppen vertreten zu dürfen? Manfred Schell: Verständnis dafür, das zu wollen, habe ich. Allein mir fehlt der Glaube, dass die GDL das schaffen wird. Die Bahn hat von der ersten Minute an gesagt, dass sie keine konkurrierenden Tarifverträge zulässt. Halten Sie die Unnachgiebigkeit Ihres Nachfolgers für angemessen? Riskiert Weselsky nicht einen Imageschaden? Der Vorsitzende interessiert mich dabei weniger. Ich fürchte, dass die GDL am Ende ihre Streikziele nicht erreichen und Schaden nehmen wird. Denn wie soll es weitergehen, wenn er sich hier nicht durchsetzt? Kommt dann der unbefristete Arbeitskampf, von dem Weselsky sagt, dass es ihn nicht geben wird? Es muss doch auch einen Plan B geben. Ich vermisse da die Stringenz. Niemals haben Tarifverhandlungen so geendet, wie sie begonnen haben. Am Ende wird immer ein Kompromiss stehen, das ist bei jedem Gesetzentwurf im Bundestag auch so. Und so wird und muss es auch in diesem Tarifstreit enden. Hätten Sie an Weselskys Schlichter akzeptiert? Ich hätte ihn akzeptiert. Ob ich mit dem Ergebnis der Schlichtung am Ende hätte leben können, ist etwas anderes. Und da das sogar der Dachverband, der DBB Beamtenbund, empfiehlt, habe ich wenig Verständnis, dass das von der GDL abgeschlagen wurde. Schließlich bezahlt der Dachverband die Streikkosten mit. Sind die GDL- Forderungen – vor allem die Übernahme des GDL- Flächentarifvertrages auch für Zugbegleiter und Rangierer – auf Dauer durchsetzbar? Ich bin skeptisch. Voraussetzung dafür wird nach dem Tarifeinheitsgesetz sein, dass die GDL in den Berufsgruppen die Mehrheit stellt. Das ist nur bei den Lokführern der Fall, in den anderen Berufsgruppen hat man das nicht organisiert und ist weit davon entfernt.
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„ Ich fürchte, dass die GDL am Ende Schaden nehmen wird.“Manfred Schell