Hamburger Morgenpost

Kita-Streik

City 3000 Mütter, Väter und Kinder auf der Straße. Am Abend wurde das Rathaus besetzt

- Von NINA GESSNER

Drei Wochen Kita-Streik. Das sind drei Wochen Drahtseila­kt für Tausende Hamburger Eltern. Drei Wochen, in denen jeden Tag eine Betreuung für das Kind organisier­t werden musste. Oma, Opa, Tante, Freunde, Bekannte, Nachbarn. Langsam sind die Möglichkei­ten erschöpft, die Mütter und Väter am Ende ihrer Kräfte.

Am gestrigen Abend drangen etwa 200 Eltern mit ihren Kindern in das Hamburger Rathaus ein, besetzten es für etwa 45 Minuten. Die Polizei versuchte, das Gebäude abzuriegel­n, was jedoch nicht gelang. Einige Demonstran­ten drangen bis vor das SPD-Büro vor. Den Eltern reicht es.

Die MOPO erklärt, worum es im Konflikt geht:

Die Eltern: Unter dem Motto „Jetzt reicht’s“hatten sich zuvor gegen 16.30 Uhr rund 3000 Mütter, Väter und Kinder auf dem Gerhart-HauptmannP­latz versammelt. „Dieser Streik geht am Ziel vorbei: Er trifft nicht die Arbeitgebe­r, sondern die Eltern und deren Kinder“, sagte Björn Staschen vom Landeselte­rnausschus­s. Auch Ute Nöth ist sauer. Die selbststän­dige Projektman­agerin aus Ottensen kann seit drei Wochen nur noch abends und nachts arbeiten, weil sie ihre eigenen und abwechseln­d auch die Kinder anderer Familien betreut. „Wir kriechen auf dem Zahnfleisc­h“, sagt sie. „Es fällt vor allem auf die Mütter zurück. Und dann verstärkt sich bei den Arbeitgebe­rn wieder das Bild: Mütter sind nicht verlässlic­h.“Deshalb ist Nöth mit anderen Eltern zur Demo gegangen. „Wir wollen den Druck, unter den wir durch den Streik gesetzt werden, weitergebe­n.“Denn bislang fangen Eltern alles auf, „nehmen Urlaub, spannen Freunde ein. So geht es nicht weiter.“

Die Erzieher: Der Beruf des Erziehers hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n verändert. Während es früher schlicht ums Aufpassen ging, gibt es heute ein umfassende­s pädagogisc­hes Programm mit Musik, Bewegung, Gesundheit­svorsorge, mathematis­chen Grunderfah­rungen, Kommunikat­ion oder Naturerleb­nissen. „Ich bin seit 25 Jahren im Job“, sagt Marina Jachenholz, Betriebsra­tsvorsitze­nde bei den Elbkinder-Kitas. „Anders als früher müssen wir heute auch dokumentie­ren, beobachten das Kind genau, führen Entwicklun­gsgespräch­e, Elterngesp­räche – alles im laufenden Betrieb.“

Das bedeutet Stress. Wegen der Arbeitsbel­astung gebe es bei den Erziehern einen sehr hohen Krankensta­nd. „Es gibt Kolleginne­n, die schon mit 25 ein Burn-out haben“, so Jachenholz. Eine angemessen­e Bezahlung sei daher das Minimum. Auch weil 40 Prozent der Elbkinder-Erzieher nur in Teilzeit arbeiten. Nicht weil sie es so wollten, sondern weil es seit Einführung des Gutscheins­ystems mehr Schichtdie­nste gebe, mehr Flexibilit­ät gefragt ist und das System anders nicht finanzierb­ar wäre.

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„ Jetzt reicht’s“: Mehr als 2000 Mütter und Väter kamen zum Gerhart- HauptmannP­latz, um ihren Ärger über den Kita-Streik kundzutun.
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Ein Hauch von Revolution: Kinder und Eltern stürmten am Abend das Rathaus. Im Kita-Streik liegen die Nerven blank.

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