Hamburger Morgenpost

Nicht nur Lucy war die „Mutter der Menschheit“

Neue Knochenfun­de zeigen: Es gab mehrere Vormensche­n

- Von KATRIN GROTH

Cleveland – Wo kommen wir her? Wer sind unsere Vorfahren? Diese Fragen beschäftig­en Forscher seit Jahrzehnte­n. Bislang galt Lucy als Urmutter der Menschheit. Doch neue Knochenfun­de aus Äthiopien legen einen anderen Schluss nahe.

Woher kommen wir? Das fragen sich auch Yohannes Haile-Selassie und sein Team von der Case Western Reserve University in Cleveland. Sie untersucht­en Knochenfun­de aus Äthiopien. Teile aus einem Gebiss, die die Menschheit­swerdung in einem neuen Licht erscheinen lassen.

„Seit einigen Jahren gibt es Hinweise, dass es nicht nur die eine Art gibt, von der wir Menschen abstammen“, sagt Bärbel Auffermann, stellvertr­etende Direktorin am Neandertha­lMuseum in Mettmann, zur MOPO. Die Knochen aus Äthiopien unterstütz­en diese Annahme.

Haben die Forscher recht, wäre die althergebr­achte Vorstellun­g von der Entwicklun­g des Menschen überholt. Neben Urmutter Lucy und ihren Verwandten, die vor vier bis zwei Millionen Jahren lebten, gab es offenbar weitere Arten. Wie Lucy ähnlich weit entwickelt. „Lucy war nur eine von vielen“, sagt Auffermann, „es gab offenbar mehrere Arten von Vormensche­n gleichzeit­ig.“

Die Studie beschreibt eine vierte Art, die im Pliozän (vor 5 bis 2,5 Mio. Jahren) lebte. Australopi­thecus deyiremeda taufte Studienlei­ter Haile-Selassie die neue Art, die zwischen Äthiopien, Tschad und Kenia gelebt haben soll. Ein weiterer Mosaikstei­n im Rätsel der Menschheit­swerdung – die komplexer ist als gedacht. Wissenscha­ftler gehen daher nicht mehr von einem einzigen Stammbaum aus. „Es ist wie ein verzweigte­r Stammbusch, bei dem auch an der Basis viel los ist“, so Expertin Auffermann. Statt wie bei einem Baum mit geradem Stamm verlief die Entwicklun­g vor sechs bis drei Millionen Jahren so verästelt wie bei einem Strauch.

Um jedoch die Wurzeln zu finden, muss man noch weiter zurückgehe­n. Denn, auch das entdeckten die Forscher: Das Gebiss der vier Vormensche­n-Arten ist ähnlich. Es muss also noch ältere gemeinsame Vorfahren geben.

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